Central Bank Digital Currencies, kurz CBDC, beschreiben digitale Zentralbankwährungen, eines der aktuell am meisten diskutierten Themen der Kryptobranche und der Geldpolitik. Doch anders als bei Bitcoin, Ethereum, Ripple und Co. handelt es sich dabei nicht um unabhängige digitale Währungen, die noch dazu weitgehend anonym gehandelt werden können, sondern um digitales Geld, das unter Aufsicht der jeweiligen Zentralbank eines Landes (oder Währungsraums) ausgegeben wird und wohl zumindest über Umwege nachvollziehbar in seinen Geldflüssen bleibt.
Dazu muss man wissen, dass die Zentralbanken und die Aufsichtsgremien über das Finanzwesen am liebsten ganz auf das Thema verzichtet hätten, sich aber inzwischen dessen bewusst sind, dass sie lieber selbst entsprechende Geldinstrumente schaffen, als das Feld den freien Kryptowährungen komplett zu überlassen. EZB-Präsidentin Christine Lagarde will so „sicherstellen, dass Bürger und Unternehmen auch im digitalen Zeitalter Zugang zur sichersten Form des Geldes, dem Zentralbankgeld, haben“.
Alleine ist die EZB damit natürlich nicht. Mehr als 110 Regierungen weltweit arbeiten oder arbeiteten an insgesamt über 160 Projekten in unterschiedlichem Stadium. Dies sind neben den Industrieländern vor allem auch viele Entwicklungs- und Schwellenländer, die über ein weniger ausgeprägtes Netz an Bankfilialen, Geldautomaten und sonstiger Finanzinfrastruktur verfügen und zudem auf eine bessere Einbindung in den weltweiten Handel hoffen. Doch wirklich final sind dabei allerdings erst drei Digitalwährungen – in Jamaica, auf den Bahamas sowie in Nigeria. 14 weitere Länder befinden sich immerhin in der Pilotphase.
Elektronischer Euro: CBDC als Ergänzung zum Fiatgeld
Die Europäische Zentralbank ist hier also auch ein Stück weit in Zugzwang – auch weil einige Staaten schon einen konkreten Vorstoß im Hinblick auf die Schaffung digitaler Währungen gemacht haben, beispielsweise China, das den digitalen Yuan bereits in verschiedenen Testszenarien im Einsatz hat. In Deutschland, in der Eurozone und in vielen anderen westlichen Ländern ist man dagegen deutlich weniger begeistert von einer an den Geschäftsbanken vorbeigehenden Zweitwährung oder Währungsvariante. Denn das ist der springende Punkt: Während in unserem gut ausgeprägten Bankensystem Endkund:innen stets mit Geschäftsbanken zu tun haben, wäre es hier anders. Das E-Euro genannte digitale Zentralbankgeld wäre lediglich eine Ergänzung zum Fiatgeld, das von den Geschäftsbanken ausgegeben wird.
Der Besitzende, der:die Bürger:in, hätte gegenüber dem Staat eine direkte Forderung – doch zumindest in den westlichen Industrieländern dürfte das in der Praxis nach heutigen Verhältnissen abseits von Verschwörungserzähler:innen keinen ernsthaften Unterschied machen, weil nicht zahlungsfähige Banken stets durch verschiedene Mechanismen unterstützt oder gerettet wurden und Verbraucher:innen ganz andere Probleme haben, wenn diese Sicherungsmechanismen einmal versagen.
Digitales Zentralbankgeld nach oben gedeckelt
Der digitale Euro, der voraussichtlich in den nächsten fünf Jahren erprobt wird und dessen Einführung alles andere als sicher ist, wird nach heutigem Bekunden der staatlichen Institutionen auf wenige Tausend Euro pro Bürger beschränkt bleiben. Im Gespräch sind beispielsweise 3.000 Euro, die EU-Bürger:innen jeweils wechseln könnten – ein Betrag, der ausreichend hoch für die angestrebten Einsatzgebiete ist, aber niedrig genug, um die Einlagenerosion der Geschäftsbanken zu verhindern. Die Ausgabe wird daher auch nicht anonym, wie etwa bei Bitcoin und Co. erfolgen. Auch wenn das nicht protokolliert wird, soll es zumindest über Umwege nachvollziehbar sein. Niemand will riskieren, dass sich zusätzlich zum klassischen Bankensystem – die jeweilige Zentralbank hat die Geschäftsbanken als Partner, die wiederum die Verbraucher – ein Subsystem entwickelt.
Insgesamt würde digitales Zentralbankgeld über eine App oder spezielle Wallet gehandelt und verwahrt werden, wobei wahrscheinlich ohnehin die Banken (hierzulande etwa die Deutsche Kreditwirtschaft, DK) die Herausgeber einer solchen App wären und die Banken wohl dann doch wieder über Umwege im Boot wären. Die Infrastruktur und die dazugehörige Plattform werden derzeit ausgewählt und erprobt; auch entsprechende APIs und Services entstehen. Die EZB hat in diesem Zusammenhang bereits deutlich gemacht, dass die Regulierungsbehörden der jeweiligen Länder, im Falle Deutschlands also die Bafin, bei allen sicherheitsrelevanten Themen ein Mitspracherecht haben.
Natürlich ist davon auszugehen, dass der digitale Euro in Deutschland zu den kritischen Infrastrukturen im Sinne der Kritis-Verordnung des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) zählen wird. Darüber hinaus müssen bereits im Vorfeld der Einführung entsprechende Zahlungsverkehrsverbindungen und -anwendungen geschaffen werden, deren Vorhandensein eine der Grundvoraussetzungen für die Akzeptanz des E-Euro sein wird. Der EZB-Rat will übrigens erst in ein oder zwei Jahren über den Rechtsrahmen entscheiden. Nach all diesen Vorarbeiten ist es zwar unwahrscheinlich, dass das Projekt ganz auf der Strecke bleibt, es ist aber sinnvoll, bis dahin auftretende zusätzliche Fragen und Features gleich mit abzustimmen.
Anwendungsszenarien gibt es viele, echte USPs werden noch gesucht
Doch wozu all das überhaupt? Für den digitalen Euro gibt es eine Reihe von Einsatzgebieten – doch die meisten dürften sich im Prinzip auch mit anderen Zahlungsmitteln umsetzen lassen. Situationen, in denen mit dem digitalen Euro bezahlt werden könnte, gibt es genug: Der morgendliche Kaffee, den wir durch Auflegen des Smartphones aus einer digitalen Wallet bezahlen, die Bestellung im Onlinehandel, die wir so ohne zwischengeschaltete Kreditkartenunternehmen abwickeln können, das Parkticket oder die Maut, die unser Auto in Zukunft ohne den Umweg zum Automaten begleichen kann, eventuell auch Industrieunternehmen, die täglich einen Betrag für die Nutzung einer Maschine entrichten, der sich an der geschafften Stückzahl orientiert.
Gut zu wissen ist übrigens, dass die bereits gefassten Rahmenbedingungen der EU, beziehungsweise EZB, nicht vorsehen, dass der digitale Euro programmierbar sein wird. Die von Kritiker:innen immer wieder vorgebrachten Einwände, es könne vordefinierte Einschränkungen oder Bedingungen für die Nutzung geben, sind gegenstandslos. Uneingeschränkt wäre der digitale Euro auch noch im Hinblick auf die Akzeptanzpflicht. Der Richtlinienentwurf der EU-Kommission sieht nämlich unter anderem vor, dass der digitale Euro neben Bargeld zu einem verbindlichen Zahlungsmittel im gesamten Währungsraum wird. Das heißt, Unternehmen und öffentliche Stellen müssen den digitalen Euro als Zahlungsmittel akzeptieren, sowohl online als auch im stationären Handel. Ausnahmen und Einschränkungen sind allerdings möglich, wenn Verkäufer und Kunde – ähnlich wie heute schon beim Bezahlen mit Karte oder in bar – per Aushang eine abweichende Vereinbarung treffen.
Grundfunktionen bleiben kostenfrei für Endanwender:innen
Ein entscheidendes Alleinstellungsmerkmal, das für den Erfolg eines digitalen Euros sorgen könnte (und immerhin eine Parallele zum Bargeld zulässt) sind die Kosten. Denn der digitale Euro soll keine Kosten für die Verbraucher:innen verursachen, zumindest nicht für die Nutzung der Grundfunktionen. Damit unterscheidet sich der digitale Euro von fast allen sonstigen unbaren Zahlungsmitteln – von der Girocard über Debit- und Kreditkarten bis hin zu E-Payment-Verfahren wie Paypal, Klarna oder nationalen Lösungen. Profitieren würde hiervon sicherlich auch der stationäre Einzelhandel, der heute noch hohe Kosten für die Abwicklung von Zahlungsvorgängen tragen muss und schließlich auch beim Umgang mit Bargeld Aufwand und Risiken zu tragen hat. Wie viel die Payment Service Provider für diese Dienstleistung verlangen werden, ist allerdings noch völlig offen.
Einen Schub könnte all das insbesondere den Mikrotransaktionen bringen, die bislang in Deutschland (anders übrigens als in anderen Industrieländern) an den Kostenstrukturen der Payment Service Provider und Banken scheitern: die Parkgebühr im Parkhaus, das belegte Brötchen oder der Kaffee in der Bäckerei oder Kantine, der einzelne Internetartikel für wenige Cent – all das ließe sich ohne einen Sockelbetrag kostengünstig abrechnen, was in der Vergangenheit stets ein Gegenargument für bargeldlose Kleinsttransaktionen war.
Der digitale Euro soll in elektronischen Geldbörsen (Wallets) aufbewahrt werden, in denen zumindest für eine gewisse Zeit keine Internetverbindung für Zahlungen benötigt wird, was in einigen ländlichen Gebieten ein entscheidender Faktor sein kann. Bei Offline-Zahlungen mit elektronischem Euro wären die Zahlungsdetails aus Gründen des Datenschutzes ausschließlich dem Zahlenden und dem:der Zahlungsempfänger:in bekannt. Neben den elektronischen Geldbörsen auf Mobiltelefonen oder anderen mobilen Endgeräten wird es im Sinne der finanziellen Inklusion auch für Menschen ohne Smartphone eigenständige Geldbörsen in Form von Scheckkarten geben. Personen, die weder über ein Bankkonto noch über ein digitales Gerät verfügen, werden ebenfalls in der Lage sein, mit dem digitalen Euro zu bezahlen, indem sie eine physische Karte verwenden, die von öffentlichen Intermediären (zum Beispiel Postämtern) zur Verfügung gestellt wird.
CBDC: Der weite Weg zum digitalen Euro
Werden wir also in ein paar Jahren mit dem digitalen Euro bezahlen können? Das ist noch alles andere als sicher, aber die Zentralbanken der Euroländer erproben das Konzept wenigstens ausführlich. Nach der Vorbereitungsphase wird es noch eine Betaphase mit nach und nach hinzukommenden Anwendungen und entsprechenden APIs für die Banken, den Präsenzhandel und den E-Commerce geben. Somit wird es wohl mindestens bis 2027 oder 2028 dauern, bis wir flächendeckend mit dem digitalen Euro bezahlen können. Wenn es dazu wirklich kommt, könnte der digitale Euro als elektronische Zentralbankwährung eine weitere Variante sein, die unkomplizierter zu handhaben sein wird als andere elektronische Zahlungsmittel. Andererseits existieren ja bereits zahlreiche bargeldlose Alternativen, auch wenn keine (zumindest nach heutiger Offenheit des Konzepts) so allumfassend und flächendeckend im gesamten Euroraum nutzbar ist.
Mehr als ein Me-too-Produkt wäre der digitale Euro vor allem bei kleinen Beträgen und bei Zahlungsvorgängen zwischen Maschinen, wenn also etwa das Auto fürs Parkticket bezahlt. Auch wenn Whistleblower und Datenschutzexperte Edward Snowden harte Kritik an dem Konzept der digitalen Zentralbankwährungen übt und digitale Währungen als eine Gefahr sieht, tun die Befürworter:innen viel dafür, das Vertrauen der Verbraucher:innen zu gewinnen.
Die Frage, inwieweit der elektronische Euro das physische Bargeld verdrängen könnte, wird auch in den kommenden Jahren noch für viel Diskussionsstoff sorgen. Bemerkenswert ist, dass diese Diskussion vor allem in jenen EU-Staaten geführt wird, in denen das Bargeld noch lange kein Auslaufmodell ist, während Staaten wie die Niederlande oder die baltischen Staaten hier deutlich gelassener verfahren. In der Slowakei beispielsweise wurde aus Sorge, der digitale Euro und andere Verfahren könnten das Bargeld verdrängen, das Recht auf Barzahlung in der Verfassung verankert. Allerdings hat die EU-Kommission in ihrem Vorschlag für eine Richtlinie über den digitalen Euro klargestellt, dass der digitale Euro nur eine weitere Option ist, die die bestehenden Zahlungsmittel ergänzen und nicht ersetzen soll. Somit ist der digitale Euro weder als Kampfansage an die in den einzelnen Staaten etablierten bargeldlosen Lösungen (wie etwa bei uns die Girocard) zu verstehen, noch steht das Bargeld als verbreitetes Zahlungsmittel zur Disposition.