Der Föderalismus hat in bestimmten Bereichen seine Vorteile – er kann dafür sorgen, dass bestimmte Dinge, die von Bundesland zu Bundesland verschieden sind, jeweils unterschiedlich und angemessen gehandhabt werden. Und doch haben es gerade heute, zum Start des Distanzunterrichts nach den Weihnachtsferien, die Bundesländer in einer seltenen Einheitlichkeit geschafft, zu versagen. Mit Moodle und iServ, mit Bigbluebutton und Microsoft Teams oder Jitsi – viele berichten von generell nicht erreichbaren Servern, von 502-Bad-Gateway-Fehlermeldungen und bestenfalls von Verbindungen mit Aussetzern. Am zuverlässigsten arbeiteten offenbar noch die Lösungen großer Anbieter von der Stange. So hielten sich die Probleme mit Microsoft Teams wohl im Rahmen, wenn man die Nachrichten bei Twitter aus den einzelnen Bundesländern (auch hier) so liest.
Doch warum ist das so? Warum haben die Schulen aus dem ersten Lockdown im Frühjahr so wenig gelernt, dass sie offenbar „Besseres zu tun“ haben, als für diesen Stichtag die Systeme so fit zu machen, dass sie auch dem erwartbaren großen Ansturm standhalten? Bayerns Kultusminister Michael Piazolo hatte bereits im Dezember erfahren müssen, dass die dortige Lernplattform Mebis zum Start des Unterrichts im Lockdown kapitulierte. Das veranlasste den Minister vergangene Woche allerdings nur dazu, die Schüler aufzufordern, sich heute Morgen nicht dort einzuloggen.
An den fehlenden finanziellen Mitteln liegt es ausnahmsweise mal nicht: Insgesamt bis zu 7 Milliarden Euro sind im Rahmen des Schulpakts Digitalisierung für die nächsten fünf (genau genommen sogar sieben) Jahre genehmigt worden – doch nur ein Bruchteil davon wurde bislang abgerufen. Und das, obwohl spätestens seit März klar sein dürfte, dass die Corona-Pandemie nicht nur kurzfristig Schüler und Lehrer ins digitale Klassenzimmer zwingen wird!
Im Kontext der Digitalisierung unserer Schulen hat sich aber heute einmal mehr gezeigt, wie problematisch es ist, wenn jedes Bundesland – im konkreten Fall auch oft noch einzelne Oberschulämter und deren Rechenzentren – ihr eigenes Süppchen kochen. Denn teilweise arbeiten schon im selben Ort die Schulen je nach Schulträger mit unterschiedlichen Systemen und Anwendungen. Anstatt die Kräfte zu bündeln, wird munter parallel entwickelt.
Unternehmen machen es vor, die Schulen nicht nach
Ein Dienstleister in diesem Segment berichtet, dass Entscheidungen im öffentlichen Sektor extrem zäh verlaufen würden, insbesondere wenn es um die Umsetzung von Datenschutzrichtlinien gehe. Trefflich streiten lässt sich dabei über die Strategie einer Schul-Cloud, über die zu wählende Plattform und nicht zuletzt auch über die einzelnen Anwendungen, die datenschutzrechtlich genehm sind. In den meisten Bundesländern ist man sich darüber einig, dass Zoom datenschutzrechtlich nicht in Ordnung ist, in vielen Bundesländern gilt Microsoft Teams dagegen als akzeptabel; anderswo wird Jitsi bevorzugt oder irgendeine andere, weniger bekannte Lösung.
Dabei bietet gerade die Cloud-Infrastruktur Chancen und Möglichkeiten für Situationen wie heute: Großen Unternehmen gegenüber argumentiert man mit mehr oder weniger automatisch skalierbaren Ressourcen, die zu einem bestimmten Ereignis hochgefahren werden können, falls das erforderlich ist. Und gerade heute wäre ein solches Ereignis gewesen, für das man mehr Bandbreite benötigt – und das war seit mindestens vier Wochen absehbar oder zumindest planbar! Apropos Bandbreite: Selbst die möglicherweise knappen Ressourcen vieler Schulen lassen sich per SD-WAN individuell aussteuern, damit es eben nicht ruckelt, wenn zu viele Nutzer im Netzwerk sind.
Auch der Kritikpunkt, dass ja jede Schule oder Klasse andere Anforderungen habe, der bis zu einem gewissen Punkt gerechtfertigt ist, lässt sich lösen – so wie in jedem großen Software-defined Datacenter, wo genaue Regeln festschreiben, welche Abteilungen im Unternehmen welche Anwendung freischalten und installieren können. So ließen sich unterschiedliche Schulformen und Lehrpläne, aber auch Unterschiede zwischen Lehrern und Schülern abbilden. Die berühmte Raketenwissenschaft ist all das wirklich nicht. Stattdessen ist es in vielen Unternehmen seit Jahren Alltag.
Trotz all dieser Eigenheiten in den einzelnen Bundesländern würde im Übrigen – außer dem vielleicht angekratzten Ego der Entscheider – nichts dagegen sprechen, dass man sich gemeinsam an einen Tisch setzt und gemeinsam auf eine Digitalstrategie für unsere Schulen einigt. Lösungen gibt es einige – und die entsprechenden nationalen wie internationalen Anbieter und Dienstleister haben Varianten am Start, die deutlich schwierigeren Compliance- und Datenschutzumfeldern gerecht werden.
Verschanzen hinter dem Datenschutz
Besonders bemerkenswert an der Diskussion um die DSGVO ist übrigens deren unterschiedliche Auslegung in verschiedenen Bundesländern. So erklären zahlreiche deutsche Softwarelösungsanbieter im Schulkontext, man setze aus Gründen der DSGVO-Konformität nur auf eigene Rechenzentren. Doch wie kann es sein, dass sogar Banken und Versicherungen sowie ganz viele andere Konzerne teilweise vollumfänglich in der Cloud arbeiten oder dies anstreben, während so etwas Banales wie eine Unterrichtsstunde eben nicht – mit der üblichen Verschlüsselung wohlgemerkt – dort stattfinden kann?
Man kann darüber spekulieren, wer ein Interesse daran hat, dass die Cloud-Anbieter wie Microsoft, AWS, Google und IBM nicht zum Zuge kommen. Klar ist auf jeden Fall, dass einige Anbieter von mäßig performanten Softwarelösungen am Markt sind, die langfristig gut hieran verdienen werden. Dabei wäre eine Cloud-Lösung gerade für so etwas wie Schulen, die nicht über das Know-how zur Server-Wartung verfügen, die eleganteste Lösung, um viele Probleme zentral zu lösen; beispielsweise auch um das ganze IT-Security-Thema unter Kontrolle zu behalten und auch um dafür zu sorgen, dass die Anforderungen zur Schule passen.
Was aber das eigentliche Problem an der Misere ist: Die Schulen haben ihr Klassenziel in Sachen Digitalisierung nicht nur nicht erreicht, sondern sie sind auch noch immer weit davon entfernt. Und all das wird ausgetragen auf dem Rücken der Schüler und Lehrer (und der entnervten Eltern), die durchaus bereit wären, den Plan B im Interesse des Gesundheitsschutzes mitzutragen.
Am Geld mag es nicht scheitern, aber an den Leuten die sich mit skalierbaren Systemen auskennen und die Lösungsanbieter auch erst einmal rein technisch bewerten. Und auch mit mehreren Millionen ist eben kein voll skalierbares System innerhalb eines halben Jahres marktreif. Geld allein reicht eben nicht immer als Argument. Und ganz ehrlich, welcher IT Fachmann geht freiwillig in ein Ministerium wenn er in der Industrie das 3fache gezahlt bekommen. Denn das nun vorhandene Geld verändert ja nicht die grundsätzlichen Einstellungskriterien und die damit verbundene Bezugshöhe. Geld völlig blind in den Markt zu werfen hat noch nie langfristige Vorteile gebracht. Es fehlt an KnowHow, und das wird noch lange so bleiben wenn man weiterhin gute ITler bewusst aus den Ministerien fern hält und sich viel lieber nur auf externe und befangene Berater aus dem Umkreis verlässt, die einem so ziemlich alles schön reden.
Das schlimmste ist, dass Anbieter wie bbbserver.de wehement ignoriert werden. Dabei könnten gerade diese aus Deutschland stammenden und datenschutzkonformen Anbieter das leisten, was die Bundesländer nicht hinbekommen.