ChatGPT und die Bedrohung des individuellen Schreibstils: Wie können wir gegensteuern?
Kennt vermutlich jeder: mithilfe von ChatGPT eine tagelang aufgeschobene E-Mail schreiben. Die KI hilft bei Formulierungen und man braucht sich selbst keinen Kopf zu machen. Doch habt ihr euch dabei schon einmal gefragt, inwiefern die großen Sprachmodelle (LLM = Large Language Models) einen eigenen Schreibstil pflegen? Damit hat sich Ritesh Chugh für The Conversation auseinandergesetzt.
Künstliche Intelligenz hat eine Vorliebe für Phrasen
Ist euch schon mal aufgefallen, dass bestimmte Formulierungen immer und immer wieder in Social-Media-Beiträgen, Nachrichtenartikeln, aber auch akademischen Texten auftauchen? Zum Beispiel Phrasen wie „delve into“ (= in die Tiefe gehen) und „navigate the landscape“ (= durch die Landschaft navigieren, im übertragenen Sinn aber auch: sich in einem Themengebiet zurechtfinden)?
Diesen Trend erklärt Chugh, der zu Informations- und Kommunikationstechnologien an einer australischen Universität forscht, mit dem zunehmenden Einsatz generativer Tools wie ChatGPT. Der Einsatz ist nachvollziehbar: Wissenschaftler können sich fachlich korrekt ausdrücken. Damit aber auch fachfremde Personen nicht zu sehr über die Formulierungen in wissenschaftlichen Arbeiten stolpern, können Sprach-KI und deren Formulierungshilfen nützlich sein.
Kleiner Exkurs: Die Sprach-KI lernt von menschlichen Daten (Texte, Gespräche etc.), die der Software zur Verfügung gestellt wird. Künstliche Intelligenz lernt dabei Redewendungen oder auch Phrasen, die wir häufig benutzen. Außerdem trifft sie aus erlernten Erfahrungen Entscheidungen, welche Konstellationen an Wörtern und Formulierungen sich zum Beispiel beim Aufsatzschreiben oder in der E-Mail besser anbieten.
„Seit der Veröffentlichung von ChatGPT hat die Verwendung von Wörtern wie ‚vertiefen‘, ‚präsentieren‘, ‚unterstreichen‘, ‚ausschlaggebend‘, ‚Bereich’‚ und ‚akribisch‘ in akademischen Texten stark zugenommen“, schreibt Chugh. KI neigt also dazu, neben Phrasen auch gebräuchliche Wörter häufiger zu benutzen.
Warum ChatGPTs Phrasen ein Problem sind – und was ihr tun könnt
ChatGPT und ähnliche KI-Modelle verwenden also häufige Begriffe und beliebte Wortkombinationen als Formulierungshilfen, was an sich ja eine gute Sache sein kann. Wenn plötzlich aber alle Texte in einem ähnlichen Stil verfasst sind, „bekommt es einen roboterhaften Unterton“, so Chugh.
Das bezieht sich auch auf den Stil der Sprach-KI: Wenn die Texthilfe zu blumig oder besonders elaboriert gehalten ist, können Ideen manchmal nicht so effektiv vermittelt werden wie bei einer klaren und geradlinigen Sprache. Eine Studie kam sogar zu dem Ergebnis, dass einfache und präzise Sprache nicht nur beim Verständnis helfen kann, sondern den Verfasser auch intelligenter wirken lässt.
Der übermäßige Gebrauch bestimmter Wörter kann Texte langweilig machen, anstatt sie aufzuwerten. Laut Chugh gibt es aber derzeit keine akkurate Liste, welche Wörter ChatGPT am liebsten verwendet. Um zu vermeiden, dass ChatGPT und seine Alternativen über das Ziel hinaus schießen (um bei den Phrasen zu bleiben), nennt der Wissenschaftler folgende Lösungsmöglichkeiten:
- Achtet bei der Verwendung von KI-Tools auf Wortwiederholungen und tauscht diese aus. Hier können oft einfachere Alternativen helfen: Statt „vertiefen“ könnte man zum Beispiel „erforschen“ verwenden.
- Gebt der KI die schriftliche Anweisung, klare und einfache Sprache zu verwenden.
- ChatGPT ist kein Wundermittel. Bearbeitet im Nachgang euren Text und ändert Absätze, die euch komisch vorkommen. Synonyme findet ihr über Tools wie Thesaurus.
- Die KI-Einstellung sind oft anpassbar. Bei Microsoft Copilot oder ChatGPT kann man oft Klarheit und simple Ausdrucksweisen in den Vordergrund stellen. Manchmal kann man auch Listen mit Wörtern erstellen, die die KI nicht mehr verwenden soll.