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Interview

Steckt das Crowdinvesting in der Krise, Mr. Companisto?

Nach zuletzt einigen Millionen-Pleiten sorgte das Crowdinvesting für viele Negativ-Schlagzeilen. Jetzt wehrt sich Companisto-Chef Tamo Zwinge gegen die Kritik an der Finanzierungsform.

Von Daniel Hüfner
6 Min.
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Companisto-Gründer Tamo Zwinge über das Crowdinvesting. (Foto: Companisto)

t3n.de: Tamo, hast du dich eigentlich selbst schon mal mit Crowdinvesting an einem Startup beteiligt? 

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Tamo Zwinge: Ja. Zu Anfang habe ich mich tatsächlich noch an fast jeder Kampagne beteiligt. Nicht, weil ich es musste, sondern weil ich die Gründer vorher immer persönlich kennengelernt habe. Da fiel es mir leicht, ein paar Hundert Euro zu investieren. Aber das wurde dann problematisch.

t3n.de: Warum? Hast du dich verzockt?

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Nein. Damals war es noch so, dass jeder Investor mit Klarnamen auf einer Kampagnenseite genannt wurde. Auch meiner. Viele Leute haben dann einfach geschaut, wie viel Geld ich in welche Startups investiert habe und versucht, daraus Chancen für gute oder schlechte Deals abzuleiten.

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t3n.de: Was nicht in eurem Sinne gewesen ist.

Genau. Deswegen haben wir die Funktion später auch deaktiviert. Beim Crowdinvesting muss sich jeder sein eigenes Bild machen und entscheiden, ob er in ein Startup investiert oder nicht.

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t3n.de: Wie erfolgreich waren deine Investments? 

Die Beteiligungen haben sich alle ziemlich gut entwickelt. Doxter war mein erstes Investment, und das hat vor einigen Monaten sogar einen Exit hingelegt. Auch an Ludufactur oder E-Porträt habe ich mich mit kleinen Beträgen beteiligt. Rückblickend war das für mich sehr lukrativ. Doxter war auch monetär gesehen das beste Investment, was ich seit Langem getätigt habe. Ich bin bisher nicht reich geworden damit, aber darum geht es beim Crowdinvesting ja auch nicht.

t3n.de: Ist das aber nicht das Versprechen von Crowdinvesting? Dass auch Otto-Normalverbraucher am Reichtum erfolgreicher Gründer teilhaben können? 

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Ich glaube, dass es da oft noch große Missverständnisse gibt. Die Aussicht auf Reichtum sollte nicht der primäre Grund dafür sein, warum man sich privat an einem Startup beteiligt. Auch ich habe nicht hier mal 250 und dort mal 500 Euro investiert, nur damit ich nach fünf Jahren eine horrende Rendite davontrage.

Das E-Bike-Startup Freygeist sammelte bei Companisto 1,5 Millionen Euro per Crowdinvesting ein. Später musste es Insolvenz anmelden. (Foto: dpa)

t3n.de: Was war dann der Grund?

An Doxter habe ich mich etwa beteiligt, weil ich die Idee super fand. Ich habe ständig das Problem, dass ich einen Arzttermin machen will, mich aber erst mühsam durch Google klicken muss, um den richtigen Arzt zu finden. Am Telefon heißt es dann: Sorry, nur Privatpatienten. Doxter hat dieses Problem gelöst, das wollte ich unterstützen.

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t3n.de: Die Rendite war dir also gar nicht wichtig?

Es war nicht meine primäre Motivation. Ich hätte es sicher auch nicht toll gefunden, wenn ich nach dem Verkauf von Doxter keine Rendite erzielt hätte. Das war aber nicht der Fall. Trotzdem verstehen wir uns hauptsächlich als Plattform für Pioniergeister, die dabei hilft, neue Geschäftsmodelle auf den Weg zu bringen.

t3n.de: Trotzdem bringt man Crowdinvesting in letzter Zeit eher mit Negativ-Schlagzeilen in Verbindung. Die Protonet-Pleite hat große Wellen geschlagen. Was bedeutet das für die Zukunft der Finanzierungsform?

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Zu Protonet kann ich aus der Ferne leider nicht viel sagen. Weder habe ich dort investiert, noch kenne ich die Details. Ich bin mir aber sicher, dass auch hinter Protonet passionierte Leute stehen, die mit Herzblut dabei sind. Insofern bedaure ich die Insolvenz sehr. Letztlich gehört das Scheitern beim Crowdinvesting aber genauso dazu wie bei der klassischen Venture-Kapital-Finanzierung.

t3n.de: Zuletzt gab es allerdings auffällig viele Crowd-Pleiten. Neben Protonet, Triprebel und Returbo etwa auch das E-Bike-Startup Freygeist, das zuvor über Companisto 1,5 Millionen Euro einsammeln konnte. Alles nur ein blöder Zufall? 

Es gab zuletzt einige Pleiten, ja, auch bei uns. Wenn aber über einen längeren Zeitraum auf mehreren Plattformen viele Startups finanziert werden, halte ich eine zeitweilige Häufung von Insolvenzen nicht für ungewöhnlich. Über Companisto wurden in den vergangenen fünf Jahren übrigens über 70 Startups finanziert. Davon sind gerade mal zwölf Prozent ausgefallen. Der Rest ist bis heute am Markt aktiv. Das ist im Vergleich zum klassischen VC-Bereich eine sehr gute Quote.

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t3n.de: Laut crowdfunding.de wächst Crowdinvesting aber nur noch bei Immobilien sehr stark. Bei Startups hingegen stagniert das Wachstum. Wie erklärst du dir das?

Die Erhebung von crowdfunding.de bezieht sich auf abgeschlossene Finanzierungsrunden und damit auf Zahlen, die öffentlich einsehbar sind. Das ist eine völlig andere Erhebungsmethode, als sie zum Beispiel der Bundesverband Crowdfunding anwendet. Dort gibt es offizielle Daten von den Crowdinvesting-Plattformen selber. Und die zeigen, dass es auch weiterhin Wachstum gibt. Allerdings muss man auch berücksichtigen, dass uns einige Steine in den Weg gelegt wurden.

t3n.de: Wovon sprechen wir?

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Durch das Kleinanlegerschutzgesetz mussten einige Veränderungen beim Crowdinvesting vorgenommen werden. Zwar ist die Regulierung durch einige Anpassungen nicht ganz so schlimm ausgefallen wie befürchtet, trotzdem ist der Prozess beim Crowdinvesting insgesamt komplizierter geworden. Auch die Obergrenze von 10.000 Euro für Investitionen von Privatleuten hat sich sicherlich auch auf das Wachstum ausgewirkt. Einen Abwärtstrend gibt es aber nicht.

t3n.de: Das E-Commerce-Startup Returbo, das mehr als eine Million Euro bei Companisto erhalten hat, galt als Hochkaräter in der Branche. Im Herbst dann die überraschende Insolvenz. Wie habt ihr eigentlich davon erfahren?

Erst sehr kurzfristig. Genau wie alle Gesellschafter, zu denen neben der Crowd übrigens auch professionelle Venture-Kapitalgeber gehörten. Es wurde aber alles direkt an die Investoren kommuniziert und der Kontakt zum Insolvenzverwalter hergestellt.

t3n.de: Wie haben denn eure Nutzer darauf reagiert? 

Die Reaktionen bei einer Insolvenz sind immer recht ähnlich. Zunächst überwiegt die Enttäuschung, dass man als Anleger sein Investment verloren hat. Wer verliert schon gerne sein Geld? Niemand. Die Investoren bei uns sind sich aber bewusst, dass es sich um Risikokapital handelt, deshalb gibt es dafür auch Verständnis.

t3n.de: Das Portal Investmentcheck.de warf Returbo allerdings auch überhöhte Erfolgsversprechen zu Beginn der Kampagne vor. Wird beim Crowdinvesting zu sehr an die Emotion unbedarfter Kleinanleger appelliert?

Allein beim Ausdruck „unbedarfte Kleinanleger“ steckt schon ein Vorurteil drin. 95 Prozent unserer Investoren geben an, dass sie Investmenterfahrung haben. Sie investieren aus Überzeugung in gute Ideen und Unternehmer. Deshalb ist ein Startup-Investment per se eine emotionale Sache. Wir verkaufen ja keine Lebensversicherungen. Es gibt beim Crowdinvesting eine zusätzliche Bindung, ja, aber es geht nicht um die reine Emotion. Dann könnten wir uns ja die Aufbereitung aller Finanzdaten sparen.

t3n.de: Könnte aus deiner Sicht denn trotzdem stärker auf die Risiken des Crowdinvesting hingewiesen werden?

Die gesetzlich vorgeschriebenen Warnhinweise sind ja schon mehr als deutlich genug und können auf den Plattformen von keinem Investor mehr übersehen werden. Man muss das sogar mehrfach bestätigen, bevor man investiert. Auch aus den Reaktionen unserer Community schließen wir, dass den meisten der mögliche Totalverlust ihres Investments bewusst ist. Viele investieren sogar auch nach einer Insolvenz weiter oder haben ihren Einsatz auf mehrere Beteiligungen verteilt.

t3n.de: Aber reicht die Rendite bei einem Exit im Crowdinvesting überhaupt aus, um mehrere Ausfälle auszugleichen? 

Bei uns gehen statistisch gesehen nur zwölf Prozent der Startups insolvent. Das sind bei zehn Beteiligungen gerade mal 1,2 Startups. Wenn beim Rest jetzt noch ein Exit mit Rendite von über 100 Prozent dabei ist, gleiche ich das locker aus. Man braucht keine Wunderergebnisse, um positive Renditen beim Crowdinvesting zu erzielen.

t3n.de: Allerdings haben sich Kleinanleger auch schon öffentlich darüber beklagt, dass die Renditen nach einem Exit nur vage kommuniziert werden. Woran liegt das?

Auf jeden Fall nicht an uns. Die Renditen ergeben sich immer aus einer zugrundeliegenden Bewertung im Exit-Fall, und die sind in den meisten Fällen geheim. Deshalb wissen nur die Investoren des jeweiligen Startups, welche Renditen sie erzielen konnten. Für alle Außenstehenden gilt:Wer beim Startups oder Käufer nachfragt, erhält fast nie eine Antwort. Und wenn sich beide Parteien darauf verständigen, müssen wir damit leben.

t3n.de: Haben es crowdfinanzierte Startups schwerer, eine Anschlussfinanzierung von Großinvestoren zu bekommen?

Die Anschlussfinanzierungsquote der Companisto-Startups liegt bei 80 Prozent. Das ist auf die Gesamtheit aller Startups gesehen sehr hoch. Die Quote in der klassischen VC-Finanzierung ist sogar geringer. Crowdinvesting ist also kein Problem für Anschlussfinanzierungen. Trotzdem stellt man sowas ja nicht einfach mal über Nacht auf. Es gibt viele Gründe, warum eine Anschlussfinanzierung scheitern kann.

t3n.de: Wie der Protonet-Fall gezeigt hat, sind die Kleinanleger aber für große US-Investoren offenbar doch ein Hindernis.

Wie gesagt, ich kenne den Fall Protonet nicht. Es sieht aber so aus, als hätte es dort Probleme gegeben. Aber ein einziges crowdfinanziertes Unternehmen kann nicht stellvertretend für eine ganze Branche stehen. Zudem ist Protonet kein Companisto-Startup und anders als beispielsweise Seedmatch setzen wir bei der Finanzierung auf das sogenannte Pooling.

t3n.de: Was ist mit Pooling gemeint?

Pooling ist ein Beteiligungsmodell, das von Anfang an auf die Ermöglichung von Anschlussfinanzierungen ausgerichtet ist. Die Gesamtheit der Crowdinvestoren wird dabei vertragsrechtlich behandelt, als handele es sich um einen einzigen Investor. Das erleichtert Entscheidungen bei Vertragsänderungen und ist für Venture-Kapital-Firmen eine wichtige Voraussetzung. Deswegen glaube ich auch nicht, dass Protonet solche Probleme bekommen hätte, wenn sie bei Companisto finanziert worden wären.

Vielen Dank für das Gespräch!

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Kommentare (6)

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Sebastian

Sorry, aber kann es sein, dass 20% der 70 Investment nicht mehr aktiv sind und nicht 12% ?? Insgesamt sind von den 70 ganze 14 Investments ( also 20%) nicht mehr aktiv oder insolvent.

Dort auch einzusehen:
https://www.companisto.com/de/investments

Cristin Liekfeldt

Hej Sebastian,

hier schreibt Cristin, ich bin Head of Content bei Companisto.
Zu deinem Einwand: Wir haben die Daten von Januar 2017 genommen. Außerdem nutzen wir auf unserer Website auch bei den Startups, bei denen die Insolvenz oder Liquidation noch nicht durch ist und wir noch nicht wissen, wie es weitergeht schon die Wordings „Insolvenz/Liquidation“. Diese, bei denen das Ende noch offen ist, zählen deshalb nicht in die 12 % Ausfall hinein.
Sollte es in allen Fällen zu einem Ausfall kommen, beträgt die Quote 20,86%, um genau zu sein.
Ich hoffe, ich habe jetzt alles ganz genau klargestellt. Danke für deinen Hinweis.
Grüße, Cristin

Jaques Defraudes

Nach den im crowdinvesting-forum am 7.04.2017 geposteten Ermittlungen gab es bei Companisto bisher 18 Pleiten mit einem Schaden (Investmentsumme) von 6.236.730 €. Dazu kommt noch Kyl21 mit fast 1 Mio. €, wo David Marx als einziger Verbliebener gerade alles Anlagevermögen verkauft hat und mit neuen Partnern in LA mit Dream Pops weitermacht. Allerdings mit der derselben Form und derselben Geschichte aus der Companisto Kampagne in 2014 und ohne dass die Companisten irgendetwas davon hätten (in der Kampagne versprach er, für die Companisten in LA zu eröffnen). Lesenswert auch DER SPIEGEL 2016/34 „Sauercrowd“, wonach Companisto zwei Mal erfolgreich wegen ihrer Bewertungen der Start-ups verklagt worden war, z.B. Paulus Neef einfach so sein Projekt Unyite Yoga auf Companisto mit 6 Mio. € bewerten ließ bevor es dann nach weniger als einem Jahr in die Insolvenz ging. Companisto selbst hat über ihre Plattform Mitte letzten Jahres 2 Mio. eingesammelt, mit wahnsinnig hohen Prognosen und offensichtlich weil sie das Geld aufgrund ihrer beunruhigenden Verluste (fast 1 Mio.) dingend benötigten. Das zeigt sich auch an den gegenwärtigen Start-ups: 2 von den 4 wurden weniger als einen Monat vor der Kampagne auf Companisto erst mit Mindeststammkapital gegründet, golf4you mit der Website, über die das Geschäft laufen soll, die erst noch einmal zum Laufen gebracht werden soll (vielleicht Ende Mai), und Diversicon ohne dass sie die Anträge, die sie für ihr Geschäft brauchen, überhaupt gestellt hätten. Kommt beides erst noch, und natürlich mit Bewertungen im Millionenbereich und toatl irreal-optimistischer Finanzplanung. Companisto: leider der Sargnagel für eine an sich tolle Idee.

Michel Harms

Da die Frage zum stagnierenden Startup-Crowdinvesting Markt – statt mit einer Einschätzung zur Marktentwicklung – mit einem Statement zur Methodik unserer Datenerhebung beantwortet worden ist, hier unser Kommentar:

Der Crowdinvesting Marktreport von crowdfunding.de folgt einer einfachen und transparenten Marktabgrenzung. Die zeitliche Zuordnung nach Abschluss einer Finanzierungsrunde hat deutlich mehr Vor- als Nachteile. Der größte Vorteil: öffentliche Nachvollziehbarkeit. Die dem Report zugrundeliegende Datenbasis ist unter https://www.crowdinvest.de für jeden einsehbar.

Die Performance der einzelnen Crowdinvesting-Segmente und Plattformen wird im Monitor laufend aktuell nachgehalten. So z.B.
Monitor Startup-Crowdinvesting: http://www.crowdinvest.de/startups
Monitor Companisto: https://www.crowdinvest.de/companisto

Ergänzungen und mögliche Korrekturen zur offenen Datenbank können von jedem übermittelt werden. Dieses Crowd-Prinzip ermöglicht eine bestmögliche Datenqualität in Bezug auf Vollständigkeit, Aktualität und Nachvollziehbarkeit.

Die Interpretation der Zahlen obliegt dann jedem selbst.

Viele Grüße
Michel von crowdfunding.de

deebee

Man steckt auf jeden Fall in der Krise, wenn man mit einer Fake-Medaille Werbung macht . Muss das sein?

http://www.toptestsieger.de/companisto-erfahrungen/

Philip (crowd-investor.eu)

Leider laufen internationale Crowdinvesting-Plattformen wie z.B. Seedrs in UK den deutschen Plattformen einfach den Rang ab. Gründe hierfür sind unter anderem aus meiner subjektiven Sicht deutlich höhere Erfolgsaussichten z.B. auf Seedrs oder Crowdcube und zum anderen höhere staatliche Förderung, was die Innovationskultur für Startups in UK vorantreibt. Meine Erfahrungen mit dutzenden Investments auf deutschen Plattformen waren leider durchweg durchwachsen.

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