Apple Watch: Diese nächtliche E-Mail an Tim Cook sorgt jetzt vor Gericht für Ärger
„Ich bin fest davon überzeugt, dass wir die neue Welle der Technologie entwickeln können, die Apple zur Nummer-1-Marke im Medizin-, Fitness- und Wellness-Markt machen wird“. Diesen Satz schreibt Marcelo Lamego im Herbst 2013 in einer E-Mail an Apple-CEO Tim Cook. Es ist kurz vor ein Uhr morgens – Lamego schickt seine Mail ab.
Wenige Stunden später meldet sich ein Apple-Recruiter bei ihm. Es ist nicht das erste Mal, dass der Entwickler, der seinen Doktor in Stanford gemacht hat, Kontakt zur Personalabteilung von Apple hat.
Apple versus Masimo: Lamego als Schlüsselfigur?
Bereits Anfang 2013 hätten zwei Recruiter versucht, ihn anzuheuern, schreibt Lamego in seiner Mail an Cook, die mittlerweile der Nachrichtenagentur Bloomberg vorliegt. Da sei er aber nicht bereit gewesen, eine Verschwiegenheitserklärung für das Vorstellungsgespräch auf dem Apple-Campus zu unterzeichnen.
Fast ein Jahr später scheint Lamego seine Meinung geändert zu haben. Zum Januar 2014 tritt er einen neuen Job in der Forschungs- und Entwicklungsabteilung von Apple an.
Das Pikante an der Sache, und damit auch der Grund, warum Bloomberg-Reporter Mark Gurman die E-Mail aus dem Herbst 2013 gut zehn Jahre später noch einmal neu aufrollt: Lamego verlässt für die neue Stelle bei Apple seinen langjährigen Posten als CTO bei Cercacor Laboratories, einem Tochterunternehmen des Medizintechnikherstellers Masimo.
Genau dieser Medizintechnikhersteller befindet sich, angeführt von CEO Joe Kiani, seit Jahren in einem Rechtsstreit mit Apple.
Mail an Tim Cook Teil der Gerichtsunterlagen im Apple-Prozess
Der Hauptvorwurf gegen Apple: Das Unternehmen soll eine von Masimo patentierte Technologie, die den Sauerstoffgehalt im Blut misst, ohne Genehmigung in seinen Apple Watches nutzen, und habe Masimo-Mitarbeitende wie Lamego abgeworben, um sich das notwendige Wissen über die Messtechnologie zu verschaffen.
Apples erster Versuch, Lamego anzuheuern, war kurz nach einem Treffen zwischen Masimo- und Apple-Führungskräften gestartet. Den hat Lamego bekanntermaßen ausgeschlagen – als Masimo-CEO Kiani ihm dann aber verwehrte, auch bei Masimo CTO zu werden, habe er sich umentschieden, heißt es im Gerichtsprozess von den Masimo-Anwälten.
Marcelo Lamegos bei Apple: Eine kurze Episode
Lamegos Anstellung bei Apple im Jahr 2014 ist allerdings nur von kurzer Dauer, schon im Juli verlässt er die Firma wieder.
Masimo argumentiert, Lamego habe Apple in seinem siebenmonatigen Anstellungsverhältnis die wichtigsten Infos für die weitere Entwicklung der Apple Watch geliefert und sei dann überflüssig geworden.
Von Apple-Manager Steve Hotelling heißt es vor Gericht hingegen, der Produktentwickler sei bei Apple schlichtweg angeeckt, habe sich mit Managern angelegt, millionenschwere Budgets und Entscheidungsgewalt über die Einstellung von Personal verlangt.
Masimo verliert vorläufig gegen Apple – aber auch Lamego hat verloren
Im September 2014 stellt Apple die erste Apple Watch vor, allerdings noch ohne den Sensor zur Messung des Sauerstoffgehalts im Blut. Der ist erst Jahre später in der Apple Watch Series 6 enthalten.
Man habe mit der Entwicklung der Sauertstoffmessfunktion erst Ende 2014 begonnen, so ein Apple-Entwickler vor Gericht, also nach Lamegos Zeit im Unternehmen.
Für das zuständige Gericht eine valide Argumentation, außerdem stelle „die Anwerbung oder Einstellung von Mitarbeitern eines anderen Unternehmens, einschließlich eines Wettbewerbers, für sich genommen kein unzulässiges Mittel dar“. Der Rechtsstreit zwischen Apple und Masimo wurde dementsprechend vorerst zugunsten von Apple entschieden.
Ein anderer Prozess in den vergangenen Jahren ist hingegen zugunsten des Medizintechnikherstellers Masimo ausgegangen: der gegen Marcelo Lamegos Startup True Wearables.
Lamego hatte True Wearables nach seiner Zeit bei Apple gegründet und damit unter anderem ein Gadget namens Oxxiom vertrieben. Lamego zufolge handelt es sich dabei um den weltweit ersten, kontinuierlichen Einweg-Blutsauerstoffsensor. Masimo klagte gegen das Startup des Ex-CTOs – und erwirkte vor Gericht einen Verkaufsstop des Sensors.