Autonomer Tauchroboter: „Cuttlefish“ will bald Munition in Nord- und Ostsee aufspüren
Industrie 4.0, Kreislaufwirtschaft, künstliche Intelligenz und IT-Sicherheit: Das Themenspektrum der diesjährigen Hannover-Messe ist breit. Im sogenannten „Future Hub“ zeigen Universitäten und Forschungsinstitute, woran sie aktuell arbeiten.
Auch Professor Frank Kirchner und Doktor Leif Christensen betreuen hier einen Stand des Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI). Kirchner leitet am DFKI das Bremer Robotics Innovation Center, Christensen ist dort hauptverantwortlich für die Entwicklung von „Cuttlefish“. Was es mit dem 1.200-Kilo-Koloss, der auf der Messe nur in Videoform vertreten ist, auf sich hat, erklärt Frank Kirchner im Gespräch mit t3n.
t3n: Herr Kirchner, welches Projekt haben Sie und Ihr Team auf die Hannover-Messe mitgebracht?
Frank Kirchner: Das Projekt heißt Mare-IT, der Roboter, den wir gebaut haben, trägt den Namen „Cuttlefish“. Für Mare-IT arbeiten wir mit mehreren Industriepartnern zusammen. Während die Firma Wittenstein neue Antriebe für Unterwasserroboter entwickelt hat und die Firma Rosen innovative Messtechnik zur Zustandsüberprüfung von Unterwasserstrukturen, leistet SAP einen Beitrag auf der Softwareseite.
Wir inspizieren unter Wasser zum Beispiel Windkraft- oder Erdgasförderanlagen. Die Daten, die dabei gesammelt werden, werden dann von SAP ausgewertet, und sind für die Betreiber der Anlagen hoch interessant: Viele Teile wurden irgendwann abgesenkt und seitdem nicht mehr angeschaut, man kennt also ihren Zustand nicht. Das ändert sich durch unser Projekt.
t3n: Wie unterscheidet sich Cuttlefish beispielsweise von Expeditionsrobotern?
Der Cuttlefish kann selbst seine Position lokalisieren, Karten von der Umgebung anlegen und innerhalb dieser Kartenbereiche eigenständig navigieren.
Weil er zwei Greifarme hat, ist er nicht nur beobachtend unterwegs, sondern kann seine Umgebung auch manipulieren – also zum Beispiel den Hebel an einem Ölpanel umlegen oder ein Rad drehen. Bisher wurden für solche Arbeiten sogenannte remotely operated vehicles eingesetzt, die noch über ein Kabel mit dem Schiff verbunden sind und von dort aus ferngesteuert werden. Das Steuern ist aber gerade bei großen Tiefen sehr anspruchsvoll und braucht viel Zeit.
Der Cuttlefish dagegen ist als komplett autonomes System ausgelegt. Vor einer Mission wird genau festgelegt, welche Aktionen er durchführen soll, und dann agiert der Roboter selbstständig.
t3n: Gibt es denn trotzdem eine Möglichkeit, zum Beispiel bei unerwarteten Zwischenfällen einzugreifen?
Grundsätzlich geht das mit sehr niederfrequenten Infraschallsignalen. Die vermitteln zwar nur sehr wenig Information, die reichen aber, um eine Mission im Notfall zu beenden. Das System würde dann automatisch auftreiben und an der Meeresoberfläche schwimmen.
t3n: Was gilt es bei der Entwicklung eines autonomen Unterwasserfahrzeugs grundsätzlich zu beachten?
Die größte Herausforderung ist der Druck. Ein Beispiel: Wenn Komponenten Lufteinschlüsse enthalten, würden sie in der Tiefe sofort zerquetscht werden. Darauf muss man also schon beim Design achten. Wenn sich ein Lufteinschluss gar nicht vermeiden lässt, zum Beispiel bei der Linse einer Kamera, dann muss er in ein sehr kompaktes, stabiles Gehäuse aus Titan eingebaut werden.
t3n: Wo sehen Sie bei Tauchrobotern noch Entwicklungspotenzial?
Ein nächstes großes Thema ist das automatische Andocken von zwei Systemen. Im Weltraum klappt das zum Beispiel bei den SpaceX-Kapseln von Elon Musk, das gleiche Prinzip öffnet auch unter Wasser die Türen für Team-Ansätze. Außerdem wird es in Zukunft nicht nur darum gehen, Elemente unter Wasser aufzubauen, sondern zum Beispiel auch Unterwasseranlagen aus der Erdgasförderung abzubauen.
t3n: Kommt der Cuttlefish selbst denn schon in externen Projekten zum Einsatz?
Nein, das ist bisher nur ein Demonstrator. Wir sprechen aber gerade mit dem Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung darüber, unsere Technologie in der Nord- und Ostsee zu nutzen, um alte Munitionsreste zu finden. Mit den Armen könnten wir sie freilegen und vielleicht sogar aufheben.
Die Munition wird nicht nur durch zunehmende Korrosionsschäden an den Hülsen immer gefährlicher, sie muss auch geborgen werden, damit Offshore-Windparks ohne großes Risiko per Unterwasserkabel angeschlossen werden können. Aktuell arbeiten wir deswegen an einem entsprechenden Antrag, und wenn alles klappt, können wir noch in diesem Jahr mit der Erprobung unserer Technologie für die Suche nach Munition beginnen.
Nein, das Ding wird garantiert nicht auf Minensuche gehen. Denn es gilt dass keine magnetischen Gegenstände in die Nähe von Kampfmitteln kommen dürfen. Einfach mal die Kampfschwimmer in Eckernförde fragen warum deren Ausrüstung so viel wie ein Kleinwagen kostet…