Anzeige
Anzeige
Analyse

Trotz Rekordumsatz keine Steuern: Warum Kritik an Amazon zu kurz greift

Der jüngste Geschäftsbericht der Amazon-Europa-Zentrale in Luxemburg zeigt es deutlich: Der E-Commerce-Riese hat im Jahr 2020 Rekordumsätze gemacht, muss aber dennoch keine Steuern zahlen – im Gegenteil.

2 Min.
Artikel merken
Anzeige
Anzeige

Amazon liefert mehr Pakete aus als je zuvor. Zum Gewinn reicht es aber trotzdem nicht... (Foto: Cineberg/Shutterstock)

Auf den ersten Blick erscheint es unglaublich. Im Zuge der Corona-Pandemie hat kaum ein anderes Handelsgeschäft so stark zugelegt wie das von Amazon. 44 Milliarden Euro Umsatz konnte das Unternehmen im Jahr 2020 im Wirkungskreis seiner Europa-Niederlassung in Luxemburg generieren.

Keine Gewinne, keine (Körperschafts-)Steuern

Anzeige
Anzeige

Gewinne sind dabei den offiziellen Geschäftszahlen zufolge aber nicht entstanden. Stattdessen weist Amazon Europa für das Jahr 2020 einen operativen Verlust von 1,2 Milliarden Euro aus. Da ist es klar, dass das Unternehmen keine Steuern zahlen muss, denn Steuern werden nicht auf Umsätze, sondern auf Gewinne erhoben. Dabei handelt es sich um die sogenannte Körperschaftssteuer, die gedanklich in etwa mit der Einkommenssteuer im Privaten zu vergleichen ist. So entstandene Verluste können Unternehmen sich steuerlich „vortragen“ lassen. Das bedeutet, dass Gewinne in der Zukunft zunächst gegen den vorgetragenen Verlust gerechnet werden. Erst wenn der verbraucht ist, würde Körperschaftssteuer fällig.

Hohe Verlustvorträge verschaffen komfortables Polster

Was das betrifft, kann sich die europäische Amazon-Zentrale noch eine Weile entspannen. Wie der Guardian berichtet, hat der E-Commerce-Riese bereits einen Verlustvortrag von 2,7 Milliarden Euro aufgebaut, der sich bislang Jahr für Jahr erhöht. Konkret bedeutet das, Amazon könnte sogar einen Gewinn von 2,7 Milliarden Euro ausweisen und würde immer noch keine Steuern in Europa zahlen.

Anzeige
Anzeige

Erst im Folgejahr würden die Steuerbehörden sogenannte Vorauszahlungen festsetzen. Dabei handelt es sich um unterjährige Zahlungen auf eine zu erwartende Steuerschuld, die dann erst mit dem Jahresergebnis konkret bestimmt werden kann. Aus dieser Unbill, die Jahr für Jahr kleine und mittelständische Unternehmen beutelt, ist Amazon mit seinem komfortablen Verlustvortragspolster raus.

Anzeige
Anzeige

Dabei gibt es zunächst nicht einmal etwas am Faktischen zu kritisieren. Natürlich werden Steuern auf Gewinne nur fällig, wenn diese Gewinne auch anfallen. Und in diesem Kontext hat auch das Prinzip des Verlustvortrags seinen Sinn. Schließlich wäre es grob ungerecht, würde man ein Unternehmen, das in einem Jahr eine Million Verlust und im Folgejahr eine Million Gewinn macht, steuerlich so behandeln, als hätte es nur den Gewinn, nicht aber den Verlust gegeben.

Kritik entzündet sich an der Frage der Entstehung der Verlustvorträge

Das Problem mit Amazon – aber auch mit Apple, Google und anderen Großkonzernen – liegt an anderer Stelle. Fraglich ist hier nämlich, wie diese Verluste zustande kommen. Amazon beruft sich darauf, jede Steuer, die in Europa fällig würde, auch tatsächlich zu bezahlen. Das ist sicher wahr. Gleichzeitig tut das Unternehmen sein Möglichstes, um ebendiese Fälligkeiten zu vermeiden.

Anzeige
Anzeige

Ein bekannter Trick besteht etwa darin, dass die Konzernzentrale seinen Dependancen hohe interne Kosten in Rechnung stellt. Dabei kann es sich um Verwaltungskosten handeln, aber auch die Nutzung von Software-Lizenzen oder Ausstattung, die im Eigentum der Zentrale steht, kann Gewinne schnell abschmelzen lassen – vor allem, wenn die Kosten dafür überhöht angesetzt werden. Da die einzelnen Firmenteile rechtlich selbstständige Unternehmen sind, ist gegen diese Form der Hin- und Her-Verrechnung rechtlich nichts einzuwenden.

Moralisch mag man derlei legale Tricks fragwürdig finden. Hier wäre allerdings zuvorderst der Gesetzgeber gefordert, wollte er etwas an der Praxis ändern. Die Unternehmen wiederum sind ihren Shareholdern verpflichtet und müssen schon unter diesem Aspekt alle Möglichkeiten, deren Investments zu „schützen“, tatsächlich ausschöpfen. Anderenfalls könnten sie sich selbst mit Haftungsforderungen konfrontiert sehen. Hier den Unternehmen den Schwarzen Peter zuzuschieben, ist zwar verständlich, greift aber deutlich zu kurz.

Mehr zu diesem Thema
Fast fertig!

Bitte klicke auf den Link in der Bestätigungsmail, um deine Anmeldung abzuschließen.

Du willst noch weitere Infos zum Newsletter? Jetzt mehr erfahren

Anzeige
Anzeige
6 Kommentare
Bitte beachte unsere Community-Richtlinien

Wir freuen uns über kontroverse Diskussionen, die gerne auch mal hitzig geführt werden dürfen. Beleidigende, grob anstößige, rassistische und strafrechtlich relevante Äußerungen und Beiträge tolerieren wir nicht. Bitte achte darauf, dass du keine Texte veröffentlichst, für die du keine ausdrückliche Erlaubnis des Urhebers hast. Ebenfalls nicht erlaubt ist der Missbrauch der Webangebote unter t3n.de als Werbeplattform. Die Nennung von Produktnamen, Herstellern, Dienstleistern und Websites ist nur dann zulässig, wenn damit nicht vorrangig der Zweck der Werbung verfolgt wird. Wir behalten uns vor, Beiträge, die diese Regeln verletzen, zu löschen und Accounts zeitweilig oder auf Dauer zu sperren.

Trotz all dieser notwendigen Regeln: Diskutiere kontrovers, sage anderen deine Meinung, trage mit weiterführenden Informationen zum Wissensaustausch bei, aber bleibe dabei fair und respektiere die Meinung anderer. Wir wünschen Dir viel Spaß mit den Webangeboten von t3n und freuen uns auf spannende Beiträge.

Dein t3n-Team

Janix

Unternehmensleitungen als moralfrei zu sehen wird den BWLern und Juristen eingebläut. Das macht es nicht richtiger. Verantwortung trägt jeder immer.

Antworten
Titus von Unhold

Es gibt keine „Verantwortung“ wie du sie beschreibst. Das ist lediglich eine moralingetränkte Schwafellei über Legitimität und sollte Jürgen Habermas überlassen bleiben. Entweder ein Unternehmen handelt legal oder eben nicht.

Blame the Game, not the Player!

Antworten
Daniel

Das Problem ist komplexer. Große Firmen haben über ihre Lobbyarbeit Einfluss auf die Gesetzgebung, die hat der kleine Krauter von nebenan nicht. Und die Schlupflöcher (legale Betrugsmöglichkeiten), die sie damit schaffen, können die kleinen Firmen nicht nutzen. Insofern mag das Verhalten von Amazon und Co. gesetzestreu sein, besser oder gar gut wird es dadurch aber nicht.

Peter

Das einfachste und effektivste wäre eine Zerschlagung Amazons in seine Einzelbereiche.

Antworten
Toni M.

Es gibt für global tätige Firmen kein globales steuerliches System. Es geht dabei um so immense Beträge, dass eine Armada von hochbezahlten Beratern der Steuervermeidungsindustrie weltweit Firmen – Systeme erschafft, die sich ein einzelner Staat ( und seine Steuerbeamten ) kaum noch vorstellen kann. Es geht dabei praktisch ausschließlich um Gewinnverlagerung – u. steuerung sowie Steuervermeidung. Und alles ist legal. Dies betrifft übrigens nicht nur die Techgiganten, sondern praktisch auch alle großen Finanz-, Versicherungs-, Dienstleistungs – u. Industrieunternehmen.
Zudem werden seit gut 2 Jahrzehnten die Gewinne extrem privatisiert und die Kosten fast ausschließlich sozialisiert. Auch hier, kaum Gegenwehr der Politik.

Würden alle TOP 500 Unternehmen der Welt ihre Gewinne “ normal “ versteuern, könnte man sich den Geldregen für die Kassen der Staaten kaum vorstellen.
Aber – es müssen alle Unternehmen gleichzeitig global zur Steuerkasse gebeten werden. Sonst drohen gravierende Wettbewerbsverzerrungen und Arbeitsplatzverluste.

Antworten
UW

I.d.R., wer längerfristig keinen Gewinn erzielt, dem droht die Aberkennung der Gewinnerzielungsabsicht und damit die Streichung bzw. Aberkennung sämtlicher betrieblichen Ausgaben. In diesem Falle würde der Umsatz minus der dann nicht mehr vorhandenen Kosten würde theoretisch einen erhebliche Steuerschuld erzeugen, oder?
VG

Antworten

Melde dich mit deinem t3n Account an oder fülle die unteren Felder aus.

Bitte schalte deinen Adblocker für t3n.de aus!
Hallo und herzlich willkommen bei t3n!

Bitte schalte deinen Adblocker für t3n.de aus, um diesen Artikel zu lesen.

Wir sind ein unabhängiger Publisher mit einem Team von mehr als 75 fantastischen Menschen, aber ohne riesigen Konzern im Rücken. Banner und ähnliche Werbemittel sind für unsere Finanzierung sehr wichtig.

Schon jetzt und im Namen der gesamten t3n-Crew: vielen Dank für deine Unterstützung! 🙌

Deine t3n-Crew

Anleitung zur Deaktivierung
Artikel merken

Bitte melde dich an, um diesen Artikel in deiner persönlichen Merkliste auf t3n zu speichern.

Jetzt registrieren und merken

Du hast schon einen t3n-Account? Hier anmelden

oder
Auf Mastodon teilen

Gib die URL deiner Mastodon-Instanz ein, um den Artikel zu teilen.

Anzeige
Anzeige