Luxemburg ist nicht nur im europäischen Kontext wichtig für Amazon. 75 Prozent aller Geschäfte außerhalb der USA lässt der Konzern über das Großherzogtum laufen. Das geht aus einer aktuellen Studie der University of London hervor, die im Auftrag der Linken-Fraktion im Europaparlament erstellt wurde. Luxemburg ist laut den beteiligten Forschern Dreh- und Angelpunkt von Amazons weltweiter Steuervermeidungsstrategie.
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13,4 Milliarden an steuerreduzierenden Verlusten hat Amazon zwischen 2010 und 2020 in Luxemburg eingefahren. Der Betrag übertrifft laut den Wissenschaftlern die Summer aller Steuern, die der Amazon-Konzern je bezahlt hat. Die Verluste stammen überwiegend von außereuropäischen Tochterfirmen. So soll alleine eine indische Tochterfirma im letzten Jahrzehnt Verluste von mehr 3,46 Milliarden US-Dollar eingefahren haben. Die Ausgaben dieser Tochterfirma übersteigen demnach ihre Umsätze um 220 Prozent.
Die überwiegend von asiatischen Tochterfirmen angehäuften Verluste werden laut den Londoner Forschern wiederum an luxemburgische Amazon-Töchter übertragen und dort in Steuergutschriften umgewandelt, die Amazon dann bei der US-amerikanischen Steuerbehörde geltend macht. Gleichzeitig landen in Luxemburg aber auch hohe Gewinnsummen. Laut der Studie waren das im Untersuchungszeitraum 17,2 Milliarden Dollar an unversteuerten Gewinnen.
Forscher werfen Amazon gezielte Intransparenz vor
Laut den Studienautoren macht es Amazons weitverzweigtes Netz aus Tochterfirmen extrem schwierig, Steuerzahlungen des Gesamtkonzerns zu erfassen. Als Beispiel dafür wird auch Amazons Cloud-Sparte AWS genannt. Obwohl AWS einen immer größeren Teil am Konzernumsatz habe, sei völlig unklar, ob die Cloud-Sparte jemals irgendwelche Steuern gezahlt habe.
„Amazon scheint das Reporting absichtlich intransparent zu gestalten und Daten in verwirrender Weise darzustellen, um möglicherweise ihre aggressive Steuerplanungsstrategie zu verschleiern“, heißt es in der Londoner Studie. Aufklärung könnte nur eine Untersuchung der Europäischen Kommission oder anderer staatlicher Kontrollorgane liefern.
Die Behörden sollten sich nach Ansicht der Wissenschaftler aber nicht nur Amazon genauer anschauen. „Es ist unwahrscheinlich, dass Amazon mit der Arbitrage von Steuergutschriften allein dasteht. Die Autoren dieses Berichts fanden Hinweise darauf, dass andere große amerikanische Unternehmen eine ähnliche Strategie verfolgen und möglicherweise von der US-Regierungspolitik ermutigt werden“, heißt es in der Studie.
„Amazon hat aus Steuervermeidung ein Geschäftsmodell erschaffen“
Martin Schirdewan, der Co-Vorsitzende der Linken-Fraktion im EU-Parlament, wirft Amazon vor, aus der „Steuervermeidung ein Geschäftsmodell“ erschaffen zu haben. Dadurch habe sich der US-Konzern einen Wettbewerbsvorteil gegenüber der Konkurrenz gesichert. Dass Amazon und andere so erfolgreich Steuerzahlungen vermeiden können, liegt nach Meinung von Schirdewan auch am „politischen Unwillen und der Unfähigkeit der Regierungen“.
Erst in dieser Woche hat das EU-Gericht zugunsten von Amazons Steuerpraxis entschieden. Die EU-Kommission hatte gefordert, dass der Konzern rund 250 Millionen Euro an Steuern in Luxemburg nachzahlen müssen. Das Gericht sah jedoch keinen hinreichenden Nachweis dafür, dass Amazon die Steuerlast zu Unrecht verringert habe. Amazon zeigte sich zufrieden über das Urteil und teile in einer Stellungnahme mit: „Wir begrüßen die Entscheidung des Gerichts, die mit unserer langjährigen Position übereinstimmt, dass wir alle geltenden Gesetze befolgt haben und dass Amazon keine Sonderbehandlung erhalten hat.“