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Analyse

Der digitale Schulalltag in der Praxis

Die Schulöffnungen sorgen in der Politik für Uneinigkeit. Einzige Alternative ist der digitale Unterricht. Doch der ist weit von einer einheitlichen Lösung entfernt.

Von Noëlle Bölling
5 Min.
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(Foto: Shutterstock)

Der Schulalltag wurde durch das Coronavirus Sars-CoV-2 völlig auf den Kopf gestellt. Das, was Anfang des Jahres noch undenkbar war, wurde quasi über Nacht zur Realität: Homeschooling, Arbeitsblätter per Mail und Unterricht per Video-Konferenz. Wie schlecht die Schulen in digitaler Hinsicht auf diesen Ausnahmezustand vorbereitet waren, darüber haben wir bereits berichtet. Heute werfen wir einen Blick in die Praxis.

Die Spanne zwischen Wunsch und Wirklichkeit

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Dass Schulen, die schon vor dem Ausbruch der Pandemie digital gut aufgestellt waren, jetzt einen deutlichen Vorteil haben, steht außer Frage. Auf der Website der Bundesregierung liest man beispielsweise von dem 12-jährigen Lukas, der zusammen mit seinen Mitschülerinnen und -schülern dem Biologie-Unterricht per Video-Konferenz zugeschaltet ist und heute eine Präsentation zum Thema „Wald“ halten soll. So gut wie in dem Beitrag der Regierung beschrieben, funktioniert der Schulalltag in Krisenzeiten aber längst nicht überall. Viele Lehrer scheitern schlichtweg am System. „Mit meinen Schülern halte ich derzeit per E-Mail Kontakt“, berichtet Michael Czelinski-Uesbeck, der seit 2009 als Studienrat der Rhenanusschule Bad Sooden-Allendorf tätig ist. „Ich versende Materialien und Aufgaben fürs selbstständige Lernen und Arbeiten. Seit Kurzem teste ich – erst einmal nur für mich – die Cisco-Webex-Webinar-Plattform, um bald vielleicht auch Unterricht livestreamen zu können.“ Moodle ist die Plattform, die Schulen eigentlich nutzen können und sollten. Für die Praxis ist sie jedoch kaum einsetzbar, erzählt Czelinski-Uesbeck uns. „Ich finde Moodle absolut umständlich und für den schulischen Bereich kaum praktikabel. Und das gilt übrigens für viele Lösungen, die aus den Ministerien kommen.“

Czelinski-Uesbeck, der nebenbei auch als Lehrbeauftragter an der Universität Göttingen tätig ist, setzt sich bereits seit Langem für smartere Lösungen ein. Online-Plattformen und Portale, die das Potenzial haben, den Unterricht nicht nur digital zu unterstützen, sondern langfristig zu modernisieren, gibt es inzwischen schließlich einige. „Besser geeignet wäre zum Beispiel eine Plattform wie Stud IP, die ich an der Uni für meine Seminare nutze und die einen großen Umfang hat. Momentan kämpfe ich jedoch gegen das Schulportal des Kultusministeriums, das eine Art digitales Komplettpaket für uns anbieten soll. In Wirklichkeit handelt es sich dabei aber um ein träges und umständliches System, das nicht einmal mit guten Lehrer-Apps, die es auf dem Markt bereits gibt, kompatibel ist – eine echte Totgeburt von irgendwelchen Leuten aus dem Kultusministerium.“

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Digitale Selbstbestimmungen für Schulen und Lehrer

Andere Schulen haben die Wahl. Und viele von ihnen kommen auf Online-Plattformen wie Sofatutor zu, um die fächerübergreifende und einheitliche Betreuung ihrer Schülerinnen und Schüler sicherzustellen. „Wir haben Videos, interaktive Übungen und Arbeitsblätter für alle Klassen und Fächer auf unserer Plattform, die sich an den aktuellen Rahmenlehrplänen der Bundesländer orientieren“, sagt Stephan Bayer, Gründer und Geschäftsführer von Sofatutor. Doch die Materialien sind nicht ausschließlich zum einsamen Lernen im Kinderzimmer gedacht. Die Lehrkräfte können die Aufgaben mit ihrer Klasse durchgehen oder gesehene Videos gemeinsam diskutieren. Und auch für die Hausaufgaben bietet die Plattform Sofatutor eine Lösung: „Wenn eine Schülerin oder ein Schüler Unterstützung braucht oder eine allgemeine Frage zum Lernen hat, hilft unser Chat, in dem Fragen direkt an Lehrkräfte gestellt werden können.“ Damit möglichst viele die Möglichkeit bekommen, dieses Online-Angebot zu nutzen, hat Sofatutor bereits zu Beginn der Schulschließungen allen Schulen kostenlose Accounts zur Verfügung gestellt.

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Auch Vinzenz, der die 3. Klasse einer Grundschule in Oberfranken besucht, nutzt derzeit das Online-Angebot von Sofatutor. Er hat für zu Hause keinen festen Plan von der Schule bekommen und steht mit seinen Lehrern nicht via Skype und Co. in Kontakt. Trotzdem lernt er meistens zu den normalen Unterrichtszeiten und arbeitet die Aufgaben, die er geschickt bekommt, sowohl analog als auch digital ab. „Am liebsten sehe ich mir auf Sofatutor die Lernvideos an, die die Themen gut erklären. Das macht mehr Spaß, als nur in den Arbeitsheften zu blättern“, berichtet Vinzenz. Aus diesem Grund hat er auch einen großen Wunsch für die Zeit nach Corona: „Ich wünsche mir eine bessere Mischung aus bisheriger Schulform und den digitalen Übungen. Ich würde so gerne viele Sprachen lernen. Das macht mir Spaß!“

Digitale Komplettlösungen stehen bereit

Viele Universitäten haben bereits angekündigt, das Sommersemester, das in Kürze beginnt, bis auf Weiteres in virtueller Form abhalten zu wollen. Für die Schulen scheint eine solche Option nicht zu bestehen. Diskussion über die ersten Schulöffnungen stehen bereits im Raum und sollen bald schrittweise anlaufen, zunächst für Abschluss- und Übergangsklassen. Über die genaue Umsetzung ist man sich in der Politik jedoch noch uneins. Trotzdem oder gerade deswegen scheint es viele Schulen zu geben, die am jetzigen Modell bis zum Beenden der Krise festhalten können und wollen. „Für die Zeit nach den Osterferien haben sich schon sehr viele Schulen bei uns gemeldet, die mit uns weiterarbeiten möchten“, berichtet Stephan Bayer. Michael Czelinski-Uesbeck meint zwar: „Für mich ist das Unterrichten im Kern auch immer Beziehungsarbeit und allein schon daher in großen Teilen nicht digitalisierbar.“ Trotzdem hofft auch er, dass die Coronakrise und der daraus resultierende Druck, das gesamte Bildungssystem digitaler aufstellen zu müssen, langfristig etwas bewirkt – vor allem in den Köpfen der Verantwortlichen in den Kultusministerien. „Ich teste gerade diverse Apps für digitales Schülerfeedback zum Unterricht“, erzählt er uns zum Schluss. „Die beiden Möglichkeiten, Feedback über unsere schulinternen Systeme abzugeben, sind eine Katastrophe im Vergleich zu zwei Apps, die aus der Privatwirtschaft beziehungsweise von kleinen, findigen Entwicklern stammen.“

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Genau für diese smarten Entwickler könnte die Coronakrise der Startschuss sein, damit sich ihre Ideen endlich als offizielle, digitale Lernangebote in der Praxis etablieren. Die kürzlich freigegebenen 100 Millionen aus dem „Digitalpakt Schule“ spielen dabei eine wichtige Rolle, denn sie sind das Startkapital, das es für eine flächendeckende Digitalisierung von Schülern und Schulen braucht. Doch auch hier herrscht erneute Ungerechtigkeit, erklärt uns Stephan Bayer von Sofatutor: „Leider ist noch nicht klar, wann die Gelder die Schulen erreichen, sodass viele Eltern und Kinder nach wie vor auf sich alleine gestellt sind und in vielen Fällen selbst investieren müssen. Das ist schade, denn es verstärkt die Ungerechtigkeit hinsichtlich der Bildung. Nicht jede Familie kann es sich leisten, zusätzlich Hilfe in Anspruch zu nehmen. Zu wünschen ist, dass der Digitalpakt dieses Problem bald löst. Es ist aber wohl nicht davon auszugehen, dass es dazu noch in diesem Halbjahr kommen wird.“

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