Was wir von Bienen für die digitale Arbeitswelt lernen können
Agiles Management mag ein modernes Phänomen in der Wirtschaft sein – in der Natur ist es aber seit Jahrmillionen bewährt. Ein kurzer Blick in die Welt der Honigbiene zeigt, dass es Analogien und Ansätze gibt, die Unternehmen auf dem Weg zu mehr Agilität nutzen können.
1. Recruiting ist Chefsache
In der Hierarchie steht die Bienenkönigin an oberster Stelle und ihre Kernaufgabe ist es, das Bienenvolk durch ausreichend Nachwuchs am Leben zu halten.
Nur wenn auch der CEO eines Unternehmens das Thema Nachwuchs als eine Kernaufgabe ansieht, sichert er den Fortbestand der Organisation. Bei Google zum Beispiel entschied Larry Page als Gründer und CEO seinerzeit über jede Einstellung, unabhängig von der Funktion oder der Hierarchiestufe. Personalabteilungen spielen natürlich weiterhin eine wichtige Rolle. Der entscheidende Faktor ist aber immer, dass Mitarbeiter die Kultur eines Unternehmens in sich tragen und die Vision des CEO teilen müssen. Und das kann ein CEO dann sicherstellen, wenn er sich mit den Kandidaten selbst auseinandersetzt und ihnen gerade zu Zeiten des Fachkräftemangels mit Wertschätzung begegnet.
2. Handliche Organisationseinheiten
Honigbienenvölker teilen sich, wenn sie zu groß geworden sind und die Behausung nicht mehr ausreicht. Auf der einen Seite sind Platzgründe ausschlaggebend, andererseits ist aber ab einer bestimmten Anzahl auch der unmittelbare Austausch nicht mehr gewährleistet.
Beide Punkte gelten auch für Unternehmen. Die kritische Schwelle mit Blick auf die Kommunikation lässt sich hier sogar relativ genau beziffern. Ab etwa 200 Mitarbeitern werden Prozesse träge, der persönliche Austausch wird schwierig und „man kennt sich nicht mehr“. Aus diesem Grund organisiert etwa das Textilunternehmen Gore seine Werke ab genau dieser Mitarbeitergrenze neu, sodass die Organisationseinheiten handlich und produktiv bleiben.
3. Flexible Rollenkonzepte
Arbeiterbienen können unterschiedliche Rollen einnehmen und das je nach aktuellem Bedarf im Bienenstock.
Analog dazu kann ein Unternehmen umso agiler sein, je mehr Rollen die Mitarbeiter entsprechend der Kontextanforderungen einnehmen können. Es gilt also, starre Rollenkonzepte aufzulösen und eine Aufgabenvielfalt entlang der Entwicklungsphasen im Unternehmen zu etablieren. Damit das funktioniert, müssen Mitarbeiter zu lebenslangem Lernen motiviert werden. Mit Konzepten wie beispielsweise der Jobrotation kann ihnen von Anfang an die Angst vor Veränderungen genommen werden. Denn nur dann, wenn sie gewohnt sind, dass sich Rahmenbedingungen und Anforderungen verschieben, haben sie keine Angst vor Change-Prozessen. Durch diese Agilität gewinnen Mitarbeiter und Unternehmen gleichermaßen.
4. Unmittelbare Kommunikation
Bienen nutzen die Vibration des wabenförmigen Bienenstocks für die unmittelbare Kommunikation untereinander, und zwar nach dem Prinzip „jeder mit jedem“.
Ebenso gibt es zunehmend neue Arbeitsplatzkonzepte, die Einzelbüros abschaffen und durch ihre offene Gestaltung die Kommunikation anregen und auf ein deutlich höheres Niveau heben. Interdisziplinäre Arbeitsbereiche innerhalb eines Unternehmens schaffen einen Raum für Vernetzung und forcieren den Austausch unter den Fachabteilungen, die sich gegenseitig befruchten können. Gerade mit Open-Door-Policys können auch Mitglieder des C-Levels dafür sorgen, dass Berührungsängste abgebaut werden und aktiver Austausch kein Zufall bleibt. Noch einen Schritt weiter gehen Coworking-Spaces wie beispielsweise Wework, die sogar den unmittelbaren Austausch mit anderen Unternehmen möglich machen.
5. Aktive Sicherungssysteme
Bienenstöcke werden durch eine Wächterbiene abgesichert, die bei Gefahr Alarm schlägt.
Im Unternehmenskontext ist das keine explizite Position, sondern der ständige Blick über den eigenen Tellerrand hinaus. Unternehmen laufen dann Gefahr, disruptiert zu werden und die Digitalisierung zu verschlafen, wenn sie zu sehr mit sich selbst beschäftigt sind und auf Altbewährtem verharren. Der wachsame Blick auf den eigenen und angrenzende Märkte, auf technologische Entwicklungen oder schlichtweg den Zeitgeist ist notwendig, um ein Unternehmen dauerhaft zukunftsfähig zu machen. Hat ein Unternehmen einen wachsamen Blick nach außen, dann kommen externe Einflüsse weniger unerwartet und es kann besonnen und adäquat agieren, statt reagieren zu müssen.
6. Kollaborative Entscheidungsprozesse
Bienen entscheiden gemeinsam über eine neue Behausung und beziehen dabei die Meinung aller Mitglieder des Bienenvolkes ein.
Für Unternehmen, insbesondere ab einer bestimmten Größe, ist Basisdemokratie natürlich schwer umsetzbar. Das zugrunde liegende Konzept, nämlich die Berücksichtigung der Gesamtheit der Organisation bei der Entscheidungsfindung, kann aber trotzdem adaptiert werden. Dafür sollten die diversen Stakeholder mit ihren individuellen Sichtweisen und speziellen Kenntnissen Gehör finden. Und das gilt nicht nur für „weiche“ Fragen innerhalb des Unternehmens. Auch und gerade strategische Entscheidungen gewinnen durch die breitere Grundlage an Schlagkraft und Akzeptanz.
7. Flache Hierarchien mit klaren Regeln
Die Hierarchie ist im Bienenvolk sehr flach, es sticht nur die Bienenkönigin in ihrer Position heraus. Die Kommunikationskanäle sind zudem klar geregelt: Tanzen, schmecken, riechen, fiepen.
Dieses Prinzip lässt sich für Unternehmen adaptieren, sodass neben einem kleinen Management-Team alle übrigen Mitarbeiter auf der gleichen Hierarchieebene angeordnet sind. Anstelle Anweisungen zu geben und zu kontrollieren, ist es die Aufgabe der Vorgesetzten dann, Anregungen zu geben, zu unterstützen und zu fördern. Hierbei gilt es, klaren Kommunikationsregeln zu folgen: mehr fragen als sagen, mehr zuhören als antworten, Rollen und Erwartungen beider Seiten definieren und Ziele definieren, die Klarheit schaffen.
Modernes Management muss, so zeigen es die Beispiele, das Rad nicht immer neu erfinden. Ein Blick in die Natur liefert wertvolle Ansätze, die Unternehmen für die Herausforderungen der digitalen Arbeitswelt bestens ausrüsten.
Sehr schöner Artikel!
Danke nochmals, dass ich euch damals den Vortrag über Bienen geben durfte.
Nur unter Punkt 1 : „In der Hierarchie steht die Bienenkönigin an oberster Stelle“ kann ich leider nicht zustimmen. Klar sticht die Königin für uns Menschen mit ihrer Gabe, als einzigste für Nachwuchs zu sorgen hervor, dennoch nimmt sie unter den Bienen nicht die oberste Stelle ein. Im Bienenvolk gibt es keine Hierarchie, alle entscheiden gemeinsam, dennoch sind alle unterschiedlich und zum Teil mit einzigartigen Fähigkeiten ausgestattet, so wie die Königin z.B..
Viele Grüße auch an alle Manager und
andere Menschen, die vielleicht nicht so häufig in der Natur sind,
es lohnt sich.
Summend…
Felix, der Glückliche Imker
Danke für die Klarstellung, lieber Felix!
Das haben wir natürlich von Dir an dem Abend gelernt – musste der redaktionelle Feder aber weichen.
Ich kann übrigens den Honig von Felix wärmstens empfehlen und ihn als Speaker, wenn ihr einen Imker sucht: https://beehappy-imkerei.de
Schönen Gruß
Harald
Leider ist die Aufführung nicht ganz vollständig:
8. Hire and Fire
Drohnen, die am Ende des Sommers nicht mehr benötigt werden, werden aus dem Stock getrieben (Drohnenschlacht).
9. Rente mit 75
Bienen arbeiten bis sie vor Erschöpfung sterben.
10. Der einzelne Mitarbeiter ist ersetzbar
Wird bei kalten Temperaturen Wasser für die Brut benötigt, werden alte Sammlerinnen einem hohen Risiko ausgesetzt. Viele kommen nie zurück.
11. Wichtig ist allein der CEO
Für den Begattungsflug der Königin werden Begleitbienen mitgeschickt, um Fressfeinde wie Vögel oder Hornissen auf sich zu lenken. In Aktienunternehmen müssen die Mitarbeiter Einschnitte hinnehmen, damit der Bonus der Manager steigt.
Ich muss sagen: Von Bienen lernen ist das beste Managementseminar!
Alle Arbeitskraft und eigentlich das ganze Leben der Bienen dient dem Bienenvolk. Sie haben keine individuellen Interessen wie z.B. den Aufbau eines eigenen Volkes (Familie) oder Hobbies. Sie sind keine individuellen Nutzenmaximierer und gehen nicht zu einem anderen Volk, wenns dort mehr Honig gibt. Der Vergleich hinkt auch unter diesem Aspekt sehr offensichtlich. Kommunikation kann über sinnvolle Social-Intranet-Lösungen auch mit Einzel-, Zweier-, Team- und Homeoffices sehr gut unterstützt werden, ohne zur Massenhaltung in „Open Space Bürolandschaften“ vulgo Großraumbüro zurückzukehren. Austausch mit anderen Firmen halte ich ohnehin für Realitätsfern. Liest sich aber alles ganz nett sonst so, wenn man nicht drüber nachdenkt.