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Barrierefreiheit Fehlanzeige: In 3 von 4 Webshops werden Behinderte ausgegrenzt

Um die Barrierefreiheit von Websites und Webshops ist es – nicht nur in Deutschland – immer noch schlecht bestellt, wie eine neue Google-Studie zeigt. Doch spätestens in zwei Jahren wird ein Gesetz Inklusion und die barrierefreie Nutzungsmöglichkeit verbindlich einfordern.

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Drei Viertel aller großen Webshops kennen Barrierefreiheit nicht einmal, beim Rest ist Luft nach oben. (Foto: Reshetnikov_art / Shutterstock)

Das Thema Barrierefreiheit und Teilhabe behinderter Menschen ist in vielerlei Hinsicht immer noch bestenfalls theoretisch gegeben und wird von vielen Unternehmen als sinnloser Luxus verstanden. Doch spätestens in zwei Jahren müssen alle Unternehmen mit mindestens zehn Beschäftigten ein barrierefreies digitales Angebot ihrer Produkte und Dienstleistungen gewährleisten. Dann nämlich tritt die EU-Richtlinie zur digitalen Barrierefreiheit (European Accessibility Act – EAA) in Kraft.

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In Deutschland wird die Richtlinie durch das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) umgesetzt. Daraus ergibt sich eine Verpflichtung privater Unternehmen, ihre Produkte und Dienstleistungen auf digitale Barrierefreiheit zu prüfen und an die gesetzlichen Vorgaben anzupassen. Das betrifft vor allem auch den E-Commerce – denn deutschlandweit haben 7,8 Millionen Menschen eine anerkannte Schwerbehinderung, darunter 351.000 Menschen mit Blindheit oder einer Sehbehinderung.

Und die profitieren einerseits von der verbesserten Teilhabe durch Onlinehandel, scheitern andererseits oftmals aber wieder an dessen fehlender Barrierefreiheit. Denn bisher ist lediglich ein Viertel der meistbesuchten Webshops in Deutschland zumindest in Teilen barrierefrei, drei von vier der Shops sind es gar nicht. Das ist das Ergebnis einer jetzt vorgestellten Untersuchung, die die Aktion Mensch und Google mit Unterstützung von BITV Consult und der Stiftung Pfennigparade unter fachlicher Beratung durch die Überwachungsstelle des Bundes für Barrierefreiheit von Informationstechnik (BFIT-Bund) durchgeführt haben.

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Christina Marx, Sprecherin der Aktion Mensch, erklärt, dass Menschen mit Behinderung das Internet überdurchschnittlich nutzen und zudem eine besonders relevante Zielgruppe darstellen: „Wir möchten mit unserer Untersuchung Unternehmen dazu anregen, die noch bestehenden digitalen Barrieren zu beseitigen und so einen wichtigen Beitrag für eine inklusive Gesellschaft zu leisten.“

Auch wenn naturgemäß nicht jeder und jede Behinderte gleiche Bedürfnisse in dieser Hinsicht hat, lautet eine einfache Faustformel: Barrierefreiheit im Internet ist für zehn Prozent der Bevölkerung (Menschen mit anerkannter Schwerbehinderung) unerlässlich, für mindestens 30 Prozent (Menschen mit leichten Beeinträchtigungen) notwendig und für 100 Prozent hilfreich.

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Mangelnde Tastaturbedienbarkeit ist die häufigste Barriere

Untersucht wurden 78 besonders beliebte Onlineshops. 61 Seiten waren nicht allein mit der Tastatur bedienbar. Für Sehbehinderte stellt dies oft eine unüberwindbare Hürde dar. Problematisch für Menschen mit Sehbehinderung ist es auch, wenn sich die Hintergrund- und Textfarben nicht deutlich voneinander abheben. Banner, die für Menschen ohne Behinderung im Zweifelsfall nur ein Ärgernis darstellen, führen für Menschen mit Sehbehinderung hingegen dazu, dass die Website nicht mehr genutzt werden kann, da die Inhalte nicht mehr geschlossen werden können. Zu dieser Gruppe gehören auch viele Cookie-Banner, die bekanntermaßen im Rahmen des Consent-Management auf nahezu allen Seiten einzeln anzuklicken sind.

Darüber hinaus stießen die Tester:innen mit Sehbehinderung auf vielen der untersuchten Websites auf die Herausforderung suboptimaler Kontrastfarbe: Denn heben sich Farben der Texte und Hintergründe nicht stark genug voneinander ab, ist es schwierig bis unmöglich für sie, diese Texte zu lesen. Und gerade einmal 12 der 78 untersuchten Onlineshops ermöglichen eine barrierefreie Navigation, ergab die Studie. Bei immerhin 15 Portalen konnten die Nutzer:innen die Textgröße einfach verändern, zum Beispiel auf dem Smartphone per Fingergeste („Pinch-to-Zoom“), um eine bessere Lesbarkeit der Webseite zu erreichen. Bei 12 von 17 Websites sind zudem interaktive Bedienelemente („Hamburger-Menüs“) im Bestellprozess korrekt beschriftet, ihr jeweiliger Status (etwa die vorausgewählte Größte bei Kleidung) wird korrekt ausgelesen und die Nutzenden können die Auswahl problemlos verändern. Nur hier war es den Tester:innen ebenso möglich, erfolgreich durch den gesamten Kaufprozess zu navigieren.

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Best-Practice-Beispiele und Handlungsempfehlungen

Zusammengefasst lässt sich feststellen: Gelungene Inklusion geht anders. Doch es gibt sie auch, die Lichtblicke und Best-Practice-Beispiele im Bereich der Inklusion im E-Commerce. Mit einem Tool wie Wave verschaffen sich Verantwortliche und Developer den ersten Überblick über vorhandene Barrieren der eigenen Website. Des Weiteren empfiehlt der Bericht den Einsatz eines „Screenreaders“ wie Google Talkback auf Android oder Apple Voiceover auf iOS, um zu erkennen, wie gut oder unzureichend die Website mit Stimme oder Tastatur (also ohne Maus und Touchscreen) durchlaufen wird. Und nicht zuletzt ist es wichtig, Menschen mit Beeinträchtigung einzubinden und nach deren Bedürfnissen zu forschen.

Übrigens ist Barrierefreiheit zwar einerseits ein Thema für Menschen mit Behinderung, andererseits zeigt sich aber auch, dass eine systematisch gedachte Website auch für Nicht-Behinderte intuitiv und gut nutzbar ist. „Und keine Sorge: Barrierefreiheit herzustellen, ist gar nicht so kompliziert. Hauptsache, man legt einfach mal los“, erklärt Isabelle Joswig, Inklusionsbeauftragte von Google Deutschland.

Klar ist bereits jetzt, dass der Onlinehandel in zwei Jahren barrierefrei sein muss, wir erwähnten es bereits am Anfang. Michael Wahl vom BFIT-Bund erklärt dazu: „Die digitale Barrierefreiheit ist sowohl für die Akteure aus Wirtschaft und Vereinen als auch für die öffentlichen Stellen eine Aufgabe mit großer Zukunftswirkung. Aktuell befinden wir uns in Deutschland an der Schwelle einer notwendigen Professionalisierung.“

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Digitale Barrierefreiheit brauche aber wesentlich mehr Expert:innen mit und ohne Beeinträchtigung, um die digitale Barrierefreiheit in angemessener Qualität umzusetzen. Schon jetzt ist klar, dass die Untersuchung zur digitalen Teilhabe kein One-Shot bleiben soll. Man plane, erklärten die Beteiligten anlässlich der Vorstellung der Ergebnisse, eine Wiederholung im kommenden Jahr.

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2 Kommentare
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Dein t3n-Team

Roland Rangl

Menschen mit Behinderung als „Behinderte“ zu bezeichnen, grenzt diese ebenfalls aus – dass es das im Jahr 2023 noch gibt, kann ich kaum glauben!

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Sabrina Mevis

Der Aktion Mensch Lotterieshop soll hoffentlich nicht als Vorbild dienen. Ein kleiner Test hat gezeigt, dass hier nicht steuerbare Animationen, unzureichende Bildbeschreibungen und Labels verwendet wurden. Bock und Gärtner und so…

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