Wenn Unternehmen wie SAP oder Amazon verpflichtende Präsenztage einführen, stößt das nur selten auf Gegenliebe in der Belegschaft. Stellt sich die Frage, warum Unternehmen ihre Mitarbeitenden trotzdem tageweise ins Büro zurückbeordern.
Weil sie sich davon Kontrolle versprechen, sagen Kritiker:innen. Weil sie überzeugt sind, „dass ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Arbeit im Homeoffice und im Büro die Produktivität und Innovationskraft als auch das Wohlbefinden der Mitarbeiter fördert“ heißt es dagegen zum Beispiel von SAP.
Gut möglich, dass der Softwarekonzern das auch so meint. Nur: Reicht die reine Präsenzverpflichtung, um derart vollmundige Versprechungen wirklich zu erfüllen?
Arbeit im Team: Präsenz ist nicht ganz unberechtigt
Für Unternehmensanthropologin Jitske Kramer ist die Forderung nach Präsenztreffen an sich nicht unberechtigt. In einem Interview mit dem Spiegel sagt sie: „Wenn man einander nie sieht, wird es schwierig, echte Herzblutprojekte anzustoßen“.
Wer remote arbeitet, ist laut Kramer oft sehr aufgabenorientiert unterwegs. Nach ein, zwei einleitenden Sätzen im Videomeeting direkt zur Sache zu kommen, sei zwar effizient, dabei gehe aber Menschlichkeit und die gegenseitige Verbundenheit verloren.
Die Rückkehr ins Büro kann also in gewissem Maß sinnvoll sein – um die gegenseitige Verbundenheit damit aber wirklich zu fördern, braucht es mehr als eine stumpfe Anwesenheitspflicht, bei der dann doch wieder alle hinter ihren Bildschirmen verschwinden.
Ins Büro kommen, nur um dann Mails zu schreiben?
Für Kramer geht es darum, wie man die Zeit im Office gestaltet. Einen langen Arbeitsweg auf sich zu nehmen, um dann beispielsweise schlicht Mails zu beantworten, sei Zeitverschwendung. „Warum sollte das jemand mitmachen?“
Unternehmen, die sich von Präsenzmaßnahmen bessere Zusammenarbeit im Team erhoffen, müssen sich also von Anfang an Konzepte mit überlegen, was die Präsenztage attraktiv und auch wirklich gemeinschaftlicher macht. „Man kommt, wenn man Angst hat, etwas zu verpassen oder sich für das Bürogeschehen interessiert. Dafür muss es interessant sein“, so Kramer.
In ihrem eigenen 10-köpfigen Team arbeitet die Unternehmensanthropologin an sich komplett remote. Alle zwei bis drei Monate gibt es allerdings ein gemeinsames Treffen in Präsenz. Die sind dann deutlich anders gestaltet als der normale Arbeitsalltag: „Das sind heilige Tage. An denen machen wir nichts online, stattdessen sind wir gemeinsam kreativ und kommen einander menschlich näher“.