Kannst du das schnell erledigen? Am besten bis Feierabend, wenn das nicht geht: Kein Stress! Dann reicht auch morgen früh bis 9 Uhr. Geht wirklich nicht? Ah gut… du, dann schau mal wann du es machst. Es ist grad nicht eilig.
Schlanke Prozesse verlangen nach einer gewissen Dringlichkeit: Wenn du sofort erledigst, was ich gern erledigt hätte, dann kann ich direkt weiterarbeiten. Und das wäre natürlich praktisch – aber eben nur für die Person, die die Anfrage stellt. Wer ablenkungsfrei durchziehen möchte, der kann das in vielen Projekten nur, wenn andere parat stehen, um ihre Teile beizutragen. Und zwar genau dann, wenn die fragende Person es braucht.
Das ist ein Problem, weil mit dieser Haltung davon ausgegangen wird, dass die anderen nicht selbst etwas zu tun haben. Was leider Quatsch ist. Und doch zieht sich dieses Verhalten durch, vor allem durch Führungsebenen oder wenn in der Zusammenarbeit ein Machtgefälle angenommen wird.
Morgen ist heute schon gestern
Ein Sicherheitsdenken steckt auch darin: Einige wollen erst einmal ihre Schafe zusammentreiben, damit sie weitermachen können, wenn ihnen danach ist. Deshalb enthalten Deadlines manchmal auch Pufferzeiten: Wenn ich das bis morgen um 9 anfrage, dann ist es ja dann, wenn ich es wirklich brauche, auf jeden Fall da, und ich muss mir keine Sorgen mehr drum machen.
Wir leben in einer Welt der fiktiven Dringlichkeiten. Deadlines, gerade jetzt im Sommer, werden wild erfunden, um Sicherheiten zu schaffen, die keiner braucht. Das Ergebnis ist Stress – den im Sommer ganz sicher auch keiner braucht. Dabei sollten die „am besten gestern“-Zeiten der Business-Welt vorbei sein. Druck ist kein Führungsstil, Druck ist ein Ausdruck von Hilflosigkeit.
In dem Wunsch nach Sicherheit verstecken sich daher Elemente von Unsicherheit und Respektlosigkeit: Wenn ich keine Kandare anlege, dann spurt die andere Person nicht. Und das sollte in der Zusammenarbeit grundsätzlich nicht angenommen werden.
Habt ihr mal darüber gesprochen?
Zusammenarbeiten finden noch viel zu oft statt, ohne dass grundsätzliche Regeln festgehalten werden. In Beratungsprozessen, vor allem international, sind sie dagegen völlig normal: Am Beginn der Zusammenarbeit einigen sich beide auf ein Set von Regeln – Änderungen sind natürlich möglich. So könnten sie bei Projekten aussehen:
- Wir benennen Zeitpläne realistisch.
- Wir verlassen uns darauf, dass Zwischenschritte zeitnah, spätestens aber zur Deadline geliefert werden.
- Bei absehbaren Verzögerungen informieren wir einander so früh wie möglich.
Diese Regeln sind simpel, aber sehr effektiv. Sie schaffen für alle Beteiligten eine zeitliche und organisatorische Sicherheit: Niemand muss befürchten, dass etwas schiefgeht, weil die andere Person nicht kommuniziert oder unfair kommuniziert.
Wunderschöne Sommermails
In den Ferien sind solche Regeln besonders wichtig. Manchmal existieren sie auch implizit, oder die Jahre der Erfahrung haben sie automatisch eingeführt. Ich bekam in diesem Sommer jedenfalls mehrfach Mails mit konkreten Deadlines – komplett mit Hintergrundinformationen und Alternativ-Lösungen, falls die genannten Zeiten für mich nicht funktionieren.
„Funktionieren“ ist sowieso der entscheidende Begriff. Zusammenarbeit gelingt, wenn alle mitmachen. Wenn ich selbst Rahmenbedingungen habe – Ferien, Familie, andere Projekte,… – dann kann ich davon ausgehen, dass das bei anderen Menschen auch so ist. Ich gewinne also, wenn ich a) ankündige und b) nachfrage. Deadlines, Termine und Pläne müssen kein Druck sein. Im Gegenteil: Sie schaffen Sicherheit und nehmen Druck raus. Aber nur wenn das Vertrauen da ist, dass beide fair mit der Zeit der anderen umgehen.