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MIT Technology Review Kolumne

Die Forderung nach Europas Souveränität ist nicht nur technischer Natur – sie ist existenziell

Eine sich verändernde geopolitische Landschaft macht Souveränität inzwischen zu einer dringenden Angelegenheit, betont unsere Kolumnistin Frederike Kaltheuner.

Von MIT Technology Review Online
3 Min.
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Was bedeutet europäische Souveränität eigentlich? (Foto: symbiot/Shutterstock)

Es ist derzeit fast unmöglich, mit dem ständigen Nachrichtenstrom von jenseits des Atlantiks Schritt zu halten. Diese Informationsflut scheint Teil einer Strategie zu sein – zu viele Nachrichten und zu viele Skandale, als dass man sie einordnen oder darauf angemessen reagieren könnte.

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Dieser Text ist zuerst in der Ausgabe 3/2025 von MIT Technology Review erschienen. Darin beleuchten wir die Chancen für Europas technologischer Souveränität mit besonderem Blick auf Künstliche Intelligenz. Hier könnt ihr die TR 2/2025 bestellen.

Trumps Sanktionen und die versteckte Warnung dahinter

Hier ist eine Geschichte, die mich nachhaltig beschäftigt hat: Im Februar ordnete Trump Sanktionen gegen den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in den Niederlanden an – das einzige globale Tribunal, das befugt ist, gegen Einzelpersonen wegen Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Völkermord zu ermitteln und sie strafrechtlich zu verfolgen. Die Verordnung sandte Schockwellen durch die internationale Menschenrechtsgemeinschaft. Was jedoch weitgehend unbemerkt blieb, war die versteckte Warnung vor der digitalen Abhängigkeit Europas, die diese Verordnung ebenfalls enthielt.

Frederike Kaltheuner

Frederike Kaltheuner berät den öffentlichen Sektor, Think-Tanks und multilaterale Organisationen zu internationaler Digitalpolitik. (Foto: Alena Schmick)

Wie viele europäische Institutionen und Unternehmen ist auch der IStGH auf Cloud-Dienste aus den USA angewiesen: Das Gericht verwendet Microsoft Azure, um KI-Funktionen in seinem Beweismanagementsystem einzusetzen. Außerdem nutzt es Microsoft 365 für E-Mails und Produktivitäts-Apps wie Word. „Wir speichern im Grunde alle unsere Beweismittel in der Cloud“, stellten Mitarbeiter des Gerichts kurz vor Verhängung der Sanktionen fest.

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Bisher wurde nur der Chefankläger des IStGH im Anhang der Verordnung namentlich genannt. Sollte der Geltungsbereich jedoch auf das Gericht selbst ausgedehnt werden, wäre die abschreckende Wirkung klar: Jeder, der mit sanktionierten Entitäten zu tun hat, läuft Gefahr, den Zugang zum US-Finanzsystem zu verlieren. Mit anderen Worten: Der IStGH könnte den Zugang zu seiner IT-Infrastruktur verlieren und wäre damit in seiner Funktionsfähigkeit stark eingeschränkt.

Statt Abhängigkeit von Amazon, Google und Microsoft, eine „souveräne europäische Cloud“

Der IStGH ist kein Einzelfall. Die Mehrheit der größten europäischen Unternehmen und ein Großteil des öffentlichen Sektors verlassen sich auf Amazon, Microsoft und Google.

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Dieses Problem ist allgemein bekannt. Die Europäische Kommission fordert seit langem eine „souveräne europäische Cloud“, aber niemand scheint sich darüber einig zu sein, was „Souveränität“ eigentlich bedeuten soll. US-amerikanische Anbieter vermarkten zum Beispiel „souveräne“ Lösungen in Europa, meinen damit aber ausschließlich lokale Datenspeicherung und Verschlüsselung.

Das Problem ist nicht nur technischer Natur – es ist existenziell. Und das Risiko, das bisher sogar gefährlich übersehen wurde: Eine radikal veränderte Weltordnung heißt, dass es mittlerweile nicht mehr undenkbar wäre, dass eine US-Regierung unter politischem oder wirtschaftlichem Druck amerikanische Unternehmen dazu zwingen könnte, die Verbindung zu Europa zu kappen. Auf einer Wettbewerbskonferenz in Brüssel im Januar dieses Jahres brachte es der CEO von Proton Mail unverblümt auf den Punkt: Wenn ein US-Präsident Dänemark unter Druck setzen wollte, Grönland zu übergeben, könnte er einfach den Stecker für US-Cloud-Dienste in Europa ziehen.

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Raus aus der US-Wolke!

Auch das zeigt: Europa muss weg von leeren Lippenbekenntnissen zu Souveränität und auf infrastrukturelle Unabhängigkeit hinarbeiten. Kein einfaches, aber dennoch ein wichtiges Unterfangen.

Über Cloud-Dienste hinaus muss Europa in seine eigene öffentliche digitale Infrastruktur investieren und monopolistische Strukturen aufbrechen. Ein wichtiger Hebel ist das öffentliche Beschaffungswesen. Wir brauchen Regeln, die es Regierungen ermöglichen, Anbieter auf der Grundlage strategischer Interessen und nicht nur nach dem Preis auszuwählen.

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Europa hat die Wahl: Entweder wir setzen den Weg der Abhängigkeit fort oder wir entwickeln unsere eigene Vision für eine digitale Zukunft, die nicht nur wirklich unsere eigene ist, sondern auch mit unseren Werten übereinstimmt.

Dieser Artikel stammt von Frederike Kaltheuner.
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