Arbeiten in den USA: Über kulturelle Unterschiede, derer sich Deutsche bewusst sein sollten
Wenn ich ganz ehrlich bin, stand es eigentlich nie weit oben auf meiner Wunschliste in den USA zu leben und zu arbeiten. Doch als ich vor circa sieben Monaten die Chance auf die Korrespondenten-Stelle in San Francisco erhalten habe, war ich ziemlich froh und mir war klar, dass ich sie nutzen muss. Das hatte vor allem zwei Gründe: Zum einen ist es beruflich extrem sinnvoll, mich selbst von den Gegebenheiten der Tech-Branche in San Francisco und dem Silicon Valley zu überzeugen – schreibe ich doch tagtäglich über Tech und sehr häufig über die damit im Zusammenhang stehenden politischen Ereignisse in den USA und Deutschland. Zum anderen war mir aber auch klar, dass es einem persönlich nur zugutekommen kann, wenn der Horizont ein wenig geöffnet wird und man für eine Zeit in einer anderen Kultur lebt.
Kultureller Unterschied zu Deutschland: Weniger reden, mehr machen!
Viele mögen es vielleicht nicht glauben, aber die amerikanische Kultur – auch wenn wir überwiegend dem gleichen Wertesystem folgen – unterscheidet sich enorm von der deutschen Lebensweise. Vor allem „think positive!“ ist mir in San Francisco auch und gerade im Arbeitsleben häufig begegnet – manifestiert in zwei bezeichnenden Angelegenheiten: Zum einen benutzt niemand das Wort „Nein“ und zum anderen beschäftigt sich kaum jemand mit Details. Es kommt insofern nicht von ungefähr, dass Deutschland weltweit als das Land der Denker und Amerika als das Land der unbegrenzten Möglichkeiten gesehen wird. Hier hat sich in dem Kontext ein großes Klischee bestätigt.
Bemerkt habe ich die ersten Unterschiede schon alleine daran, wie mit Ideen und Projekten umgegangen wird. In den USA wird beispielsweise erst das Ziel formuliert, in der Regel in Form einer Vision. Im Anschluss setzen sich die Verantwortlichen dann erst zusammen und überlegen, wie das Ziel schnellstmöglich erreicht werden kann. Währenddessen wird jedoch kaum nach Details gefragt – man legt einfach los und guckt was passiert. In diesem Sinne tritt der Amerikaner als Macher auf. Das wirkt auf viele Deutsche seltsam, denn wir sind es gewohnt zuerst alle Informationen zu sammeln, sie zusammenzufügen und anschließend ein konkretes Bild zu zeichnen.„In den USA wird kaum nach Details gefragt!“
Die meisten dürften insofern schnell das Gefühl haben, dass die Amerikaner zu impulsiv agieren und sich möglichen Problemen nicht bewusst sind. Diese Einstellung wiederum empfinden Amerikaner als träge. Des einen Stärke ist das Handeln, des anderen die Planung. Beides hat aber seine Vor- und Nachteile, wie ich auch nach fünf Monaten an der Westküste immer wieder feststellen muss.
In den USA herrscht eine andere Gesprächskultur
Interessant ist auch, wie schnell es diesbezüglich in Sachen Kommunikation zu Missverständnissen kommen kann. Denn Amerikaner können beispielsweise mit einem direkten Widerspruch in Form eines klaren „Nein!“ nichts anfangen. Das bedeutet nicht, dass in den USA keine Kritik oder Gegenargumente geäußert werden dürfen. Aber sie müssen positiv formuliert werden: „Dein Gedanke ist nachvollziehbar und gut, aber wir sollten überlegen, ob….“, funktioniert besser als eine direkte Absage à la „Nein, das müssen wir anders machen“. Auf viele Amerikaner wirkt so ein Antwort wie eine Negativhaltung und das wird unweigerlich schiefgehen. Dass derartige Umgangsformen beachtet werden, ist besonders wichtig – auch wenn einige Deutsche darin eher eine unnötige Floskelei erkennen und das als reine Zeitverschwendung sehen.
Und auch das sollten Deutsche bezüglich der Gesprächskultur beachten: Unter „Du bist ein guter Zuhörer“, verstehen Deutsche, dass man sich in Ruhe mit dem Problem des anderen beschäftigt, ihn ausreden lässt und nicht ins Wort fällt. In der amerikanischen Arbeitswelt sorgt so ein Verhalten aber eher für Verwirrung – zumindest, wenn zwischendurch nicht immer wieder auf den Gesprächspartner eingegangen wird. Während Amerikaner mit Gesten wie einem zustimmenden Nicken oder knappen Worten wie „I see“ oder „I agree“ signalisieren, dass sie komplett im Gespräch sind, tendieren Deutsche zum genauen Gegenteil. Amerikaner haben dann oft das Gefühl, dass man mit den Gedanken woanders ist. Sie sind insofern eher aktive Zuhörer.
Unabhängig von der Attitüde, kann es aber auch bei der konkreten Wortwahl zu Missverständnissen kommen. Insofern mögen Amerikaner beispielsweise das Wort „problem“ im beruflichen Kontext überhaupt nicht. Während Deutsche es nutzen, um einer Sorge Ausdruck zu verleihen, benutzen Amerikaner es vor allem, um auf eine aufkommende Krise aufmerksam zu machen. Besser ist „issue“ oder „concern“.
Negative Ehrlichkeit nur in leichter Dosierung
Kurz nach meiner Ankunft in San Francisco wurde ich einmal gefragt, was ich von dem Oktoberfest in Deutschland halte. Ich entgegnete, dass ich es schlimm finde, dass es weitestgehend ein Massenbesäufnis ist und dass die Preise Wucher sind. Damit hat mein amerikanischer Gesprächspartner allerdings nicht gerechnet und fand die Antwort auch nicht besonders charmant – wie ich an seiner Reaktion bemerkte.
Deutsche sollten sich bewusst sein, dass eine fast schon ungefilterte Ehrlichkeit von Amerikanern schnell als ungehobelt wahrgenommen wird. Meiner Erfahrung nach ist es besser eine Reihe positiver Dinge zu beschreiben und dann vielleicht einen oder maximal zwei negative Aspekte einfließen zu lassen – jedoch immer mit einem eher optimistischen Fazit. Das fällt einigen Deutschen schwer, weil sie glauben sich zu verstellen. Zudem bekommen sie unweigerlich das Gefühl, dass es niemanden wirklich interessiert, was man denkt, sondern dass es eigentlich nur um Small Talk geht. Für mich ist das nach wie vor einer der schwierigsten Unterschiede.
Niemand ist euch böse – solange ihr an euch arbeitet
Zugegeben, es warten einige kulturelle Stolpersteine auf Deutsche in den USA. Und wer sich den hiesigen Umgangsformen nicht bewusst ist, wird auch ein paar Mal hinfallen. Klar ist auch, dass sich Ost- und Westküste kulturell unterscheiden. Das Land ist riesig und die Mentalitäten sind nicht überall gleich. Auch im kleinen Deutschland unterscheidet sich im Detail der Berliner vom Schwaben und der Hamburger vom Münchner und dennoch sind einige Eigenschaften tief in der deutschen Kultur verwurzelt – so auch in den USA. Wer jetzt ein wenig Angst hat ins Fettnäpfchen zu treten, kann aber beruhigt sein. Ich habe noch keinen Amerikaner getroffen, der nachtragend ist – solange man an sich arbeitet und sich nicht auf seinen kulturellen Hintergrund ausruht.
t3n im Silicon Valley
Andreas Weck hat 2014 und 2015 für t3n aus San Francisco und dem Silicon Valley über neue Trends, spannende Tools und interessante Orte des Tech-Epizentrums berichtet. Sein Eindruck: Im Valley gibt es viele schlaue Köpfe und genauso viele bekloppte Geschäftsideen. / Twitter, Facebook.
Hallo Andreas,
schöner Artikel vom Dir. Ich kann Deine Beobachtungen nur unterstreichen. Auch ist nach meiner Beobachtung der Amerikaner im Vorfeld etwas zurückhaltender bis er einen Vertrag oder ähnliches eingeht.
Auch andere Kulturen, Asiaten, Inder sind zurückhaltender. Daraus schliesse ich, dass man sich im Ausland bewusst machen sollte, dass wir Deutschen mit vielen Dingen sehr direkt, schonungslos umgehen. Wer nicht anecken möchte, sollte sich das klar machen und etwas zurückhaltender agieren.
– Björn Dorra, Founder VersaCommerce.de
PS: Bei den Amerikanern nerven aber auch die Klischees über die Deutschen… ;)
Welche Klischees meinst du denn? Ich war um ehrlich zu sein positiv überrascht, dass viele Amerikaner in Deutschland vor allem eine perfektionistische Tech-Nation sehen, wo eigentlich die Amerikaner aus deutscher Sicht schnell als Technologie-Gigant wirken. Bei perfektionistisch hatte ich direkt nachgefragt, denn das kann im deutschen ja durchaus auch mal negativ gemeint sein, aber es ist tatsächlich die Qualität die von vielen geschätzt wird.
Lg,
Manuel
Stichworte: Sauerkraut, Oktoberfest bis hin zu „rechten Tendenzen“.
Das positive Bild stimmt natürlich auch. Da gehört das Stichwort Fleissig dazu.
Hallo Andreas,
Mir gefällt dein Artikel auch sehr, denn ich war 4 Monate in Los Angeles und habe dort die Agentur Welt kennenlernen dürfen.
Aber ich muss deinen Artikel leider auch ein wenig kritisieren. Ich will nicht sagen du pauschalisierst die Amerikaner, aber sie selber sehen große Unterschiede in der Arbeits- und Denkweise. Denn ich habe mit ehemaligen Kollegen darüber gesprochen. In California und New York City ist alles ein bisschen anders, als in den mittleren Staaten beispielsweise. Von daher kann ich mir auch vorstellen, dass Arbeitsweisen und Gesprächskultur variieren. Was meinst du dazu?
Viele Grüße
Anna
Hey Anna, danke für deinen Kommentar. Ich denke, meine Erlebnisse werden nicht eins zu eins auf alle Amerikaner zutreffen. Und mit Sicherheit ist die Arbeitsweise im Detail im Osten anders als im Westen. Grundsätzlich denke ich aber, dass bestimmte Züge tief in der amerikanisches Kultur verwurzelt sind und komplett in die gegenteilige Richtung ausschlagen als es in Deutschland der Fall ist.
Gruß, Andreas
Die Unterschiede sind schon sehr interessant und sicherlich für uns Deutsche auch nicht die schlechteste Umstellung, wenn es um die Äußerung von Kritik geht.
Vermutlich ist man nach einigen Jahren sogar verweichlicht, wenn man wieder in die deutsche Arbeitswelt zurückkehrt. :-P
Guter Artikel, aber am Ende fehlt noch die berühmte „CallToAction“, denn aus dem gelernten kann man eigentlich viel rausnehmen.
Mir geht die negative Stimmung in Deutschland leider etwas auf die Nerven, weil es niemandem hilft. Die Amerikaner sind hier vielleicht zu optimistisch, aber davon könnte man einiges lernen. In jedem SoftSkillSeminar kommt man schnell auf Dinge wie das SandwitchModell, was wahren Inhalt hat und sicher dem ausländischen Geflogenheiten besser entspricht.
Bei uns sucht man förmlich den Fehler, hat dann sofort ein feste Meinung und haut die ungeprüft raus. Das berühmte Haar in der sonst makellosen Suppe haben mit Sicherheit wir erfunden.
Bevor ich meinen Sandwitchboden vergesse: Den Artikel finde ich gut und er hätte gern auch länger sein dürfen, weil es zum nachdenken anregen kann.
Ich versuch’s mal diplomatisch: Der Artikel haette gerne etwas tiefgruendiger sein koennen. Vorallem verwechselst Du aber San Francisco mit dem Nabel der Nation. Dabei gibt es riesige Unterschiede. Zwischen LA under SF und Seattle genau so wie zwischen SF und NYC. Und das ist wiederum ganz anders als D.C. oder Kansas City. Wenn man „Amerika“ so ueber einen Kamm schert, tut man sich keinen Gefallen. Ein halbes Jahr im Land reichen da nicht fuer eine solide Beobachtung. Fang mal damit an, den Unterschied zwischen Berkeley und Stanford zu beschreiben und dann kannst du ja langsam weitere Kreise ziehen…
Klasse Artikel!
Ich kann deine Sichtweise nur unterstreichen,kriege das gerade live mit,
da ich aktuell für 6 Monate in den USA arbeite. Besonders das mit dem machen kann ich voll bestätigen. Wir Deutschen wollen einfach alles erst einmal in Ruhe planen bevor wir irgendwas machen. Der Amerikaner macht es einfach. ;-) Und die Leute sind hier einfach tausendmal freundlicher und offener als die Deutschen.
Aber eins ist mir besonders aufgefallen das die Amis einfach nicht gut Auto fahren können. ;-)
Schreibe nebenbei auch einen Blog über die Zeit hier, wenn du willst schau mal vorbei: http://www.jan-goes-usa.com
Was ich sehr erstaunlich finde ist das die Amerikaner unsere Tech-Qualität bewundern. Okay im Bezug auf Hardware hauen die Deutschen nen paar feine Highttech Sachen raus, aber was Software angeht. :( Da kann ich leider nicht zustimmen. Da finde ich die Software-Qualität von Google etc. wesentlich besser. Da könnten sich einige Deutsche ruhig mal eine Scheibe abschneiden.
Achso und der Artikel ist gut. Vielen Dank. Ich finde es ist selbstverständlich so einen Artikel nicht grundsätzlich auf alle Amerikaner zu beziehen. Es ist doch selbstverständlich das alle Menschen unterschiedlich sind. Ich denke auch das, dass jedem von uns hier klar ist.
Hallo Richard, was im Silicon Valley vor allem an den Deutschen geschätzt wird, sind deren Fähigkeiten bezüglich Grundlagenforschung und Entwicklung. Deutsche Ingenieure und Informatiker sind im Silicon Valley heiß begehrt.
Verdammt. Ich studiere leider nur Medieninformatik. Wenn ich vergleiche was ich gelernt habe und was die in Stanford oder so lernen fühle ich mich immer schlecht. :D
Vor allem an der Ostküste gibt es enorm viele Medien-Startups, die auf Programmierer angewiesen sind – Vimeo, Vice, ProPublica um nur ein paar zu nennen. ;)
Hallo Andreas,
auch wenn sich hier die ein oder andere Gegenstimme auftut, kann ich deine Beobachtungen nur bestaetigen. Ich lebe zur Zeit in Madison (WI) und beobachte aehnliche Charakterzuege, obwohl Madison ja nicht gerade an der Westkueste liegt ;-)
Besonders mit der von dir angesprochenen Dosierung negativer Ehrlichkeit habe ich echte Probleme, da ich es gewohnt bin, meine Meinung ohne grossartige Beschoenigungen kundzutun. Das kommt hier allerdings gar nicht gut an, was leider haeufiger zu Unverstaendnis und verzweifelnden Blicken fuehrt.
Grüsse aus der Schweiz. Ich arbeite hier seit einiger Zeit und finde die Umgangs- und Arbeitsweise der Schweizer wie ich sie kennengelernt habe einfach gut. Die ideale Mischung aus viel „deutscher“ Effizienz und Detailverantwortung und „amerikaniascher“ weicher Ausducksweise und Lösungsorientierung. Dabei muss ich dazusagen dass am Arbeitsplatz nach einer Übernahme ein neues US-amerikanisches Management Einzug hält. Die neuen Methoden und Diskussionsweisen werden hier oft als lächerlch, unkonkret und fast schon arroant selbstbezogen erlebt. ich selbst kann nur sagen dass auch mir die Schweizer Arbeitsweise besser gefallen hat, denn echte Kollegialität und Anteilnahme untereinander scheint sehr hoch im Kurs zu stehen – das gegenteil von Smalltalk. Und das sage ich obwohl es als Deutscher in der Schweiz nicht immer selbstverständlich und einfach ist. Man fühlt sich zwar fast wie zuhause, wird aber eben auch als Ausländer wahrgenommen…
Hier kann es einfach nur Zustimmung hageln! Guter Artikel! In der Internet-Kommunikation ist es übrigens nicht anders: Vor einigen Monaten haben wir uns eingehend mit der Unternehmenskommunikation von US-amerikanischen und deutschen Unternehmen auf Facebook und auf Corporate Websites beschäftigt. Es ging darum, wie diese Unternehmen in Deutschland und in den USA kommunizieren, wie sie Texte übersetzen, welche Begrifflichkeiten verwendet werden, welcher Stil, welche Bildsprache, der Kontext etc. „Schnelligkeit“ und „Weite“ bei den Amerikanern, „Präzision“, „Messbarkeit“ und „wissenschaftlich fundiert“ bei den Deutschen, so die Werte, die eine gewisse kulturelle Kluft deutlich machen. „Interkulturelle Arbeitswelten“ ist generell ein Thema, dem wir mehr Aufmerksamkeit schenken sollten.