AliPay und WeChat sind die großen Tech-Konzerne der chinesischen Volksrepublik, ohne die sich das gesellschaftliche Miteinander in China wohl beträchtlich ändern würde. Egal ob Kommunikation, Online-Zahlung, das Bestellen eines Taxis oder das klassische Versenden von Geld: Laut Statista nutzen 93 Prozent der chinesischen Bevölkerung AliPay für das Bezahlen.
Mit Hinblick auf diese Situation hat sich Eswar Prasad, Professor für internationaler Handel und Wirtschaft an der Universität Cornell, in einem CNBC-Interview über die chinesische Zentralbankwährung geäußert.
Welche Gründe hat die chinesische Zentralbank PBOC für eine digitale Zentralbankwährung (CBDC) und inwiefern passen diese Gründe in das Narrativ, das die Volksrepublik gegenüber Kryptowährungen hegt?
CBDC als Mittel der Kontrolle und des Wettbewerbs
Laut Prasad liegt das primäre Ziel des chinesischen PBOC in einer Erweiterung des eigenen Kontrollanspruches. Wie die oben aufgezeigten Zahlen von Statista vermuten lassen, ist der Marktanteil der beiden großen Payment Provider AliPay und WeChat bereits so groß, dass es schwierig ist, deren Marktstellung zu reduzieren.
Prasad geht davon aus, dass die Zentralbank mit der Digitalwährung die Nutzung des digitalen Yuan auf “Bevölkerungsebene” bringen möchte und somit die Nutzung von AliPay oder WeChat reduziert wird.
Aus dieser Logik geht hervor, dass eine erhöhte Nutzung nicht nur die Kontrolle verbessert, sondern vor allem auch mehr Daten über das Nutzerverhalten liefert.
Prasad argumentiert, dass der reine Use-Case der digitalen Zentralbankwährung aus der technischen Perspektive von geringer Relevanz sei:
“Die PBOC möchte sicherstellen, dass die digitale Version des Yuan relevant im Hinblick auf die Nutzung in der breiten Masse der Bevölkerung ist und somit garantieren, dass Zahlungen nicht nur durch zwei Unternehmen in privater Hand angeboten werden.“
In Anbetracht der Tatsache, dass AliPay und WeChat die Funktion der verfügbaren, schnellen und kostengünstigen Zahlung bereits erfüllen, ist der eigentliche Use-Case der chinesischen CBDC schwach.
Zentral emittierte Währung vs. dezentrale Währungen
Nutzt man diese Argumentation als Grundlage, lässt sich auch gut nachvollziehen, weshalb die chinesische Regierung in ihrer eigenen Stringenz Kryptowährungen aus dem öffentlichen und digitalen Leben ausschließt.
Während Nationen wie die USA sowie südamerikanische Länder das Krypto-Mining und die positive Regulierung als innovationsfördernde Kraft betrachten, sieht die chinesische Regierung Kryptowährungen aus einer anderen Perspektive. Schließlich ist eine dezentrale Währung per Definition nicht in gleichem Maßen kontrollier- und steuerbar wie eine zentrale emittierte Währung.
Auch die damit einhergehende Kontrolle über Zahlungsströme sowie Daten über das Nutzerverhalten lassen sich schwieriger bis gar nicht kontrollieren, wenn dezentrale Währungen genutzt werden.
Und genau in diesem Aspekt wird also deutlich, weshalb die chinesische Regierung ihre eigene Central Bank Digital Currency, den digitalen Yuan, mit viel Einsatz als Zahlungsmittel etablieren wollen. Egal ob Tech-Gigant oder dezentrale Währung á la Bitcoin: Wer in China versucht sich staatlicher Kontrolle zu entziehen, bewegt sich auf dünnem Eis.
Man sollte sich bei passender Gelegenheit immer mal wieder das Thema „Tulpenkrieg“ als historische Vorlage anschauen, dann weiß man, warum die chinesische Regierung den Wildwuchs bei der Währung und der Wirtschaftsentwicklung äußerst kritisch beäugt.
Wie bei jedem Schwellenland sind die Skaleneffekte in Währung und Wirtschaft rasant. Und der Preis ist eine extreme Ungleichgewichtung bei denen, die profitieren und denen, die dabei sang- und klanglos untergehen, gigantisch.
Der Preis ist insgesamt gesehen einfach zu hoch: China ist mit Abstand das Land auf der Welt mit dem höchsten Ungleichheitskoeffizienten. Auch wenn das eine Diktatur ist, am Ende wird das entsprechende Verteilungskämpfe nach sich ziehen und das will und muss die KPC in jedem Fall verhindern. Deshalb werden die wildesten Ausschläge jetzt korrigiert und stattdessen eine kontrollierbare Alternative auf digitaler Ebene geschaffen. Nicht unbedingt der unklugste Schritt, den auch aller Wahrscheinlichkeit nach andere Kulturregionen folgen werden – notgedrungen, wenn die Kryptowährungen ganze Volkswirtschaften anfangen zu bedrohen.