Warum die digitale Schere nach Corona größer sein wird

Durch die Coronakrise wird nicht nur das gesellschaftliche Leben auf links gedreht. Insbesondere Unternehmen bekommen die Konsequenzen der Krise deutlich zu spüren. Denn das Kundenverhalten ändert sich momentan radikal. Das thematisiert auch die Managementberatung McKinsey in ihrem aktuellen Papier zur Krise. „In vielen Fällen steigen Kunden auf digitale Kanäle um“, heißt es dort. Dieses neu erlernte Verhalten dürfte in Teilen auch nach der Krise bestehen bleiben. Gleichzeitig sei ein Nachfragestau zu erwarten, der sich nach der Krise entladen dürfte. So will McKinsey in einer Umfrage unter chinesischen Verbrauchern herausgefunden haben, dass sie die allgemeine konjunkturelle Erholung nach Covid-19 optimistisch beurteilen; über 80 Prozent von ihnen gehen davon aus, dass sie nach der Viruskrise genauso viel einkaufen wie zuvor oder sogar mehr. Dabei ist es erheblich wahrscheinlicher geworden, dass sie weiterhin über digitale Kanäle konsumieren.
Jetzt schnell digital werden?
CIO sollten Investitionen beschleunigen, die ihren Unternehmen einen Wettbewerbsvorsprung verschaffen können, so McKinsey. CIO müssten CEO dabei unterstützen, neue technologiegestützte Geschäftsmodelle zu konzipieren und schnell umzusetzen. Lebensmittelläden würden zum Beispiel Onlineshops und Lieferdienste für betroffene Bevölkerungsgruppen einrichten müssen, stellt das Papier in Aussicht.
Auch Olaf Kapinski, IT-Führungskräfte Coach und Betreiber des „Leben Führen Podcast“, ist überzeugt davon, dass die Kundschaft der Unternehmen zunehmend digital werden wird. „Auch die, die sich bisher gewehrt haben, erkennen, dass es momentan nicht anders geht.“ Diese Entwicklung würde sich auch nach der Krise bestätigen. „Digitale Prozesse sind an vielen Stellen einfacher, und so werden die Menschen dabeibleiben“, ist Kapinski überzeugt. Die Option, Unternehmen könnten jetzt die notwendige Digitalisierung aus dem Boden stampfen, hält der Coach jedoch für unrealistisch.
Die Krise ist der falsche Ansatz
„Wenn eine Firma bisher in puncto Digitalisierung nichts unternommen hat, dann hatte das konkrete Gründe“, so Kapinski. „Diese Gründe sind nicht weg – nur, weil die Krise durchs Dorf zieht.“ Der Aktionismus, der jetzt in vielen Unternehmen zu beobachten sei, rühre aus einer Art Panik heraus. Wenn die Kunden ausblieben, müsse man sich etwas einfallen lassen. Das sei jedoch kein guter Start in eine digitale Offensive. „Die Motivation, um irgendwas erfolgreich online zu machen, kann nicht sein, dass keiner mehr in den Laden kommt“, so Kapinski. Auf diese Weise bewege man sich ausschließlich „von etwas weg“. Ein solcher Ansatz reiche jedoch nicht aus, um ein Projekt erfolgreich aus dem Boden zu stampfen. Und schon gar nicht, um die Überzeugungstäter, die bereits seit einigen Jahren am Start seien, einzuholen.
Digitalisierung braucht neue Gedanken. Und Zeit
Der Antrieb dürfe nicht die Krise sein. Entscheidend für den Erfolg einer unternehmerischen Initiative sei vielmehr eine Art Sehnsucht, eine Bewegung „hin zu etwas“. Am Anfang müsse eine leidenschaftliche Idee stehen – der tiefe Wunsch, das Geschäftsmodell neu aufzubauen. „Eine Firma, die ausschließlich krisenbedingt online investiert, wird nicht die notwendige Performance auf die Straße bringen“, ist Kapinski überzeugt. „Sie wird Ausreden finden, warum irgendwas doch nicht geht.“ Eine saubere Digitalisierungsstrategie brauche nicht nur eine handfeste Überzeugung, sondern insbesondere Zeit. „So etwas machst du nicht in vier Wochen“, weiß Kapinski. Solche Projekte verlangen vielmehr einen sehr langen Atem. „Wer bisher den Zug verpasst hat, für den reicht jetzt die Zeit nicht aus, um noch aufzuspringen“, so der IT-Coach. Auf diese Weise würde Corona herauskristallisieren, wer am Markt bestehen bleibt – und wer die notwendige Veränderung nicht mitgehen könne.
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Ein kompetenter Einwurf zu aktuellen Digitalisierungsthemen und meiner Meinung nach eine sehr treffende Analyse.