Digitalisierung der Arbeitswelt: Wie Unternehmen ihre Mitarbeiter auf den Wandel vorbereiten
Die Diskussion zur Digitalisierung deutscher Großunternehmen und Mittelständler konzentriert sich immer häufiger auch auf den Abbau von traditionellen Aufgaben und Jobs, die zukünftig vermutlich von Maschinen oder Algorithmen übernommen werden und den deutschen Arbeitsmarkt in ein Endzeitszenario stürzen könnten. Mal abgesehen von den vielen Faktoren, die ein solches Szenario mit beeinflussen, fehlen meist ernstzunehmende, umsetzbare Ansätze zur Vorbereitung der Mitarbeiter auf die kommenden Veränderungen. Gibt es derzeit überhaupt schon greifbare Initiativen, die den Mitarbeitern die Chance zur Weiterbildung eröffnen? Was muss geschehen, damit die Unternehmen nicht nur neue Technologien und Geschäftsmodelle sinnvoll implementieren, sondern auch ihre Mitarbeiter erfolgreich in die Digitalisierung mitnehmen?
Unternehmensführung und die Frage nach dem Warum
Mangelndes Wissen der Mitarbeiter wird von Unternehmensvertretern als eines der größten Hemmnisse der erfolgreichen Digitalisierung angeführt. Während also viele Führungskräfte mit den Fingern auf die unflexiblen Mitarbeiter zeigen, tut sich eine Kluft zwischen Anspruch und Realität auf. Die Führungsriegen stoßen bisher nur wenige wirklich sinnvolle Maßnahmen an, um ihre Mitarbeiter weiterzubilden. Häufig herrscht der Irrglaube vor, dass sich die Mitarbeiter schon von allein kümmern und weiterbilden werden, um für die Zukunft gewappnet zu sein. Und notfalls verlassen sie das Unternehmen, wenn es überhaupt keine passenden Aufgaben mehr gibt. Diese Herangehensweise wird allerdings große Verluste für die Unternehmen einbringen.
Simon Sinek hat es schon vor Jahren auf den Punkt gebracht: Wenn man Menschen für eigene Ziele begeistern, sie mitreißen und sich ihrer Unterstützung sicher sein will, dann muss man die Frage nach dem „Warum?“, nach dem Zweck der eigenen Arbeit und des Unternehmens, beantworten können. Im Rahmen der digitalen Transformation diskutieren wir allerdings die meiste Zeit nur über das „Was?“ (Unternehmen müssen digitaler werden) und das „Wie?“ (Unternehmen müssen digitale Kompetenz aufbauen und Veränderungsprozesse anstoßen), aber wenig oder gar nicht über das Warum. Warum sind diese Veränderungen für jedes einzelne Unternehmen neben dem puren wirtschaftlichen Überleben so wichtig? Warum ist die Digitalisierung so herausfordernd und gleichzeitig eine große Chance für Unternehmen? Warum sollen sich Mitarbeiter die Mühe machen und neue Fähigkeiten erlernen, wo sie doch ihr bisheriges Arbeitsleben gut ohne diese ausgekommen sind?
Das Verharren in der eigenen Komfortzone ist menschlich, jede Veränderung ist schmerzhaft. Der Status quo ist besser zu navigieren. Gleichzeitig ist diese Komfortzone auch der Feind jedweden Fortschritts und wird bei vielen Unternehmen entscheidend sein, um den digitalen Wandel erfolgreich voranzutreiben. Nicht auf Führungsebene, sondern auch bei den Mitarbeitern. Besonders in den Großkonzernen und mittelständischen Unternehmen aus der produzierenden Industrie mit bisher anfassbaren Produkten und klaren Zielgruppen ist dieser Wandel schmerzhaft. Die Mitarbeiter trifft es auf allen Ebenen. Nicht nur die Produkte werden digitaler – das fängt schon bei der Innenausstattung eines Autos an –, sondern auch die Produktionsprozesse, Marketing, Vertrieb und vieles mehr.
Mitarbeiter als wichtigster Baustein in der Digitalisierung
Nicht die Technologien, sondern die Mitarbeiter sind der wichtigste Baustein für die erfolgreiche Digitalisierung eines Unternehmens. Man kann es nicht oft genug betonen: Die Mitarbeiter müssen verstehen, dass ihre Weiterentwicklung essenziell wichtig für das Überleben des Unternehmens ist, dass ihre Unterstützung maßgeblich zum Erfolg des Unternehmens in der Digitalisierung beitragen wird.
Die Führungsebene eines Unternehmens muss deshalb ihre Mitarbeiter für den Weg in die Digitalisierung begeistern. Nicht nur das Was und Wie muss für die Mitarbeiter klar sein, sondern an erster Stelle das Warum. Die Mitarbeiter müssen verstehen, warum zum Beispiel eine digitalisierte Produktion notwendig ist und warum neue Software-Tools zur Optimierung bestehender Prozesse eingesetzt werden. Nur dadurch ist es möglich, die Mitarbeiter sinnvoll in den Wandlungsprozess einzubinden und diese währenddessen nicht zu verlieren. Die Unternehmensführung muss dabei auch ein ganz klares Vorbild sein und diesen Wandel vorleben, statt ihn nur von oben vorzugeben. Gleichzeitig müssen Ängste vor den anstehenden Veränderungen kontinuierlich abgebaut und die Begeisterung für neue Themen geschaffen werden. Die Mitarbeiter müssen das Gefühl haben, dass sie mit ihren Sorgen gehört werden und dass ihnen unter den neuen Gegebenheiten eine Chance und Zeit zur Weiterbildung und -entwicklung eingeräumt werden.
Klare, authentische und vertrauensvolle Kommunikation ist ein guter Anfang. Wichtig ist außerdem die Sicherung des Wissens der langjährigen, treuen Mitarbeiter. Deren Loyalität und Erfahrung muss honoriert und gesichert werden. Eine Analyse der Fähigkeiten der einzelnen Mitarbeiter oder Teams hilft dabei, deren Stärken und mögliche zukünftige Einsatzbereiche in der neuen, digitalisierten Umgebung zu definieren. Das Management muss den Mitarbeitern glaubhaft vermitteln, dass es für sie zukünftig einen Platz und sinnvolle Perspektiven gibt.
Es hilft sicherlich, jüngere Mitarbeiter ins Unternehmen zu holen, die sich schnell an neue Entwicklungen anpassen können. Doch ihnen fehlt die langjährige Erfahrung im Unternehmen, und durch die sinkenden Geburtenraten wird es in Zukunft noch größere Kämpfe um wirklich talentierten Nachwuchs geben. Eine Kombination ist also wichtig: junge Mitarbeiter mit frischen Ideen, schneller Auffassungsgabe und hoher Anpassungsfähigkeit und erfahrene Mitarbeiter, die mit ihrem über lange Jahre aufgebauten Know-how das Unternehmen stabil halten.
Wenn also zum Beispiel U.I. Lapp in der Weiterbildung effizientere, von Mitarbeitern mitbestimmte und videogestützte Lerneinheiten anbietet, ist das ein erster guter Schritt, aber das Potenzial ist noch längst nicht voll ausgeschöpft. Die Deutsche Kreditbank zieht auch mit Maßnahmen zur Veränderungsbereitschaft und so genannter Crowd-Innovation nach, um ihre Mitarbeiter in der überholten Bankenbranche auf die Zukunft vorzubereiten. Auch da gilt: Gute erste Maßnahmen, aber noch längst nicht ausreichend, um die Mitarbeiter sinnvoll weiterzubilden.
Die Unternehmen schöpfen – zumindest derzeit – die möglichen Maßnahmen bei weitem nicht aus. Neben ersten Vorreitern gibt es zahlreiche Unternehmen, bei denen die Digitalisierung zwar auf allen Ebenen diskutiert wird, jedoch die Vision in der Führung fehlt, um diese wirklich in der täglichen Arbeit umzusetzen und die Mitarbeiter aus der alten in die neue Arbeitswelt zu bringen. Die Führungskräfte der Unternehmen müssen alle Mitarbeiter für die Unternehmensvision begeistern und konkrete Maßnahmen umsetzen, die die Mitarbeiter tatsächlich auf die Digitalisierung vorbereiten und nicht nur eine leere Hülle sind. Diese Maßnahmen müssen auf den vorhandenen Erfahrungen der Mitarbeiter aufbauen, realistische Perspektiven aufzeigen und den Mitarbeitern neue Kompetenzen an die Hand geben, mit denen sie ihren Platz im digitalisierten Unternehmen finden können.
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