Anti-Aging: Forscher testen Medikamente für ein längeres Leben – dabei gibt es schon ein einfaches Mittel
MIT Technology Review: Kürzlich hat ein Startup in den USA eine klinische Studie mit einem Anti-Aging-Wirkstoff initiiert, getestet an Hunden. Das ist doch schon ein bisschen bizarr, oder?
Sebastian Grönke: Warum bizarr? Das ist ja nicht nur für Hundebesitzer interessant. Die Idee dabei ist vermutlich auch, dass bisherige Studien mit Tieren nur unter sterilen Bedingungen im Labor gemacht wurden. Und in dieser Studie wird das Medikament nun an Hunden getestet, die bei den Menschen zu Hause leben und damit in einer Umgebung mit Pathogenen, wie wir auch. Außerdem sind Hunde relativ kurzlebig – für die großen Rassen in der Studie gilt das ganz besonders – und man bekommt schneller Ergebnisse als in einer Studie mit Menschen.
In der Hundestudie wird der Wirkstoff Rapamycin getestet, an dem auch Ihr Team forscht. Wie sind Sie auf das Mittel gestoßen?
Wir arbeiten mit der Fruchtfliege Drosophila und mit Mäusen. Dabei haben wir zunächst herausgefunden, dass Diäten den Alterungsprozess der Tiere verzögern können. Und dann hat uns interessiert: Wie werden die Unterschiede in den Diäten erkannt und in den Körperzellen in Signale umgesetzt? Weil: Wenn man die molekularen Mechanismen versteht, dann kann man natürlich auch Medikamente entwickeln. Oder man greift auf Medikamente zurück, die schon da sind und auf jene Moleküle wirken, die man als entscheidend identifiziert hat. Und dafür ist Rapamycin ein gutes Beispiel. Das Mittel kommt eigentlich bei Organtransplantationen zum Einsatz, um Abwehrreaktionen zu unterdrücken, wirkt aber eben auch auf einen Mechanismus, der beim Altern eine Rolle spielt. Tierstudien konnten die Wirkung schon bestätigen.
Was genau kam denn dabei heraus?
In Versuchen mit Mäusen traten durch Rapamycin weniger Entzündungsreaktionen auf und wir haben auch positive Effekte auf das Wachstum bestimmter Tumore gefunden, in der Leber zum Beispiel. Das heißt nicht unbedingt, dass die Tiere gar keine Tumore kriegen, aber sie bekommen sie eben später. Die Gedächtnisleistung scheint auch verbessert. Da gibt es allerdings widersprüchliche Studien. Aber generell ist schon die Annahme, dass so eine Medizin auch die Gesundheit verbessert und nicht nur jetzt die Lebenszeit verlängert.
Und wie kann Rapamycin das schaffen?
Das Mittel wirkt auf die sogenannte TOR-Kinase, die ein zentraler Spieler im Zellstoffwechsel ist. Die TOR-Kinase reguliert den Stoffwechsel abhängig vom Ernährungszustand des Körpers. Wenn viele Nährstoffe vorhanden sind, bringt sie Zellen in den Wachstumsmodus. Bei Nährstoffmangel hingegen gehen die Zellen in eine Art Überlebensprogramm. Dann werden Reparatur- und Recyclingmechanismen angeschmissen. Mit dem Inhibitor Rapamycin können wir die TOR-Kinase nun herunterregulieren und dadurch diesen Überlebensmechanismus quasi künstlich aktivieren.
Dass die Reparatur schädlicher Genmutationen lebensverlängernd wirken kann, verstehe ich. Aber wie hilft Recycling den Zellen beim Überleben?
Da ist das Stichwort Autophagie: Die Zelle recycelt bestimmte zelluläre Bestandteile und baut aus ihnen wieder neue wichtige Stoffe auf. Außerdem werden kaputte oder schädliche Eiweißstoffe abgebaut. Es konnte schon gezeigt werden, dass wenn mit genetischen Tricks allein die Autophagie aktiviert wird, dies ausreicht, um die Lebenszeit zumindest von Mäusen oder Fliegen zu verlängern.