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Ecstasy für Traumapatienten: Kann die Partydroge wirklich helfen?

Die Studien, in denen die Wirksamkeit von MDMA bei PTBS nachgewiesen wurde, um den Stoff in den USA zuzulassen, ließen bei den Experten viele Fragen offen.

Von MIT Technology Review Online
5 Min.
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Viele Menschen leiden an Posttraumatischer Belastungsstörung und brauchen Therapien.

(Foto: Shutterstock)

Am 4. Juni hat die US-Zulassungsbehörde FDA ein Expertengremium um seine Beurteilung gebeten, ob MDMA, auch bekannt als Ecstasy, eine sichere und wirksame Behandlung der Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) ist. Die Antwort war ein klares „Nein“. Nur zwei von 11 Mitgliedern des Gremiums stimmten zu, dass die MDMA-unterstützte Therapie wirksam ist. Lediglich ein Mitglied war der Meinung, dass die Vorteile der Therapie die Risiken überwiegen.

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Das Ergebnis kam für viele überraschend, da die Studienergebnisse positiv waren. Vor allem ist es auch ein Rückschlag für die Befürworter, die sich seit mehr als zwei Jahrzehnten für die Aufnahme der psychedelischen Therapie in die Schulmedizin einsetzen. Das Gremien-Urteil ist allerdings noch nicht die endgültige Entscheidung über MDMA. Die FDA hat bis zum 11. August Zeit, ihre finale Entscheidung zu treffen. Die Behörde ist zwar nicht verpflichtet, den Empfehlungen ihrer beratenden Ausschüsse zu folgen, aber sie weicht selten von deren Entscheidungen ab.

Was bedeutet das Votum für MDMA gegen PTBS?

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Einer der größten Stolpersteine für das Expertengremium war das Design der beiden bereits abgeschlossenen Wirksamkeitsstudien. Eigentlich dürfen die Studienteilnehmer nicht wissen, ob sie sich in der Behandlungsgruppe befinden. Doch aufgrund der Wirkung von MDMA war es ziemlich einfach zu erkennen, ob man eine hohe Dosis erhalten hat, und die meisten errieten richtig, in welcher Gruppe sie gelandet waren.

2021 interviewte MIT Technology Review einen MDMA-Studienteilnehmer namens Nathan McGee. „Kaum hatte ich gesagt, dass ich nicht glaube, dass ich es genommen habe, ging es los. Ich meine, ich wusste es“, sagte er. „Ich erinnere mich, wie ich ins Bad ging und in den Spiegel schaute und sah, dass meine Pupillen wie Untertassen aussahen. Ich dachte: ‚Wow, okay.‘“

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Die „Multidisziplinäre Vereinigung für psychedelische Studien“ (MAPS) arbeitet seit 2001 mit der FDA zusammen, um MDMA als Medikament zu entwickeln. Als die Organisation 2016 mit der Zulassungsbehöre zusammentraf, um die Details ihrer Phase-III-Studien zu besprechen, in denen getestet wird, ob eine Behandlung funktioniert, schlugen Beamte der Behörde vor, dass MAPS einen Wirkstoff für die Kontrollgruppe verwendet, um zu verschleiern, welche Teilnehmer die Therapie-Droge erhalten hatten. MAPS wehrte sich jedoch dagegen, und die Studie wurde mit einem Placebo als Kontrollmittel fortgesetzt.

So ist es nicht verwunderlich, dass etwa 90 Prozent der MDMA-Gruppe und 75 Prozent der Placebo-Gruppe genau wussten, in welchem Teil der Studie sie gelandet waren. Auch die Therapeuten, die die Teilnehmer behandelten, wussten mit großer Wahrscheinlichkeit, ob die von ihnen betreuten Personen MDMA erhalten hatten. Das nennt man „funktionale Entblindung“, und das Thema kam in der Ausschusssitzung immer wieder zur Sprache. Das Problem dabei ist Folgendes: Wenn ein Teilnehmer fest davon überzeugt ist, dass MDMA ihm bei seiner PTBS helfen wird, und er weiß, dass er MDMA erhalten hat, könnte dieser Erwartungsfehler den Behandlungseffekt verstärken. Das ist vor allem dann problematisch, wenn das Ergebnis auf subjektiven Messungen beruht, wie etwa den Gefühlen einer Person, und nicht etwa auf Labordaten.

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Ein weiterer Knackpunkt war die Therapiekomponente der Behandlung. Lykos Therapeutics (das gewinnorientierte Spin-off von MAPS) beantragte bei der FDA die Zulassung einer MDMA-unterstützten Therapie, also die Verabreichung von MDMA zusammen mit einer Psychotherapie. Die Teilnehmer erhielten drei Therapiesitzungen vor der Verabreichung von MDMA und drei Therapiesitzungen danach, um ihnen bei der Verarbeitung ihrer Erfahrungen zu helfen.

Da die beiden Behandlungen zusammen verabreicht wurden, konnte nicht genau festgestellt werden, wie viel von der Wirkung auf MDMA und wie viel auf die Therapie zurückzuführen war. Hinzu kommt, dass „der Inhalt oder die Vorgehensweise dieser integrierten Sitzungen in den Behandlungshandbüchern nicht standardisiert war und hauptsächlich dem einzelnen Therapeuten überlassen wurde“, sagte David Millis, ein klinischer Gutachter der FDA, in der Gremiensitzung.

Mehrere Gremienmitglieder äußerten darüber hinaus auch Sicherheitsbedenken. Sie befürchteten, dass die Wirkung von MDMA Menschen beeinflussbarer und anfälliger für Missbrauch machen könnte, und sie brachten Vorwürfe über Verstöße gegen die Ethik zur Sprache, die in einem kürzlich erschienenen Bericht des „Institute for Clinical and Economic Review“ nachzulesen sind.

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Wegen dieser und anderer Probleme sahen sich die meisten Ausschussmitglieder gezwungen, gegen die MDMA-gestützte Therapie zu stimmen. „Ich hatte das Gefühl, dass der große positive Effekt durch die erheblichen Störfaktoren zunichte gemacht wurde“, sagte Ausschussmitglied Maryann Amirshahi, Notfallmedizinerin an der Georgetown University School of Medicine, nach der Abstimmung. „Ich glaube zwar, dass es einen Effekt gab, aber es muss noch besser untersucht werden.“

Was bedeutet das für die Zulassung anderer Freizeitdrogen als Therapien?

Ob diese Entscheidung ein Rückschlag für das gesamte Feld sein wird, bleibt abzuwarten. „Um es ganz klar zu sagen: Es ist nicht MDMA selbst, das abgelehnt wurde, sondern die spezifischen, unzureichenden Daten, die von Lykos Therapeutics vorgelegt wurden. Meiner Meinung nach besteht immer noch eine große Chance, dass MDMA mit einem ordnungsgemäß durchgeführten klinischen Phase-3-Studienprogramm, das die Bedenken des beratenden Ausschusses der FDA ausräumt, zugelassen wird“, schrieb Christian Angermayer, Gründer von ATAI Therapeutics, das ebenfalls an der Entwicklung von MDMA-Therapien arbeitet.

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Sollte die FDA die Zulassung der MDMA-Therapie verweigern, könnte Lykos oder ein anderes Unternehmen zusätzliche Studien durchführen und einen neuen Antrag stellen. Viele Mitglieder des Ausschusses erklärten, dass sie MDMA für vielversprechend hielten, die bisher durchgeführten Studien jedoch nicht ausreichten, um die Sicherheit und Wirksamkeit der Droge zu belegen.

Der Pilzwirkstoff Psilocybin wird wahrscheinlich die nächste psychedelische Therapie sein, die von der FDA in Betracht gezogen wird, und in gewisser Weise könnte es einen leichteren Weg zur Zulassung haben. Die Idee hinter MDMA ist, dass es die PTBS lindert, indem es die Psychotherapie erleichtert. Die Therapie ist ein entscheidender Bestandteil der Behandlung, was aber insofern problematisch ist, weil die FDA Medikamente und nicht die Psychotherapie reguliert.

Bei Psilocybin ist zwar ein Therapeut anwesend, aber die Droge scheint den Großteil der Arbeit zu verrichten. „Wir bieten keine Therapie an, sondern psychologische Unterstützung, die auf die Sicherheit und das Wohlbefinden des Patienten ausgerichtet ist“, sagt Kabir Nath, CEO von Compass Pathways, das Psilocybin als Therapeutikum auf den Markt bringen will. „Was wir während einer sechs- bis achtstündigen Sitzung finden, ist, dass das meiste davon still ist. Es gibt eigentlich keine Interaktion.“

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Das könnte das Zulassungsverfahren vereinfachen. „Das Schwierige ist, dass wir die Psychotherapie nicht regulieren und auch nicht wirklich ein Mitspracherecht bei der Gestaltung oder Umsetzung der jeweiligen Therapie haben“, sagte Tiffany Farchione, Direktorin der FDA-Abteilung für Psychiatrie, in der Gremiensitzung.

Die Autorin des Textes ist Cassandra Willyard. Sie ist selbstständige Journalistin in den USA. Sie schreibt regelmäßig für die US-amerikanische Ausgabe von MIT Technology Review und deckt dort den Bereich Medizin ab.
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