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Analyse

Kliemann und Masken: Was wusste About You – hätte das Lieferkettengesetz geholfen?

Der Fall um Fynn Kliemann und die in Bangladesch und Vietnam gefertigten Masken bleibt rätselhaft. Wie viel und was genau wusste die Geschäftsführung des Versenders About You darüber, dass die Masken entgegen der Angaben doch nicht in Europa produziert wurden?

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Fynn Kliemann. (Foto: Hauke-Christian Dittrich/ picture alliance)

Vor zehn Tagen veröffentlichte das ZDF Magazin Royale eine im üblichen Jan-Böhmermann-Stil aufbereitete Geschichte über den Unternehmer, DIY-Spezialisten und Influencer Fynn Kliemann, der bei Deals mit Schutzmasken betrogen haben soll. Dabei geht es vor allem um die Herkunft der angeblich in Europa gefertigten Masken, die letzten Endes tatsächlich aus Bangladesch und Vietnam kamen. Sie wurden offenbar zu deutlich niedrigeren Löhnen gefertigt und entsprachen zumindest in den ersten Chargen qualitativ nicht den Erwartungen der Beteiligten.

Vertrieben wurden diese über Global Tactics vermittelten Masken unter anderem über About You, wobei CEO Tarek Müller in einem Tweet vom 6. Mai (der Freitag der Ausstrahlung des ZDF Magazin Royale) erklärte, er und das Unternehmen About You hätten von den Umständen nichts gewusst. „Dass die Masken teilweise nicht in Europa produziert wurden, war uns bis heute nicht bekannt und wir haben den Fall unverzüglich intern geprüft, um uns ein genaues Bild zu machen.“ Inzwischen hat About You zwar die Oderso-Masken aus dem Sortiment genommen und die Zusammenarbeit mit Kliemann beendet, doch es bleiben Fragen offen.

Hätte About You wirklich Hinweise gehabt?

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Denn das ZDF und der Spiegel erklären, ein Vermittler habe About You bereits im August 2021 anhand entsprechender Papiere auf eine mögliche Straftat hingewiesen. Die Papiere enthielten im Anhang („Avisierung Vietnam – Teillieferung Vietnam“) umfassende Details zu der Lieferung und mindestens im Mailverkehr wies der Vermittler gesondert auf die Widersprüche hin. Wenn also Kliemann und sein Geschäftspartner Tom Illbruck erklären, dass sie alle Abnehmer der Masken über deren unterschiedliche Herkunft auch außerhalb der EU informierten und Tarek Müller behauptet, dies bis vorvergangene Woche nicht gewusst zu haben, wirft das Fragen auf. „Nach den uns vorliegenden Informationen hat uns Global Tactics weder im Jahr 2021 noch danach darüber informiert, oder uns darauf hingewiesen, dass die Masken außerhalb Europas hergestellt werden“, erklärte Müller vor einigen Tagen.

Bezüglich des sich daraus ergebenden Widerspruchs haben wir erneut bei About You nachgefragt. Eine Unternehmenssprecherin erklärt, man habe aufgrund besagter Aussagen in dem Spiegel-Artikel noch einmal gezielt nach dem erwähnten Dokument gesucht und dieses im Anhang einer Mail vom August 2021 gefunden, die bei einer Mitarbeiterin im Einkaufsbereich eingegangen sei. „In dieser E-Mail ging es um eine Anfrage eines Unternehmens, das sich in einem Rechtsstreit mit der Firma Global Tactics um unbezahlte Rechnungen befand und um die Übermittlung von Unterlagen zu Beweiszwecken bat.“

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Da About You mit dem anfragenden Unternehmen aber keinerlei Geschäftsbeziehungen unterhielt, habe man die Anfrage auf Herausgabe von Unternehmensinterna abgelehnt und auch aufgrund des thematisch anderen Kontextes keinen Anlass gesehen, sich mit den Details des Vorgangs zu beschäftigen oder die E-Mail-Anhänge genauer zu sichten. Eine Aussage, die durchaus nachvollziehbar ist – insbesondere da das Thema offenbar nicht in die Geschäftsführung oder zumindest in die Compliance-Abteilung eskaliert wurde. Besagte Empfängerin sei seit Ende 2021 nicht mehr bei About You beschäftigt und weitere Mitarbeiter:innen waren in den Vorfall wohl nicht involviert.

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Worüber es laut der ZDF-Recherche aber Bilder gibt, sind die (einzelnen) Herkunftsangaben auf dem Karton, auch wenn diese in der Regel vermieden wurden. Unklar ist hierbei allerdings, wo welche Kartons landeten, also ob About You diesbezüglich hätte misstrauisch werden können. Klar ist, dass solche Kartons bestenfalls irgendwo im Lager auftauchen. Dass Mitarbeiter:innen dort Verdacht schöpfen und im konkreten Fall die Sache hätten eskalieren können, darf bezweifelt werden.

Lieferkettengesetz: Prinzipiell hilfreich, aber …

Eine weitere Frage betrifft eher die Zukunft und das ab 2023 geltende Lieferkettengesetz. Hätte die ganze Geschichte anders laufen können und müssen, wenn es ein Lieferkettengesetz schon 2020 gegeben hätte? Gut möglich, denn vieles wird hier bezüglich Herstellung, Zulieferung und Vertrieb genauer dokumentiert, sodass die Schwelle für derartige Ungereimtheiten und Betrugsfälle deutlich höher ist. Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), wie es ganz offiziell heißt, nimmt Unternehmen in die Pflicht, die Lieferkette nachvollziehbar zu machen – es könnte in Fällen wie dem genannten zu einer veränderten Auswahl der Zulieferer beitragen. Allerdings schützt auch das neue Gesetzeswerk zum einen erst ab einer Mitarbeiter:innenzahl von 3.000 (ab 2024 1.000) und nicht vor böswilligem Betrug, auch wenn solche Erklärungen wie die von Fynn Kliemann, niemand hätte da genau nachgefragt, obsolet sein dürften.

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Unterm Strich wird also noch zu klären sein, wer was verschwiegen hat und wer nicht genau nachgefragt oder sogar weggeschaut hat. Bislang deutet vieles darauf hin, dass der Fall Kliemann in den nächsten Jahren in vielerlei Dimensionen die Gerichte beschäftigen wird. Die Frage, inwieweit About You schon vor den Veröffentlichungen der letzten Wochen davon Kenntnis hatte, wird wohl bestenfalls dort zu klären sein.

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