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MIT Technology Review News

Das Oropouche-Virus verbreitet sich: Was bei den aktuellen Ausbrüchen des Erregers neu ist

Das durch Insektenstiche übertragene Virus kann Föten schädigen, macht neue genetische Veränderungen durch und scheint neue Gebiete zu erobern. Auch Europa hat es – in niedrigen Fallzahlen – erreicht.

Von MIT Technology Review Online
5 Min.
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Auch Mücken übertragen das Oropouche-Virus. (Foto: frank60 / Shutterstock) 

Im letzten Jahr gab es zahlreiche Berichte über potenziell gefährliche Viren. Covid-19 verursacht immer noch Tausende von Todesfällen, und die Vogelgrippe scheint den Sprung zur Übertragung von Mensch zu Mensch zu vollziehen. Dazu kommen neue Befürchtungen um das Oropouche-Virus, das hauptsächlich durch Insektenstiche von kleinen Mücken (in den USA manchmal auch No-see-ums genannt) übertragen wird.

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Neue Oropouche-Ausbrüche

In Lateinamerika gibt es zwar seit Jahrzehnten Ausbrüche des Oropouche-Virus. Was aber diesen Ausbruch anders macht, ist die Tatsache, dass das Virus in völlig neuen Umgebungen entdeckt wurde. Es taucht jetzt auch in Ländern auf, in denen es bisher nicht vorkam. Die Ausbreitung gilt als „beispiellos“, wie Forscher:innen in einem Aufsatz im Medizin-Fachjournal The Lancet schreiben.

Möglicherweise verläuft zudem die Krankheit, die das Oropouche-Virus verursacht, auch weitaus schwerer als früher. Menschen mit diesem Virus leiden typischerweise an plötzlichem Fieber, Schmerzen und Übelkeit. Die meisten Fälle verlaufen glimpflich, aber einige Menschen haben auch Gehirnentzündung (Enzephalitis) und Gehirnhautentzündung (Meningitis) entwickelt. Vor allem aber sind dieses Jahr zwei eigentlich gesunde junge Frauen daran gestorben.

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Oropouche kann von der Mutter auf den Fötus übertragen werden und wurde mit Totgeburten und Geburtsanomalien in Verbindung gebracht. Es gibt weder Behandlungsmöglichkeiten noch vorbeugende Impfstoffe.

Oropouche-Virus ist seit 1955 bekannt

Das Oropouche-Virus wurde erstmals 1955 bei einer Person und einem Moskito-Pool aus dem Dorf Vega de Oropouche in Trinidad und Tobago nachgewiesen. 1960 wurde es bei einem Faultier in Brasilien gefunden. Seitdem gab es über 30 Ausbrüche in diesen Ländern sowie in Peru, Panama, Kolumbien, Französisch-Guayana und Venezuela. Mindestens 500.000 Fälle wurden in Südamerika gemeldet, größtenteils in waldnahen Gebieten.

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Das liegt wahrscheinlich an der Art, wie der Keim übertragen wird. Die Wissenschaft nimmt an, dass das Oropouche-Virus von einigen Faultierpopulationen und möglicherweise auch von einigen nichtmenschlichen Primaten übertragen wird. Diese Tiere beherbergen das Virus, das dann durch Insektenstiche, in der Regel von Mücken oder bestimmten Stechmückenarten, auf den Menschen übertragen werden kann.

Seit Ende 2023 wurden Ausbrüche in einer Reihe von Ländern in Südamerika, Mittelamerika und der Karibik gemeldet, darunter auch in Kuba, was für das Land ein Novum darstellt.

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Brasilien verzeichnet besonders große Fallzahlen. Seit Anfang des Jahres wurden in Nord- und Südamerika 10.275 Fälle von Oropouche bestätigt, wie aus einem neuen Bericht der Panamerikanischen Gesundheitsorganisation (PAHO) hervorgeht. 8.258 davon traten in Brasilien auf. Zum ersten Mal haben Reisende das Virus auch in die USA und nach Europa eingeschleppt, was zu 90 Fällen in den USA und 30 in Europa geführt hat.

Der Mensch begünstigt die Virusverbreitung

Eine weitere Veränderung besteht darin, dass das Virus auch Menschen in städtischen Gebieten weitab von Wäldern infiziert hat. Warum das so ist, ist noch nicht abschließend klar, wahrscheinlich gibt es einige Gründe dafür. Zum einen hat der Klimawandel zu höheren Temperaturen und Niederschlägen geführt, die den Insekten, die das Virus übertragen, einen Nährboden bieten können. Auch die Abholzung der Wälder und die Verstädterung, die beide dazu geführt haben, dass der Mensch in den Lebensraum von Wildtieren eingedrungen ist, haben das Risiko einer Übertragung auf den Menschen erhöht, sagt Ana Pereiro do Vale, Tierärztin und Mikrobiologin am University College Dublin in Irland.

Auch das Virus selbst scheint sich verändert zu haben, wie neue Forschungsergebnisse zeigen. William de Souza von der University of Kentucky und seine Kollegen analysierten Blutproben, die zwischen 2015 und 2024 von Menschen mit einer Oropouche-Diagnose entnommen wurden, und konnten so die derzeit zirkulierende Form des Virus mit einem historischen Stamm vergleichen.

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Das Team fand Hinweise darauf, dass das Virus genetisches Material mit einem verwandten Virus ausgetauscht hat, wodurch eine „Virus-Neusortierung“ entstanden ist. Diese neue Form des Virus habe sich seit Ende 2023 ausgebreitet, so das Team.

Neue Eigenschaften des Oropouche-Virus

Und das ist noch nicht alles. Die genetischen Veränderungen haben dem Virus neue Eigenschaften verliehen. Die neusortierte Virusvariante scheint sich besser in Säugetierzellen vermehren zu können. Das führt möglicherweise dazu, dass infizierte Menschen und Faultiere mehr von dem Virus in ihrem Blut haben, was es für stechende Insekten leichter macht, das Virus aufzunehmen und weiterzugeben.

Die neue Form des Virus scheint auch virulenter zu sein. Die Labortests des Teams deuten darauf hin, dass es im Vergleich zum historischen Stamm offenbar mehr Schäden in den infizierten Zellen verursacht.

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Dazu gibt es neue Erkenntnisse über die Ausbreitung des Virus. Bekannt ist, dass Mücken und Stechmücken für die Verbreitung von Oropouche verantwortlich sind, aber das Virus kann auch während der Schwangerschaft auf einen Fötus übertragen werden, was möglicherweise schädliche Folgen hat. Dem PAHO-Bericht zufolge hat Brasilien „13 Todesfälle bei Föten, drei spontane Fehlgeburten und vier Fälle von Geburtsanomalien“ im Zusammenhang mit Oropouche-Infektionen gemeldet.

Auffälligkeiten bei Föten und Babys

In einer weiteren Studie untersuchten Raimunda do Socorro da Silva Azevedo vom Evandro-Chagas-Institut in Ananindeua in Brasilien mit Kollegen 65 ungeklärte Fälle von Mikrozephalie, die zwischen 2015 und 2024 in Brasilien verzeichnet wurden. Mikrozephalie ist eine Geburtsanomalie, bei der Babys einen unerwartet kleinen Kopf haben. Das Team fand bei sechs dieser Babys Hinweise auf eine Oropouche-Infektion und auch bei allen drei, die dieses Jahr zur Welt gekommen sind.

Noch ist nicht klar, wie das Virus Föten und Babys angreift. Die US-Zentren für Krankheitskontrolle und -prävention (CDC) empfehlen schwangeren Reisenden jedoch, „nicht dringend notwendige Reisen nach Kuba zu überdenken“.

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Oropouche-Virus: Auch über Geschlechtsverkehr verbreitet?

Einige Wissenschaftler befürchten, dass sich das Virus auch über den Geschlechtsverkehr verbreiten könnte. Im August wurde bei einem 42-jährigen Italiener, der nach der Rückkehr von einer Reise nach Kuba erkrankte, das Oropouche-Virus im Sperma nachgewiesen. 58 Tage später war das immer noch der Fall. Die CDC empfiehlt derzeit, dass Männer, bei denen Oropouche diagnostiziert wurde, Kondome benutzen oder mindestens sechs Wochen lang ab Beginn der Symptome keinen Sex haben sollten. Sie sollten zudem auch Samenspenden vermeiden, so die Organisation.

Kolonialismus in der Krankheitsforschung

Insgesamt gibt es noch viele unbeantwortete Fragen. Einige Wissenschaftler:innen vermuten, dass dies daran liegt, dass Ausbrüche in der Vergangenheit eher in den ärmeren Ländern des Globalen Südens aufgetreten sind. „Es gibt genügend Kolonialismus in der Krankheitsforschung: wenn es nicht die industrielle Welt und westliche Geschäftsinteressen betrifft, ist es nicht wichtig“, sagte Shahid Jameel, Virologe an der Universität Oxford gegenüber GAVI. Diese Organisation verfolgt globale Impfbemühungen. Erst „jetzt, da das Virus in Kuba – also nicht weit von Miami – gefunden wurde, werden sich die Räder der öffentlichen Gesundheit drehen.“

Wie schnell sie in Gang kommen, bleibt abzuwarten. Wissenschaftler wie Vale warnen schon: „Wir wissen nicht, was mit dem Virus passieren wird, wie hoch die Mutationsrate des Virus ist oder ob das Virus auf einen anderen Wirt überspringt. Wir müssen vorsichtig sein und aufpassen.“

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Dieser Artikel stammt von Jessica Hamzelou. Sie ist Senior Reporter bei der US-amerikanischen Ausgabe von MIT Technology Review und schreibt über Biomedizin und Biotechnologie.

 

 

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