Könnte sich die deutsche Wirtschaft den Verzicht auf den Handel mit China überhaupt leisten?
Das Münchner Ifo-Institut analysiert regelmäßig unsere Wirtschaft und hat bereits 2022 eine Studie herausgegeben, die zeigt, wie eng die globale Wirtschaft miteinander verzahnt ist – und was es nach sich ziehen würde, wenn wir aus ideologischen oder militärischen Gründen auf uns alleine gestellt wären.
Die Studie basiert auf einem erprobten Handelsmodell des Instituts, mit dem einige Szenarien berechnet wurden. Sie macht deutlich, dass gerade die exportorientierte Wirtschaft in Deutschland nur schwer ohne andere Länder auskommt. Auch wenn lediglich einzelne Branchen oder Produktgruppen wie Automobile betroffen wären, könnte das für die Wirtschaft einzelner Länder einschneidende Veränderungen mit sich bringen.
Die in der Studie getroffene radikalste und zugleich unwahrscheinlichste Variante, wonach Deutschland in Zukunft komplett auf sich gestellt wäre, geht vom Reshoring aus, also der Verlagerung sämtlicher Produktionsmittel ins Inland. Dadurch würde das Bruttoinlandsprodukt um 9,7 Prozent sinken.
Anders als die Zahl vermuten lässt, würde das aber vor allem in einigen wichtigen technischen Bereichen zu starken funktionalen Einschränkungen von Wirtschaft und Handel führen. Selbst bei einer Nearshoring-Lösung – also wenn man sich auf die Länder in der Umgebung beschränken würde – würde das eine BIP-Senkung von 4,2 Prozent bedeuten.
BIP-Einbruch härter als beim Brexit
Um die Zahlen mal in eine vergleichende Größenordnung zu setzen: Der Brexit hat für Deutschland, aufgrund des fortlaufenden Bestehens der Handelsbeziehungen mit den übrigen Ländern, gerade mal 0,14 Prozent Senkung der Wirtschaftsleistung nach sich gezogen. Insofern kann man sich den drohenden Wohlstandsverlust ausmalen, der mit größeren Deglobalisierungsmaßnahmen verbunden wäre.
Und damit sind wir auch bei den anderen Varianten, die die Ifo-Forscher:innen durchgespielt haben: Würde sich beispielsweise Deutschland nun aufgrund der Situation in Taiwan komplett von China abwenden, würde auch das deutsche BIP um 0,52 (und das der übrigen EU um 0,38 Prozent) sinken.
Das hat aber vor allem – ähnlich wie bei der Brexit-Konstellation – vor allem damit zu tun, dass die übrigen Handelsbeziehungen in der gewohnten oder sogar einer intensiveren Form bestehen blieben. Denn Deutschland würde in einem solchen Fall seine Importe aus dem EU-Raum um 2,25 Prozent steigern, aus den USA um 9,05 Prozent und aus dem Rest der Welt um 9,67 Prozent.
Klar ist aber, dass speziell die deutsche Automobilwirtschaft unter China-Zöllen leiden würde. So stellt auch das Insititut für Weltwirtschaft (IFW) in Kiel fest, dass die Subventionen sich alleine 2019 auf 221 Milliarden Euro, also insgesamt gut 1,7 Prozent des gesamten chinesischen Bruttoinlandsprodukts beliefen. Sie waren damit rund drei- bis viermal so hoch wie in den übrigen OECD- oder EU-Ländern.
Das ist auch der Grund, warum die EU-Kommission die deutschen E-Auto-Hersteller schützen will, ähnlich wie das die USA tun. Ursula von der Leyen spricht hier von marktverzerrenden Maßnahmen, die man mit Strafzöllen lindern will. Doch die Automobilwirtschaft würden Handelshemmnisse im Handel mit China in jeder Konstellation hart treffen. Allen voran Volkswagen, aber auch Mercedes und BMW verkaufen laut VDA rund 3,8 Millionen Autos nach China – während umgekehrt BYD, Nio und Co. gerade mal rund 41.000 Fahrzeuge nach Deutschland importiert haben.
Verzicht auf Handelspartner aus ideologischer Sicht möglich
Dennoch ist laut Marktbeobachter:innen Deutschland einer der wichtigsten europäischen Märkte für die chinesischen Hersteller und könnte daraus resultierend über Verhandlungsmacht verfügen. Doch all das zeigt, dass der Verzicht auf China deutlich größere Wellen schlagen würde als der auf Großbritannien. Hinzu käme, dass wichtige Zulieferbranchen, die Teile für den deutschen und europäischen Automobilbau bereitstellen, ebenfalls reagieren müssten.
Was sich daraus ergibt, ist zweierlei: Zunächst einmal ist es naheliegender, dass die deutsche Wirtschaft nach einem Plan B sucht, also Lieferketten auf Zulieferer aus anderen und vor allem mehreren Ländern umstellt. So ließen sich Abhängigkeiten aus bestimmten Märkten reduzieren. Gleichzeitig sollten die Unternehmen aber auch gezielt auf Partner aus Emerging Markets und Entwicklungsländern setzen, um die Zahl an möglichen Handelspartnern zu erhöhen.
Die Expert:innen raten daher zu einer „China+x-Strategie“, bei der Unternehmen vor allem auch auf Vorleistungen aus anderen Ländern bauen, um die Abhängigkeiten zu minimieren – machen damit aber auch deutlich, dass das Verzichten auf Handel mit bestimmten Staaten aus ideologischen Gründen durchaus möglich und vertretbar ist.
Fraglich ist wie lange wir noch den Luxus vom Konjunktiv in dieser Aussage genießen dürfen. Die USA provozieren wo sie nur können.