Maximal blamiert, unausgegoren, einfach nur eine Lachnummer: Das sind die Vorwürfe an Angela Merkel, nachdem sie am vergangenen Mittwoch auf der Pressekonferenz den Osterlockdown wieder abgeblasen hat – nach gerade einmal zwei Tagen. Der Gründonnerstag und der Karsamstag als Ruhetage sollten ein Signal des harten Durchgreifens in einer sich derzeit wieder stark verschlimmernden Pandemielage sein. Fünf Tage sollte das Land insgesamt in den Ruhemodus gehen, um die Kontakte zu minimieren und die Inzidenzen zu senken. Doch die Umsetzungspläne sind an den Problemen gescheitert: Was bedeutet denn Ruhetag? Haben alle frei? Sind Tankstellen geschlossen? Baumärkte? Supermärkte? Was ist mit denen, die eh schon im Homeoffice sind und sowieso keine Kontakte haben? Wie wird mit der Lohnfortzahlung umgegangen? Fragen über Fragen, deren Antworten ausblieben.
Osterlockdown: Angela Merkel gesteht Fehler ein
Merkel und die Landesministerinnen und -minister haben einen Bock geschossen, einen Schnellschuss fabriziert. Das lässt sich nicht abstreiten. Dafür gibt es keinen Beifall. Die Nummer geht in die Geschichte ein als die am schnellsten gescheiterte politische Maßnahme in 16 Jahren Merkel-Kanzlerschaft. Aber: Das ist nicht die einzige Sache, die historisch ist. Nicht weniger beachtlich ist, wie Angela Merkel mit diesem geschossenen Bock jetzt umgeht: Sie ist verantwortungsbewusst, anständig und trotz der Situation führungsstark. „Dieser Fehler ist einzig und allein mein Fehler“, sagt sie und stellt sich vor ihre Landesministerinnen und -minister, die sich jetzt feige hinter ihr verstecken, anstatt es ihr gleichzutun und Verantwortung zu übernehmen. Die Kanzlerin hat sich entschuldigt bei den Bürgerinnen und Bürgern. Das ist genauso einmalig wie die Geschwindigkeit des Scheiterns der Maßnahmen.
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Man muss mit der deutschen Politik in dieser Coronakrise nicht übereinstimmen, die zweifellos immer wieder von Pannen gekennzeichnet ist. Aber man sollte durchaus anerkennen, dass Angela Merkel nicht eitel ist, dass sie sogar einen Imageschaden hinnimmt, um eine Fehlentscheidung zu korrigieren. Besser so, als dass sich die Maßnahmen in ihrer Konsequenz erst schlimm entfalten. Fehler einzugestehen und um Verzeihung zu bitten, verdient großen Respekt. Auch und gerade, weil Politikerinnen und Politiker so etwas viel zu selten tun. Schuld sind immer die anderen und zu oft wird sich in beschwichtigendes, verworrenes Gerede geflüchtet, anstatt zu sagen, was ist: „Ich habe einen Fehler gemacht.“ Das ist authentisch, das ist mutig, das ist führungsstark. Angela Merkel hat ein historisches Signal gesendet, dass auch Top-Führungskräfte die Courage haben müssen, Fehler einzugestehen.
Mehr zum Thema: Warum Merkel sich ihre Entschuldigung leisten kann – und andere nicht
Lieber Kommentator, ich sehe das leider aus verschiedenen Gesichtspunkten anders. Dass es zu selten vorkommt, dass Politiker ihre Fehler eingestehen, ist in der Tat schwach. Wenn es dann ein Politiker tut, sollte man das aber nicht als etwas „Großartiges“ überbewerten und den Politiker hochloben. Denn aus Marketing- und PR-strategischer Sicht war dieser Schritt von Merkel der einzige logische und taktisch richtige, um nicht komplett auseinandergenommen zu werden. Nun redet Deutschland über Merkel als eine Person, die Fehler eingestehen kann und deshalb groß ist. Die eigentlichen und weiterhin bestehenden Probleme in der Corona-Politik geraten dabei ein Stück weit in den Hintergrund – zumindest wirkt dieser Schritt Merkels allgemein beschwichtigend auf die Häufung der Fehler. Rational betrachtet ist Merkels Entschuldigung aber nur Gerede. Sinnvolle Entscheidungen wurden am Ende trotzdem nicht getroffen. Wenn Bürger zu diesem Thema befragt werden, erklären diese oft, dass sie sich solch eine Anhäufung von Fehlern nicht leisten könnten. Da helfe auch keine Entschuldigung. In gewisser Weise kann ich diese Ansicht verstehen. Auf die Politiker angewendet würde das bedeuten, dass der halbe Regierungsstab ausgewechselt werden sollte.