Warum wir bei aller Digitalisierung nicht die Barrierefreiheit vergessen dürfen
Laut WHO haben 15 Prozent der Menschen weltweit eine Behinderung – alleine in Deutschland lebten 2019 10,4 Millionen behinderte Personen in Privathaushalten. Behinderung ist aber nicht gleich Behinderung: Der Begriff umfasst chronische Krankheiten, Neurodiversität oder geistige, sensorische sowie körperliche Beeinträchtigungen. 70 Prozent der Behinderungen sind unsichtbar. Dazu zählen beispielsweise Seh- und Hörbeeinträchtigungen, Multiple Sklerose, Depressionen und Epilepsie.
Teilhabe fördern – mit barrierefreien Arbeitsplätzen
Menschen mit Behinderung machen einen beträchtlichen Anteil in unserer Bevölkerung aus. Dennoch stoßen sie nach wie vor auf zahlreiche Hürden, die sie an einer aktiven Teilhabe in der Gesellschaft hindern. Das zeigt sich unter anderem im Berufsleben. Im Jahr 2019 lag die Quote der Berufstätigen oder Arbeitssuchenden unter den Menschen mit Behinderung in Deutschland bei 57 Prozent, bei Personen ohne Behinderung bei 82 Prozent. Die Wirtschaft hat also noch einiges aufzuholen, um Hindernisse zu beseitigen und das Arbeitsumfeld für alle zugänglich zu gestalten. Dabei zahlt sich Barrierefreiheit aus: Unternehmen mit inklusiven Kulturen weisen laut der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte eine niedrigere Fluktuationsrate sowie eine höhere Produktivität, Rentabilität und Kundenzufriedenheit aus. Firmen sollten daher sicherstellen, dass es in ihren Strukturen und in ihrer internen sowie externen Kommunikation keine Hindernisse gibt, die Menschen davon abhalten könnten, auf Inhalte und Formate zuzugreifen oder sie zu nutzen.
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Das digitale Arbeitsumfeld inklusiv gestalten
Vielfalt und Inklusion (Diversity & Inclusion, D&I) bezieht sich mittlerweile nicht nur auf den Firmenstandort. Unser Arbeitsleben hat sich in den letzten Jahren stark verändert und immer mehr in den digitalen Raum verlagert. Das Coronavirus sorgte für eine Beschleunigung dieser Entwicklung: 45 Prozent aller Berufstätigen in Deutschland arbeiteten während der Pandemie im Homeoffice. Im Büro achteten viele Unternehmen – zumindest bei sichtbaren Behinderungen – darauf, Arbeitsplätze für alle zugänglich und nutzbar zu gestalten. Barrieren bei Online-Meetings, auf Websites oder in E-Mails werden dahingegen meist weder erkannt noch beseitigt.
Laut Inklusionsbarometer des Handelsblatt Research Institutes im Auftrag der Aktion Mensch waren in den vergangenen beiden Jahren deutlich mehr Menschen mit Behinderung arbeitslos als vor der Krise, die Quote erreichte zuletzt das Niveau von 2016. Den zaghaften Fortschritt in Sachen Inklusion hat die Pandemie also teilweise wieder zunichte gemacht – und das hat zweifelsfrei auch mit der verstärkten Nutzung von Online-Tools und der mangelnden Barrierefreiheit dabei zu tun. Eine Umfrage von Sapio Research zum Thema Inklusion und Diversität in einem hybriden Arbeitsumfeld zeigt: Nicht einmal die Hälfte der deutschen Unternehmen – und damit deutlich weniger als im internationalen Vergleich – hat seine D&I-Initiativen hinreichend an neue digitale Arbeitsumfelder angepasst.
Die Lücke zwischen Eigenwahrnehmung und Wirklichkeit klafft vielerorts also noch weit auseinander. Während sich viele Unternehmen Inklusion als hochpriorisiertes Ziel auf die Fahnen geschrieben haben, steht die Umsetzung oft noch am Anfang. Dass immer noch viele Vorstände und Führungskräfte D&I als unwichtig erachten – in einer Studie von Odgers Berndtson trifft das auf ein Drittel der Befragten zu – verdeutlicht, dass nach wie vor ein flächendeckendes Umdenken auf Führungsebene nötig ist.
Technologie als Schlüssel zum Erfolg
Oft endet die Teilhabe sehbehinderter Menschen bei Online-Präsentationen schon mit dem Satz „Das gehe ich jetzt nicht mehr durch, das können Sie ja einfach nachlesen.“ Dabei helfen gerade digitale Technologien dabei, die Lebensqualität von Personen mit Behinderung erheblich zu verbessern. Beispielsweise mit Alternativtexten bei Bildern, Orientierungspunkten auf Websites für die Tastatursteuerung oder Screenreader-optimierten Präsentationen. In einer inklusiven und hybriden Arbeitswelt ist Technologie deshalb der Schlüssel zum Erfolg. Viele Entscheider:innen sind sich dieses Potenzials bereits bewusst – laut einer Workday-Studie setzen mehr als 90 Prozent der Befragten auf den Einsatz von Technik bei der Durchsetzung ihrer D&I-Strategie. Doch nur ein Drittel von ihnen tut dies kontinuierlich. Das veranschaulicht die fehlende Konsequenz, mit der Inklusion vorangetrieben wird. Trotz guter Vorsätze beschränken viele Unternehmen D&I sehr stark auf Recruiting oder eine allgemeine Sensibilisierung für das Thema, vernachlässigen dabei aber konkrete Maßnahmen. Häufig fehlt es auch an den entsprechenden Kenntnissen, wie Fördermöglichkeiten und Unterstützungsleistungen in der Praxis aussehen können. Laut Inklusionsbarometer ist hier noch einige Aufklärungsarbeit zu leisten.
Flexible Arbeitsumgebungen für mehr Gleichberechtigung
All diese Punkte belegen, dass es in Deutschland bei der Bereitstellung von barrierefreien, digitalen Arbeitsmodellen noch viel Potenzial gibt. Auch wenn langsam immer mehr Menschen ins Büro zurückkehren, haben wir dank der Corona-Pandemie eines gelernt: Viele Einflussfaktoren, die unseren Arbeitsalltag grundlegend verändern, sind nicht vorhersehbar. Umso wichtiger ist es, ein inklusives Arbeitsumfeld zu schaffen, das sich flexibel an jede Situation anpasst, egal, von wo aus wir arbeiten. Neue Technologien bieten – richtig genutzt – hierfür einen zentralen Mehrwert. Sie tragen entscheidend dazu bei, dass alle Menschen gleichberechtigt den Arbeitsalltag meistern können.