Deutsche Bahn: Wann kommt der mobile Coworking-Waggon der Zukunft?

(Foto: Jesus Fernandez/Shutterstock)
Donnerstagmorgen, 7:50 Uhr: Unternehmensberaterin Klara ist mit drei Kollegen im ICE 874 unterwegs von Frankfurt nach Berlin. Ein Pitch beim Kunden steht an. Der Weg führt die Vier direkt in den Speisewagen, um beim Kaffee noch den letzten Feinschliff an der Präsentation vorzunehmen. Während das Team intensiv diskutiert, bemerkt Klara, dass zwei Tische weiter auch eine Gruppe in ein Gespräch vertieft ist. Es stellt sich heraus: selber Pitch beim selben Kunden. Ab sofort läuft die Besprechung nur noch im Flüsterton, ein alternativer Besprechungsort fehlt. Das Kinderabteil nutzt bereits ein anderes Team, solange noch keine Familien unterwegs sind.
Derartige Szenen spielen sich jeden Tag tausendfach in Zügen ab. Für viele Arbeitnehmer ist die Reisezeit im Zug gleich Arbeitszeit, der reservierte Sitzplatz ersetzt immer häufiger den Bürostuhl, das belegen Umfragen. Eine Studie in Norwegen zeigt, dass rund 30 Prozent der Pendler und 40 Prozent der Geschäftsreisenden die Zeit im Zug zum Arbeiten nutzen. Die Arbeitgeber unterstützen diesen Trend: Jeder vierte Pendler kann die Reisezeit als Arbeitszeit abrechnen. In einer Umfrage des Verkehrsclubs Österreich mit 9.600 befragten Fahrgästen geben 85 Prozent an, dass die nutzbare Zeit, etwa um zu arbeiten, den Hauptgrund für die Auswahl des Zuges als Transportmittel darstellt.
Auch die Deutsche Bahn hat offensichtlich erkannt, dass mobiles Arbeiten hierzulande üblich ist und in Zukunft eine noch bedeutendere Rolle spielen wird: WLAN ist in allen Klassen seit 2016 vorhanden, Steckdosen gelten als Standard und der Komfort-Check-in reduziert Unterbrechungen im Arbeitsprozess. Der nächste für dieses Jahr geplante Meilenstein ist die Errichtung von Coworking-Spaces. Die speziell für Geschäftsleute konzipierten Räumlichkeiten erleichtern das Arbeiten in Bahnhöfen. Damit nicht genug: Beim New Work Train Event haben Experten Ideen für den Ausbau des ICE zum mobilen Büro gesammelt.
Digitalisierung als Chance für die Deutsche Bahn
Zweifellos besteht Bedarf, das Arbeiten auf der Schiene effizienter, ergonomischer und angenehmer zu machen. Was braucht es dafür? Idee: Die Deutsche Bahn gestaltet einen Waggon als mobilen Coworking-Space, der über Besprechungs- und Kreativräume sowie ergonomisch weiterentwickelte Einzelarbeitsplätze mit Bildschirmen und USB-Anschlüssen verfügt.
Lohnt sich das für die Bahn? Natürlich birgt ein mobiler Coworking-Space auch Risiken, das zeigt die rasche Abschaffung der mobilen Konferenzräume in den 90er Jahren. Allerdings hat sich seitdem die Arbeitswelt im Zuge der Digitalisierung stark verändert. Das belegt nicht nur die wachsende Anzahl mobil Arbeitender, sondern auch das rasant wachsende Phänomen der Coworking-Spaces. Das schreit nach einem Pilotprojekt, in dem die Bahn ein architektonisches Konzept eines Coworking-Waggons und dessen Geschäftsmodell auf einer von Geschäftsreisenden hoch frequentierten Strecke wie etwa Frankfurt-Berlin testen kann. Die Bahn könnte sich an dem Vorhaben der Niederlande orientieren. Dort will die Dutch National Railway Company bis 2025 Coworking-Waggons einführen.
Unterstützung von der Politik wäre zu erwarten. Die Bahn spielt eine Schlüsselrolle in einer digitalen und nachhaltigen Ökonomie, bei der es auf Flexibilität sowie einen raschen Austausch von Ressourcen und Informationen zwischen zahlreichen Akteuren ankommt. Prinzipiell herrscht Einigkeit bei den Parteien, dass die Bahn ihre Services ausbauen soll. Am konkretesten sind die Grünen in ihrem Fahrplan 2030: „Im Fernverkehr sollten für die Fahrgäste flexible Arbeitsräume installiert werden, sodass Büroarbeit, Beratung und sämtliche technische Kommunikation möglich ist – ohne dass andere Fahrgäste gestört werden.“
Die Weiterentwicklung des Arbeitserlebnisses auf der Schiene durch Coworking-Waggons hat vielfältige positive Auswirkungen: Fahrgästen werden eine höhere Produktivität ermöglicht und die Einhaltung der Verschwiegenheitspflicht erleichtert. Die Bahn könnte einen höheren Ausnutzungsgrad verzeichnen und dadurch nicht nur eine ökologische, sondern auch ernsthafte Alternative zum Flugzeug darstellen.