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Datenschutz-Konflikt: Polizei erhält Daten von Corona-Infizierten

In Baden-Württemberg, Bremen, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern sind die persönlichen Daten von Corona-Infizierten von diversen Gesundheitsämtern an Polizeidienststellen übermittelt worden. Die hatten die Daten angefordert.

Von Dieter Petereit
3 Min.
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Die Datenschutzbeauftragten verschiedener Bundesländer urteilen unterschiedlich in der Frage, ob es einen Datenaustausch zu Coronainfizierten zwischen Gesundheitsamt und Polizei geben darf. (Foto: dpa)

Mit der Begründung, Polizistinnen und Polizisten im Einsatz schützen zu wollen, haben Dienststellen in einigen Bundesländern Daten über Personen, die sich mit dem neuartigen Coronavirus angesteckt haben, angefordert. Dabei beriefen sich sowohl die anfordernden Polizeidienststellen wie auch die abgebenden Gesundheitsämter auf das jeweilige Landesgesetz über den öffentlichen Gesundheitsdienst. Bisweilen wurde wohl auch mit dem Seuchenrecht im Allgemeinen argumentiert.

Landesgesetze lassen Datenweitergabe von Gesundheitsämtern an Dritte in bestimmten Fällen zu

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Die Landesgesetze über den öffentlichen Gesundheitsdienst regeln unter anderem, unter welchen Voraussetzungen personenbezogene Daten in den Gesundheitsdiensten gespeichert und verarbeitet und unter welchen Voraussetzungen diese Daten an Dritte, etwa an die Polizei, abgegeben werden dürfen. In der Regel entsprechen sich dabei die Voraussetzungen zur Speicherung und die zur Abgabe der Daten.

Im Falle der Weitergabe von Infiziertenlisten an die Polizeidienststellen wird geltend gemacht, dass die „erforderlich ist zur Abwehr von gegenwärtigen Gefahren für das Leben, die Gesundheit oder die persönliche Freiheit der betroffenen Person oder einer dritten Person, sofern die genannten Rechtsgüter das Geheimhaltungsinteresse der betroffenen Person erheblich überwiegen.“ (z.B. § 11 ÖGdG Rheinland-Pfalz).

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Übersetzt und auf den konkreten Fall bezogen, bedeutet der Gesetzestext etwa folgendes. Wenn Polizistinnen und Polizisten in einen Einsatz an einer Adresse gehen müssen, an der ein Corona-Infizierter wohnt, dann müssen sie das vorher wissen, um sich angemessen schützen zu können. Ohne Kenntnis der vorliegenden Infektion könnten die Beamtinnen und Beamten selbst in eine lebensgefährliche Situation geraten. Gleiches kann gelten, wenn Infizierte etwa an Verkehrsunfällen oder anderen Einsatzszenarien beteiligt sind.

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Recherchen schrecken Politiker und Mediziner auf

Das klingt zunächst nachvollziehbar. Allerdings haben die Recherchen des SWR, des NDR und der Website Netzpolitik.org durchaus unterschiedliche Reaktionen aus Politiker- und Medizinerkreisen hervorgebracht. Einzig in Mecklenburg-Vorpommern scheint eine gewisse Einigkeit zu herrschen.

Dort hatte laut NDR Gesundheitsminister Harry Glawe von der CDU die Gesundheitsämter der Landkreise und kreisfreien Städte angewiesen, Adressen und Wohnorte von Corona-Infizierten an die Polizeipräsidien des Landes weiterzuleiten. Der in der Sache ebenfalls eingeschaltete Landesdatenschutzbeauftragte Heinz Müller trug den Datentransfer grundsätzlich mit. Der Schutz der Patientenrechte sei dabei gegen die „lebenswichtigen Interessen der Beamten“ im Einsatz abgewogen worden. Ergänzend teilte er mit, dass ihm sein Einverständnis hierzu nicht leichtgefallen sei. Generell müsse allerdings sichergestellt werden, dass die Daten auf einem sicheren Weg übertragen werden und der Kreis der Zugriffsberechtigten eingeschränkt bleibt.

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Andreas Crusius, Präsident der Ärztekammer in Mecklenburg-Vorpommern, sieht in der Übermittlung hingegen einen Verstoß gegen die ärztliche Schweigepflicht. Nur bei einem „gesetzlich ausgerufenen Notstand“ dürfe diese ausgehebelt werden.

In einigen Bundesländern hat die Berichterstattung zu erheblichen Irritationen geführt. Der baden-württembergische Datenschutzbeauftragte Stefan Brink etwa steht auf dem Standpunkt, solche „Infizierten-Listen“ hätten „bei der Vollzugspolizei nichts verloren“ und müssten, „wenn sie dort in rechtswidriger Weise hingereicht wurden, sofort gelöscht werden“.

Ähnlich sieht es die bremische Datenschutzbeauftragte Imke Sommer. Sie hat den Datenaustausch über Erkrankte zwischen Gesundheitsbehörde und Polizei zunächst gestoppt. Dafür gebe es keine Rechtsgrundlage, meint Sommer. Sie wolle den Prozess aus datenschutzrechtlicher Sicht untersuchen und im Zweifel neu definieren.

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In Niedersachsen sollen ebenfalls sogenannte Quarantänelisten zwischen Gesundheitsamt und Polizei ausgetauscht werden. Eine entsprechende Anordnung werde vom Innenministerium vorbereitet. Das will Netzpolitik.org erfahren haben. Die niedersächsische Datenschutzbehörde soll den Vorgang bereits prüfen.

SWR-Recherchen bringen den Fall ins Rollen

Ausgangspunkt der Recherchen war die Praxis in Baden-Württemberg. Hier hatte der SWR zunächst von drei Gesundheitsämtern berichtet, die Infiziertendaten an die Polizei weitergegeben hatten. Das Innenministerium als oberste Polizeibehörde sei über das Verfahren unterrichtet gewesen und hätte es unterstützt, hieß es.

Nach Bekanntwerden der Recherchen hatte sich Sozialminister Manfred Lucha von den Grünen eingeschaltet und seinerseits das Verfahren in einem Schreiben an alle Gesundheitsämter für unzulässig erklärt. Statt auf das Gesetz über den öffentlichen Gesundheitsdienst beruft sich Lucha allerdings auf das Infektionsschutzgesetz. Das ist insofern erstaunlich, als es im Landesrecht Baden-Württembergs ein solches Gesetz mit einer entsprechenden Ermächtigung durchaus gibt, konkret hier.

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Innenminister Thomas Strobl von der CDU beharrt seinerseits darauf, dass die Informationsweitergabe für die Sicherheit der Polizeiarbeit erforderlich sei. Nun soll mit dem Datenschutzbeauftragten nach einer Lösung gesucht werden.

Übrigens: Eine Weitergabe von Corona-Patientendaten an die Polizei verneinen bisher die Innenministerien in Berlin, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, dem Saarland und Thüringen.

Passend dazu: Mit Handydaten gegen Corona: Spahn legt Pläne nach Kritik auf Eis

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