E-Payment in Deutschland: Was fehlt und warum
Als amerikanisches Software-as-a-Service Startup ist man heutzutage in der Lage, mit wenigen Mausklicks sein komplettes Abrechnungs-Gateway inklusive monatlichem Billing unbürokratisch zusammen zu klicken, schon nach wenigen Minuten Zahlungen zu empfangen und auch alle weiteren Abwicklungsprobleme über ein elegantes Webinterface komfortabel zu verwalten.
E-Payment in Deutschland mit vielen Hürden
In Deutschland stellt sich die Situation erheblich komplizierter dar. Neben der Anwendung, die die Abrechnung der regelmäßigen Zahlungen übernimmt, sowie einem Payment-Provider-Vertrag, der erstmal ausgehandelt und unterschrieben werden muss (zirka vier bis acht Wochen Einrichtungszeit), benötigt man einen Vertrag mit einem oder mehreren sogenannten „Akquirern“, die die Brücke zu den eigentlichen Zahlungsanbietern à la Visa, Mastercard, Giropay, sofortüberweisung und viele mehr bereitstellen.
Das Internet und vor allem die von uns genutzten Online-Dienste entwickeln sich rasant weiter. Inzwischen ist es normal, dass man für Online-Produkte auch etwas bezahlt und dies mehr und mehr auch auf monatlicher Basis (Recurring Billing). Ob nun Dropbox, Evernote oder Online-Zeitungen und Magazine: Das Bezahlen für gute Dienste und Content ist normal geworden. Nur wie kann der Anbieter überhaupt etwas verkaufen? Hier scheint es so, als ob vor allem in Deutschland der Markt stehen geblieben ist und Lösungen wie der Apple App Store eine ganz Branche gefährden.
E-Payment-Komplettlösung ersetzt aufwändige Einzellösungen
Die oben beispielhaft genannten Dienste werden nicht mehr wie früher einzeln in ihren verschiedenen „Device-Silos“ (Mobile-App, Web-App oder PC-Client) verkauft, sondern verstehen sich im Sinne des Kunden mehr und mehr als Komplettlösung/Plattform mit einem Preis auf allen Nutzergeräten. Dabei soll die Bezahlung aber natürlich auf jedem Device möglich sein.
Sieht man sich nun an wie das Bezahlen der Dienste vonstatten geht, wird schnell klar, dass dies nicht einheitlich ist.
Mobile-Payment wird zum Standard
Nehmen wir Apple als dominierende App-Plattform exemplarisch für die Mobilen Devices – hier ist das Bezahlen für den Kunden und auch für den Anbieter dank des App Stores sehr einfach. Der Kunde bezahlt mit der für die iDevices obligatorischen Apple-ID und der hinterlegten Kreditkarte oder dem Guthaben aus Gutscheinkarten. Der Dienste-Anbieter erhält den Betrag abzüglich der bekannten 30 Prozent direkt von Apple. Diese Art der Abrechnung funktioniert dabei sowohl für wiederkehrende wie auch für einmalige Zahlungen. Der Anbieter muss bei ausbleibenden Zahlungen nur sicherstellen, dass der Kundenaccount deaktiviert wird.

Anbieter in Apples App-Store müssen sich wenig Gedanken über E-Payment machen und können sich statt dessen voll auf ihre Produkte konzentrieren. Das lässt sich Apple allerdings mit 30 Prozent Umsatzbeteiligung vergüten.
Was auffällt: Einen klassischen Payment-Anbieter (z.B. Payment Service Provider, eWallet, Kreditkarten-Acquirer), wie man ihn sonst aus dem E-Commerce kennt, sieht und braucht man hier nicht. Apple hat sein eigenes Ökosystem geschaffen, das jeder App-Anbieter mit Start seiner App akzeptiert, und es wird mit wenigen Ausnahmen (wie bei der Financial Times UK) auf beeindruckende Art und Weise von Kunden und Anbietern genutzt.
Keine zentrale Abrechnungsmöglichkeit für Web-Apps/Software as a Service
Im Bereich der Webanwendungen stellt sich die Situation gänzlich anders dar. Ein dominierendes Ökosystem wie den Apple App Store gibt es nicht und die Web-App-Verzeichnisse die bisher bestehen (Google-Apps, Chrome, Firefox etc.) bieten keine zentrale Payment-Abwicklung. Das heißt, hier müssen sich die Anbieter der Lösungen selbst um das Thema Bezahlen und auch um die Rechnungsstellung kümmern. Für App-Entwickler, die eigentlich nur gute Kundenlösungen bauen wollen, ist das sicher keine leichte Herausforderung – und diese Herausforderung ist in Deutschland noch größer.
Auf der nächsten Seite geht es weiter mit dem Status Quo des E-Payment in Deutschland.
Warum E-Payment in Deutschland hinterher hinkt
Zwei Hürden machen das Thema E-Payment in Deutschland speziell:
- Es gibt nicht das eine, dominierende Bezahlverfahren wie in anderen Ländern. Die Kreditkarte als weltweit dominierendes Bezahlverfahren ist auch in Deutschland verbreitet (rund 35 Prozent), aber weiterhin nicht so dominant wie Beispielsweise in den USA oder Großbritannien. Der effiziente und gute Zahlungsverkehr in Deutschland hat uns zusätzlich die sehr beliebte Lastschrift und die Online-Überweisung beschert. Hinzu kommen die erfolgreichen eWallets wie Paypal oder auch noch vereinzelt Click&Buy. Das bedeutet im Vergleich mit den USA, dass es meist nicht ausreicht, nur Kreditkartenzahlungen anzubieten, ohne Gefahr zu laufen, eine unüberwindbare Payment-Wall aufzubauen.
- Hinzu kommt, dass die verschiedenen Bezahlverfahren unterschiedliche Ausprägungen im Hinblick auf ihre Funktionen (Storno, wiederkehrende Zahlungen etc.), ihre Zahlungsgarantie (Lastschriftrückgabe vs. Zahlungsgarantie) und damit auch ihren Preis haben.

Das größte Problem im Zusammenhang mit E-Payment ist für deutsche Online-Shops, dass es eine Vielzahl von Bezahlverfahren gibt, die man berücksichtigen muss, um keine Kunden aufgrund von unüberwindbaren Payment-Walls zu verlieren.
Ein E-Payment-Vertragspartner reicht in Deutschland nicht aus
Ein Ergebnis der diversifizierten Bezahlverfahren ist, dass es für den Anbieter der Lösung notwendig ist, Verträge mit unterschiedlichen Konditionen und mit verschiedenen Partnern zu den einzelnen Bezahlmethoden (Lastschrifteinzug = Bank, Kreditkarte = Kreditkartenacquirer, giropay = giropay-Acquirer, PayPal = PayPal etc.), zum Payment-Processing (Payment Service Provider als Brücke zwischen dem Shop und den Abwicklungssystemen) und gegebenenfalls für die Rechnungstellung (Recurring Billing Provider) zu schließen.
Erhöht wird diese Hürde zusätzlich dadurch, dass in Deutschland das System des verschlankenden sogenannten Kreditkarten-Subacquiring anders als in den USA seitens der großen Kreditkartenunternehmen untersagt ist. Dies führt dazu, dass jeder Anbieter der Kreditkartenzahlungen akzeptieren möchte, einen eigenen Kreditkartenakzeptanzvertrag mit einem der nur 14 zugelassenen deutschen Kreditkarten-Acquirern geschlossen haben muss. Dass dieser Vertrag mit zusätzlichen Risk-Prüfungen seitens der Acquirer verbunden ist und nicht auf Knopfdruck geschlossen werden kann, ergibt sich von selbst.
Alle diese Rahmenbedingungen und Regularien machen das Leben für die deutschen Payment-Anbieter sicher nicht leicht. Und dennoch werde ich das Gefühl nicht los, dass hier reichlich Platz für Innovationen rund um Payment, Recurring Billing und auch die Preisgestaltung ist. Dieser wird von den deutschen Payment-Anbietern aber zur Zeit noch verschlafen oder der Leidensdruck ist auf Grund der Erfolge im klassischen E-Commerce Einmal-Produktverkauf noch nicht groß genug.
Ein neidischer Blick in die USA
Dass es auch anders gehen kann, beweisen Anbieter in den USA und vereinzelt in Großbritannien. Hier gibt es immer mehr so genannte Full-Service Provider oder auch Recurring Billing Provider, die dem Händler zu einem einheitlichen Preis das komplette Handling des Payment sowie der Rechnungsstellung abnehmen und dies mit nur einem einzigen Vertrag und einer einzigen API. Beispiele sind:

Alles aus einer Hand beim E-Payment. In den USA können Shopbetreiber unter vielen unterschiedlichen Fullservice-Providern auswählen.
Nahezu allen oben genannten Anbietern fehlt eine geeignete Anbindung an die deutschen Payment-Landschaft via eines Payment Service Providers oder Acquirers sowie die Unterstützung der typischen deutschen Bezahlmethoden. Die von den Anbietern genannten Partner für einen sogenannten Merchant-Account (in Deutschland Akzeptanzvertrag) können diesen Service leider deutschen Unternehmen nicht anbieten.
Darüber hinaus setzen die meisten Anbieter zusätzlich auf den in Deutschland nicht verfügbaren PayPal Dienst „Website Pro“, der ein Bezahlen via PayPal auch ohne einmalige Registrierung und Nutzung des PayPal-Wallets ermöglicht.
Erste Anzeichen für eine Lösung haben Recurly und Cheddargetter mit Wirecard und Spreedly mit Ogone unternommen – der richtige Durchbruch ist das aber weiterhin noch nicht.
Welche Möglichkeiten haben deutsche Anbieter heute?
- Deutsche Anbeiter können sich zum einen mit den deutschen Gegebenheiten arrangieren und auf der Business-Seite diverse Verträge mit verschiedenen Unternehmen zu unterschiedlichen Konditionen schließen, sowie technisch diverse Systeme im besten Fall über APIs anbinden sowie Datentöpfe aus dem Bereich Payment und Billing selber abgleichen.
- Zum anderen können deutsche Anbieter einen Merchant-Account für Kreditkarte und PayPal in den USA eröffnen und die vorhandenen Payment-Gateways der Anbieter nutzen. Zudem können sie auf die Lastschrift und weitere deutsche Bezahlverfahren verzichten. Nach meiner Einschätzung ist das aber nicht ganz so einfach für deutsche Unternehmen.
Gibt es noch Hoffnung für den deutschen E-Payment-Markt?
Hilfe aus den USA
Es ist eher unwahrscheinlich, dass sich einer der amerikanischen Anbieter als Full-Service-Anbieter alleine auf den verrückten deutschen E-Payment-Markt begibt. Dafür fehlt vielen vermutlich das Spezial-Know-how darüber, was es bedeutet, im deutschen Markt überhaupt Fuß zu fassen und von den verschiedensten Regulierungsmechanismen akzeptiert zu werden. Auf der anderen Seite zeigen Beispiele wie Paypal und Moneybookers, dass es grundsätzlich möglich wäre. Viel geholfen wäre sicher, wenn es inhaltlich abgestimmte Kooperationsangebote deutscher Player mit den oben genannten US-Lösungen gäbe – beispielsweise eine Kooperation von Recurly und einem größeren Deutschen-Payment-Anbieter.
Eine eigene deutsche Lösung oder Copycat
Warum soll es nicht doch irgendwann eine „Keep-It-Simple-All-In-One-Lösung“ eines deutschen Payment-Providers geben? Einer der innovativeren E-Payment-Provider könnte es schaffen. Nach amerikanischem Vorbild mit deutschem E-Payment-Know-how. Wenn man darüber nachdenkt, wer als Anbieter für so etwas in Frage kommt, fallem einem vor allem die Player ein, die schon heute mehr oder weniger erfolgreich versuchen, verschiedene Vertragsverhältnisse (Acquiring und PSP Dienste) in einer Komplettlösung abzubilden.
Namentlich das deutsche PayPal (wenn der Wallet-Zwang fällt), Wirecard, mit Abstrichen Sofortbank (wenn mehr als Online-Banking und Rechnung geht) und gegebenenfalls in Zukunft auch die Fidor Payment Services. Die auch in Frage kommenden klassischen deutschen Kreditkartenacquirer erscheinen mir heute zu weit weg vom Thema.
Ausblick
Die in den kommenden Monaten stark zunehmende Verbreitung von HTML5-Apps (ob Mobile oder Classic-Web) sowie der um sich greifende Multi-Device-Plattform-Gedanke bei Produkten werden den Handlungsdruck noch erhöhen und auch im Mobile-Web neue Bezahllösungen jenseits der App-Ecosysteme notwendig machen. Eine integrierte Komplettlösung für den deutschen E-Payment-Markt nach amerikanischem Vorbild ist nur noch eine Frage der Zeit. Bis dahin heißt es, Zähne zusammenbeißen, seine eigenen Payment-Lösung zusammenstricken und sich im heterogenen deutschen E-Payment-Markt die passenden Partner zusammentun.
Über den Autor
André M. Bajorat ist seit 1996 in der deutschen Internetlandschaft zu Hause. Als ehemaliger Geschäftsführer der Giropay GmbH und Mitglied der Geschäftsführung der Star Finanz GmbH – der Firma hinter deutschlands populärster Homebanking-Software Star Money – sowie CEO der NumberFour AG, ist er heute als freier Berater im deutschen Startup- und eCommerce-Umfeld aktiv. Sein Blog ist für ihn eine riesige Linksammlung zu den Themen Banking, Payment und Mobile.
Dabei ist gerade die Abrechnung von Tickets, Webdiensten und Contents so einfach möglich. In Deutschland hat fast jeder ein Handy. Egal ob Pre- oder Postpaid. Gerade die kleineren Anbieter von WebApps, Verlagen und Co benötigen lediglich einen Aggregator, der alle Netze und Provider abrechnen kann. Auch die Ausschüttungen können sich sehen lassen, denn diese sind in der Regel besser als die, die Apple mit iTunes bietet.
Wir nutzen für unsere Zahlungen weltweit Paymentwall.com und sind sehr zufrieden, dieser Service vereint einfach alle Zahlungsmethoden (Paypal, Giropay, Sofortueberweisung, Mobile payments, PaySafeCard…).
Gruß
Schöne Zusammenfassung des Themas und man sieht definitiv, dass noch viel Raum für Verbesserungen ist. Richtig schlimm wird es ja, wenn man dann noch europaweit arbeiten möchte und dann die primären lokalen Bezahlmethoden (wie in Frankreich oder Nielderlande) noch dazukommen. Deren Anbindung – wenn überhaupt möglich – lassen sich die PP ja auch golden vergüten. :|
Für Startups alles andere als ein bequemer Einstieg.
@nicos:
kannst du mehr zu paymentwall sagen? bzw. was verkauft ihr über die?
ich sehe sie und sehe das sie auch ind deutschland ein office eröffnen wollen, bisher aber eher im games umfeld.
Sind das nicht Sachen, die zum Beispiel von Anbieter wie http://www.adyen.com/?lang=de oder http://www.ufsemea.com machen? Bloß halt nicht so transparent. Die Verhandeln Konditionen und Verträge direkt aus bzw. haben für bestimmte Volumen auch fest setze… geht halt nicht ab jedem Transfervolumen…
Danke Rene für den Hinweis. Durchaus versuchen einige der angesprochenen Player sicher das. Aber warum machen sie das dann nicht Transparent? Würde uns doch allen helfen
Wir haben uns nach langer Suche (und Test fast aller angeführten Systeme… was wirklich viel Arbeit war) für eine Mischlösung entschieden: WHMCS (eigentlich ein Hosting-Verwaltungs-Anbieter, um ein paar Module etwas erweitert) http://www.whmcs.com/members/aff.php?aff=5364
Verfügbar bei uns: PayPal Standard, Sofortüberweisung und Moneybookers. Lastschrift wäre auch auch möglich, aber da wir aus Österreich sind für uns nicht so wichtig wie für deutsche Anbieter.
Mit WHMCS haben wir dafür jetzt auch die komplette Kundenverwaltung, Supportsystem, Knowledgebase selbstgehostet auf deutschen Servern unter einem Dach, was auf jeden Fall sehr hilfreich und kostenschonend ist.
@ norbert:
Spannend – habt Ihr die Kreditkarte denn auch mit drin? Und wenn ja über welchen Acquirer?
@André:
Kreditkarten sind bei uns derzeit nur über Skrill (ehem Moneybookers) abgebildet, doch es sind viele Acquirer verfügbar und mit eigenen Modulen um weitere Anbieter erweiterbar. Theoretisch wäre sogar eigenes CC-Processing möglich, das System ist vorverfiziert und es gibt ein Partnerprogramm mit McAfee Secure PCI Compliance (da bin ich grade am Überlegen).
Manko: man sollte jemand an der Hand haben, der das System anpassen kann – gibt aber genug Freelancer dafür!
Von den Banken in Deutschland verschlafen
Eigentlich wäre das Geschäft des Geldtransfers das ureigendste Terrain der Banken und Sparkassen. Sie hätten die Instrumente und das technische Know-How aus einer Hand Lösungen anzubieten.
Lösungen die schlicht alle Kanäle abdecken, die den Kunden interessieren könnten, ohne das sich der Betreiber eines Angebotes, selbst darum kümmern müsste. Ein solches Pauschalpaket ließe sich auch ökonomisch gut automatisieren. Dem Kunden bräuchte das eine leicht bedienbare vertraute Oberfläche.
Ich rätsele seit langen, warum die Banken hier nicht seit 10 Jahren schon voll eingestiegen sind. Stattdessen sitzen sie da und schauen zu, wie immer mehr Anbieter aus den USA in den Markt drängen. Will man heute komfortabel bezahlen, verdient fast immer ein Unternehmen aus den USA mit.
Man könnte das Bezahlen komfortabler und günstiger machen, gerade auch bei Centbeträgen.
ich habe mal eine Liste der Player in Deutschland erstellt – für Interessierte hier der Link:
http://ambajorat.wordpress.com/ecommerce-payment-dienstleister-fur-den-deutschen-markt-februar-2012/
Sicher nicht vollständig, aber ggf ein guter Start