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Ratgeber

Digitaler Produktpass: Bürokratiemonster oder sinnvoller Schritt zur Kreislaufwirtschaft?

Nach Lieferkettengesetz und Nachhaltigkeitsberichtspflichten kommt in zwei Jahren noch die Auflage auf Unternehmen zu, einen digitalen Produktpass einzuführen. Was es damit auf sich hat und warum das Thema im Idealfall auch für die Kund:innenbindung förderlich ist.

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Nicht nur bei Bekleidung spielen die Lieferketten eine wichtige Rolle. Der digitale Produktpass soll in Zukunft Klarheit über Herkunft bringen. (Bild: Africa Studio / Shutterstock)

Onlinehändler:innen und Hersteller:innen von Produkten haben es aktuell nicht leicht mit der EU-weiten Bürokratie: erst das Lieferkettengesetz und die Nachhaltigkeitsberichtspflichten – und bald kommt auch noch die Auflage hinzu, einen digitalen Produktpass (DPP) führen zu müssen.

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Der digitale Produktpass soll dafür sorgen, dass nachvollziehbare Nachhaltigkeit im Lebenszyklus von Waren und Produkten möglich wird, indem er über Herkunft, Herstellung und alle Wege eines Produkts informiert. Bei einem digitalen Produktpass handelt es sich um einen Datensatz, der die Bestandteile, die Materialien und die Inhaltsstoffe eines Produkts zusammenfasst, aber auch Angaben zur Reparierbarkeit, zu Austauschbarkeit und Beschaffung von Ersatzteilen oder zur ordnungsgemäßen Entsorgung enthält. Die Angaben beziehen sich auf alle Phasen des Produktlebenszyklus und können in allen Stadien (Design, Herstellung, Nutzung, Entsorgung) für unterschiedliche Zwecke verwendet werden.

Die Europäische Kommission will mit dem digitalen Produktpass bewirken, dass im europäischen Binnenmarkt mehr umweltfreundliche Produkte zugelassen und in Verkehr gebracht werden. Dies legt die EU-Kommission für verschiedene Produktkategorien individuell fest. Ab 2026 sollen die ersten DPP verpflichtend eingeführt werden – zunächst bei Batterien.

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Digitaler Produktpass: Was drin steht, ist noch strittig

Noch ist nicht klar, welche Informationen der digitale Produktpass jeweils enthalten muss, doch es darf davon ausgegangen werden, dass hierzu in nächster Zeit noch reichlich gestritten und lobbyiert wird. Ideen dazu gibt es viele: Etwa, wo das Produkt herkommt, wer es unter welchen Arbeitsbedingungen hergestellt hat, aus was es hergestellt wurde und welche Zwischenstationen es auf seinem Weg bis zum Verkauf durchlaufen hat. Aber auch, wie es funktioniert, gewartet, instand gesetzt, wiederverwertet und endgültig entsorgt werden kann. Darüber hinaus enthält der DPP auch bürokratische Informationen, wie Zertifikate, Begleitpapiere oder notwendige Angaben für den internationalen Warenverkehr, die Anforderungen des Lieferkettengesetzes oder Angaben zum ökologischen Fußabdruck.

Parallel dazu treibt die EU bereits erste Ansätze für Produktpässe in den Bereichen Textilien, Automobile und Elektrogeräte voran. Nach einer Schätzung der Unternehmensberatung Deloitte werden EU-weit jährlich fünf Billionen DPP ausgegeben, was die Tragweite der neuen Verordnung erahnen lässt.

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Bringt der DPP mehr Rechtssicherheit?

Denkbar ist damit aber auch mehr Rechtssicherheit für Käufer:innen von Gebrauchtprodukten, etwa im Zusammenhang mit Refurbished-Ware oder Privatverkäufen. Denn hier war der Kauf in der Vergangenheit stets gerade bei Unterhaltungselektronik, die in unterschiedlichen Märkten andere Eigenschaften und Funktionalitäten aufweisen konnte, ein Risiko. Ob und in welchem Maße hier in Zukunft Fälschungen wie wir sie in der Automobilwirtschaft kennen möglich sein werden, bleibt abzuwarten.

Technisch sollten die digitalen Produktpässe in Form von NFC-Chips oder QR-Codes mit dahinterliegenden Datenbanken realisiert werden, die alle wichtigen Informationen zu einem Produkt zusammengefasst beinhalten. Profitieren sollen davon Hersteller:innen und Lieferant:innen, aber natürlich auch Behörden und Zöllner:innen. Auch Verbraucher:innen und Verbraucherschützer:innen können diese einfach auslesen. Dabei sollen die Daten für den DPP bereits während der Produktion gesammelt und aufgespielt werden – das ist vor allem dann anspruchsvoll, wenn die Produktion über verschiedene internationale Standorte verteilt ist.

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Betreffen soll all das nicht nur Großserien oder individuelle hochwertige Industrieanlagen, sondern beispielsweise auch Maßanfertigungen bei Bekleidung und Schuhen. Thomas Rödding, CEO beim Tech- und Sustainability-Unternehmen Narravero aus Münster erklärt das folgendermaßen: „Stellt ein Unternehmen etwa in einem einzigen Auftrag 100.000 identische Paare Sportschuhe her, die alle dieselbe Lieferkette durchlaufen, reicht ein einziger Produktpass für alle Exemplare aus. Stellt das Unternehmen aber zum Beispiel Anzüge auftragsbezogen und in Handarbeit her, mit jeweils unterschiedlichen Lieferketten der einzelnen Bestandteile, dann benötigt jedes Paar Schuhe einen separaten DPP.“ Bei langlebigen Produkten, die reparierbar sind – zum Beispiel, wenn es um eine neue Sohle für gute, handgearbeitete Schuhe geht – und die eine Lebensgeschichte entwickeln, gestalte sich das Management der Informationen sehr anspruchsvoll.

Digitaler Produktpass als Chance für Loyalty-Programme

Während viele Unternehmen mehr Bürokratie befürchten und davon ausgehen, dass all das vor allem Zeit und Geld kosten wird – und insbesondere einige ausländische Player Wettbewerbsvorteile haben, weil nicht flächendeckend hingesehen wird –, sieht Thomas Rödding, das Thema auch als Vorteil: „Wenn Unternehmen die Sache richtig anpacken, können sie aus den lästigen Pflichten mit geringem Aufwand echte Wettbewerbsvorteile ziehen. Denn der DPP erlaubt es, dass Marken langfristig mit den Menschen kommunizieren.“

Er sieht somit Chancen im Marketing und in der Loyalty und stellt sich vor, dass Produkte Tipps zur Nutzung vermitteln, über Zusatzangebote informieren oder gar die Kund:innenbindung forcieren helfen. Rödding wirbt daher dafür, das Thema in den Unternehmen nicht nur als lästige Pflicht zu sehen, mit der sich IT und Rechtsabteilung beschäftigen, sondern möglichst gleich zu prüfen, wie Marketing, Kommunikation und Vertrieb mitspielen.

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Doch bis es dazu kommt, dürften die Politik und entsprechende Dienstleister wie Narravero noch reichlich Aufklärungsarbeit leisten müssen. Doch Rödding, der so „DPP-as-a-Service“ anbieten will, sieht vor allem die Vorteile der Kreislaufwirtschaft und hofft, dass auch die jetzt schon geltende Ökodesign-Verordnung zu mehr Nachhaltigkeit beiträgt. Sein Credo – „Die Wegwerfgesellschaft wird Vergangenheit. Reparieren, Aufrüsten und Recyceln werden die Norm.“ – ist eher noch ein Wunsch als die Realität. Prinzipiell ist das also eine sinnvolle Initiative, aber warten wir ab, ob es der Europäischen Kommission gelingt, hier einen guten Kompromiss zwischen Umweltschutz und Nachhaltigkeit und wirtschaftlichen Interessen zu finden.

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