Bonding statt Bondage: Wie Marken Kundenbeziehungen aufbauen und zerstören

Jede Marke hat das Ziel, dass ihr die Bestandskunden verbunden bleiben. (Foto: fizkes / shutterstock)
Jede Marke wünscht sich neben kontinuierlichem Wachstum und Neukundengewinnung auch, dass ihr die Bestandskunden verbunden bleiben. Digitale Anwendungen und Services sind hier keine Ausnahme. Jedoch gehen viele Unternehmen nicht richtig vor und fesseln ihre User eher mithilfe von Dark Patterns (Bondage), wie wir sie von Facebook oder Google kennen, anstatt eine wirkliche Bindung zu den Konsumenten aufzubauen (Bonding). Wie können Marken also eine Kundenbeziehung pflegen, ohne sie im Laufe der Zeit wieder zu zerstören?
Bondage
Jede Beziehung zwischen Kunden und einer digitalen Anwendung oder einem digitalen Service beginnt mit der User-Experience. Oft nutzen Marken dazu sogenannte Dark Patterns (dunkle Muster), um die Nutzer erst für sich zu gewinnen, dann aber auch sofort an sich zu fesseln. Der Begriff „Fesseln“ oder „Bondage“ ist hier bewusst gewählt. Denn ein solches dunkles Muster kann zum Beispiel der Abschluss eines Premium-Abos sein, aus dem der Kunde dann nicht mehr so leicht herauskommt. Ein anderer Bondage-Mechanismus zielt auf einen Spielsucht-Impuls ab und verleitet den Kunden dann zu In-App-Käufen, nur um eine Anwendung weiter oder noch detaillierter nutzen zu können. Exklusivität, also die Teilnahme an einem Service nur nach Einladung, ist ein weiterer Mechanismus, der in den Bereich dieser verkaufsfördernden Tricks fällt.
Gute Beispiele des Bondage und der Dark Patterns zeigt auch die Doku-Serie „The Social Dilemma“ auf Netflix. Die Serie untersucht die dunkle Seite der sozialen Medien und enthüllt, wie Psychologen und Tech-Experten im Aufbau der Social-Media-Netzwerke vorgehen, um das menschliche Gehirn und damit also die User zum Vorteil des Unternehmens zu manipulieren. Ziel ist es, die Interaktion mit der Anwendung zu steigern und dem User das Gefühl zu geben, ohne das Netzwerk etwas zu verpassen. Paradebeispiele dafür sind Tech-Giganten wie Google und Facebook. Sie fesseln die Nutzer durch die Struktur ihrer Dienstleistungen und Produkte sowie durch ihre Marktdominanz und die Art und Weise, wie sie Informationen speichern und verarbeiten. Ein anderes Beispiel ist auch, wenn der Wechsel zu einem anderen Anbieter oder Service mit erhöhten Kosten verbunden ist. Bondage zeichnet sich also dadurch aus, dass Konsumenten einen gewissen (realen oder mentalen) Preis für die Nutzung einer digitalen Anwendung zahlen.
Wenn Kunden das realisieren, fühlen sie sich bewusst an die Marke gefesselt und nicht mit ihr verbunden. Derzeit beobachten wir einen Trend, dass die Menschen vermehrt diese Schattenseiten des Internets wahrnehmen und es ihnen zunehmend schwerer fällt, eine Bindung zu einer Marke aufzubauen.
Bonding
Auch beim Bonding beginnt die Beziehung zwischen Kunden und einer digitalen Anwendung oder einem Service mit der User-Experience. Allerdings fokussiert sie sich in diesem Fall gleich auf den Nutzer. Die Marke hat sich dabei zum Ziel gesetzt, das Leben des Kunden zu erleichtern. Konsumenten bemerken das und charakterisieren das Unternehmen dann als ehrlich, glaubwürdig und verlässlich. So entsteht eine Bindung zu einer Marke, die sich bei Kontinuität des weiteren Vorgehens immer mehr stärkt. Denn Bonding erfordert langfristige Konsistenz. Da der Aufbau einer Bindung zu einer digitalen Anwendung oder einem Service schwerer ist als bei einer Marke mit örtlichen Berührungspunkten oder Personen, verstärken digitale Berührungspunkte die langfristige Bindung. Während Bonding über eine reine geschäftliche Transaktion hinausgehen kann, ist es gleichzeitig möglich, dass eine Bindung auch ohne tiefgreifende Emotionen zwischen Kunde und Marke existiert.
Das Gegenteil zu den dunklen Mustern sind sogenannte Angel-Pattern. Das können zum Beispiel nette Gesten sein, wie ein Assistent zur Ersteinrichtung einer App, aber auch die Tatsache, dass Marken die Entscheidungskontrolle über die Nutzung einer Anwendung immer an ihre Kunden übergeben.
Angel-Patterns finden sich auch im kundenzentrierten emotionalen Design einer Anwendung oder eines Services. Emotionales Design bezeichnet ein Konzept, das Webshops oder Websites allgemein so gestaltet, dass beim User eine positive emotionale Reaktion und damit eine positive User-Experience entsteht. Dies kann zum Beispiel eine für die Marke typische Grafik wie das Bild eines niedlichen Tieres sein. Auch bestimmte Farben oder Farbkombinationen im Design können Emotionen hervorrufen. Die richtige Wortwahl oder bestimmte Schlüsselsätze bleiben bei den Usern im Gedächtnis und schaffen Vertrauen. Gleichzeitig fördert Emotionalität auch die Bindung, die in der Folge wachsen und sich stärken kann. Je positiver die Muster, desto schneller entsteht Bindung und bleibt.
Was können Marken also tun, um wirklich nutzerfreundliche Anwendungen zu kreieren, bei denen eine Kundenbeziehung entsteht?
- Marken sollten die Kunden empfangen und ihnen Zeit geben, um richtig anzukommen.
- Eine nette Geste in Form eines Films, einer Animation oder Illustration überrascht und begeistert. Es entsteht ein gutes Gefühl, das weiterwachsen kann. Denn: Der erste Eindruck zählt!
- Die Designsprache und der Ausdruck der Texte sollten freundlich und nicht aufdringlich sein.
- Marken sollten, wenn möglich, ihre User beim Namen nennen und auf ihre Präferenzen eingehen.
- Unternehmen sollten eher „Zuhörer“ sein, ihre Kunden agieren lassen und erst in wichtigen Momenten im Kontext des User-Verhaltens unaufdringlich agieren.
- Dem User Wertschätzung entgegenzubringen, kommt gut an und stärkt die Bindung. Ein Beispiel dafür ist der persönliche Jahresrückblick als Playlist auf Spotify.
- Als Unternehmen eigene Fehler einzugestehen, macht glaubwürdig und nahbar. Kunden können Fehler verzeihen.
- Der User möchte das Gefühl haben, die Kontrolle über die von ihm genutzte Anwendung zu haben. Das schafft Vertrauen.
Unternehmen sollten sich regelmäßig evaluieren
Auch wenn das Ansinnen ein anderes ist, besteht trotzdem bei jeder Marke die Gefahr, doch in Richtung Bondage abzudriften und Nutzer zu Interaktionen zu zwingen, die ihren eigentlichen Interessen widersprechen. Um das zu verhindern, sollten Unternehmen regelmäßig mit den Nutzern sprechen und in einen ehrlichen Austausch gehen. Hier kommt das Zuhören der Brand zum Tragen. Unternehmen sollten sich auf ihrem Geschäftserfolg nicht ausruhen, sondern immer wieder evaluieren, ob Umsatz und Kundenzufriedenheit zusammenpassen. Je größer das Unternehmen ist, desto schneller können sich Dark Patterns einschleichen. Das gilt es zu verhindern, da es langfristig dem Markenimage, der Kundenbindung und damit dann auch dem Umsatz schadet.
Marken müssen sich fragen, was sie wirklich wollen. Einen kurzfristigen Erfolg durch verkaufsfördernde Tricks? Oder treue Kunden, die sich mit dem Unternehmen verbunden fühlen und es beim Wachstum unterstützen. Bonding versus Bondage ist das Thema, dass Brands nicht nur zu Beginn, sondern konstant auf dem Schirm haben sollten. Denn genauso leicht, wie Marken eine Kundenbeziehung aufgebaut haben, können sie diese auch wieder zerstören.