In der klassischen Markentheorie unterscheiden Experten zwischen der Unternehmensmarke und der Produkt- beziehungsweise Leistungsmarke einer Firma. In jüngster Zeit hat sich für den Personalbereich aber auch der Begriff der Arbeitgebermarke beziehungsweise der „Employer Brands“ etabliert. Ein ausgefeiltes Employer-Branding signalisiert Jobsuchenden, wofür der Arbeitgeber steht und warum es sich lohnt, sich bei dem Unternehmen zu bewerben. Dabei fällt es vielen Führungskräften jedoch schwer, die Einzigartigkeit herauszuarbeiten. Das hat Gründe, meint auch Jan Kirchner, Geschäftsführer von Wollmilchsau. Die Hamburger betreibenden die Personalmarketing-Software Jobspreader. Er weiß, warum viele Unternehmen beim Aufbau einer signalstarken Arbeitgebermarke scheitern. Im Interview erklärt er das Problem und verrät die Lösung.
Employer-Branding-Strategie findet oft nur als Management-Workshop statt
t3n.de: Branding kannten wir bis vor wenigen Jahren allenfalls als Disziplin des Marketings. Inzwischen ist die Markenbildung aber auch in den Personalabteilungen angekommen. Wie wird das Thema des „Employer-Brandings“ denn aktuell in den Unternehmen behandelt?
Jan Kirchner: Auf den Punkt gebracht: meist sehr unüberlegt. Im Employer-Branding muss grundsätzlich zwischen zwei Ansätzen unterschieden werden – dem strategischen Teil, sprich dem Konzept, und dem operativen Teil, sprich der daraus resultierenden Kommunikation. In den meisten Unternehmen wird es leider überhaupt nicht als Markenbildung wahrgenommen, sondern viel mehr als ein rein operatives Thema verstanden. Der strategische Part, der die Basis der operativen Umsetzung bilden sollte, wird leider viel zu oft komplett vernachlässigt. Oft findet die Strategie gar nicht oder nur als Management-Workshop statt.
t3n.de: Was bedeutet das?
Dass Employer-Branding in der Praxis dann meistens nur auf das Abarbeiten von Maßnahmen beschränkt ist und mit den Wunschwerten des Managements schnell und dreckig umgesetzt wird, ohne sich darum zu kümmern, ob die Firma den dadurch geschürten Erwartungen im Arbeitsalltag auch wirklich gerecht wird. Das fehlende Fundament führt im Recruiting-Alltag dann häufig zu einem ziellosen Durcheinander. Um im Sinne einer authentischen Arbeitgebermarke rekrutieren zu können, muss die grundlegende Wichtigkeit der Strategie eines Unternehmens jedoch anerkannt und verstanden werden.
t3n.de: Angenommen, man macht es richtig: Wie muss der Ablauf des strategischen und operativen Teils aussehen?
Im strategischen Employer-Branding wird zuerst einmal über eine Reihe von unterschiedlichen Ansätzen wie Einzelinterviews, Fokus-Gruppen-Workshops und Belegschaftsumfragen die bestehende Unternehmenskultur ermittelt. Die wird dann anschließend mit den Unternehmenszielen zur Arbeitgebermarke vereint. Der Kern der Arbeitgebermarke, sprich das Arbeitgeberversprechen oder auch EVP (Employer-Value-Proposition) genannt, wird dann mit den Unternehmenswerten vereint. Bis hierhin reden wir vom strategischen Teil der Angelegenheit. Die EVP wird dann schlussendlich operativ in einem HR-Kreativkonzept umgesetzt und zielgruppen- sowie kanalgerecht kommuniziert. Nur durch das fokussierte Recruiting mit den extrahierten Werteschwerpunkten bekommt man Mitarbeiter, die eben genau diese Werte leben und nicht nur fachlich ein Gewinn fürs Unternehmen sind.
t3n.de: Es sind vor allem HR- und Recruiting-Fachkräfte, die ihre Arbeitgeber auf die Wichtigkeit eines durchdachten Employer-Brands hinweisen. Entscheider großer Unternehmen wie Siemens, Otto oder Edeka haben den Wink verstanden und dahingehend in den letzten Jahren einiges getan. Doch wie sieht das in kleinen und mittleren Unternehmen aus?
Im Mittelstand ist da auch schon eine Menge zu beobachten. Je nach Unternehmensgröße ist es dort häufig sogar leichter, strategisches Employer-Branding zu machen, weil das Thema nicht so politisch ist wie bei den Großen und man die Geschäftsführung von Anfang an voll mit einbeziehen kann. In der Folge verleugnen sie unliebsame Erkenntnisse aus der strategischen Phase nicht einfach, sondern erkennen an, das gezielt an der Erreichung der gewünschten Unternehmenskultur gearbeitet werden muss, um die Wunschkultur zu erreichen. Zum Beispiel mit Führungskräftetrainings, Kommunikationstrainings oder einfach einem besseren Kommunikationsfluss vom Management zur Mitarbeiterschaft.
t3n.de: Was macht denn eine gute Arbeitgebermarke aus?
„Employer-Branding-Kampagnen bewegen sich fast immer im Spannungsfeld zwischen Aufmerksamkeit und Authentizität.“
Sie zeichnen sich zuerst mal dadurch aus, dass die Mitarbeiter dem Markenkern und den zentralen Aussagen der darauf aufbauenden Positionierungskampagne mehrheitlich zustimmen. Das ist deshalb so wichtig, weil gutes Employer-Branding grundsätzlich von innen heraus getragen wird. Ohne die Mitarbeiter als Markenbotschafter wird keine Employer-Branding-Kampagne langfristig erfolgreich sein. Die Zustimmung ist außerdem ein guter Gradmesser für die Authentizität der Arbeitgebermarke und in dem Zusammenhang auch mit der Außenwirkung des Arbeitgebers, insbesondere auf der Karriere-Website. Die ist häufig die Basis für den Vergleich der eigenen Werte und Wünsche des Bewerbers mit denen des möglichen Arbeitgebers. Das ist ein bisschen wie beim Dating.
t3n.de: Darauf aufbauend: Was zeichnet denn eine gute Employer-Branding-Kampagne konkret aus?
Das Ding mit Employer-Branding-Kampagnen ist, dass sie sich fast immer in einem Spannungsfeld zwischen Aufmerksamkeit und Authentizität bewegen. Sie versuchen, wie ganz normale Werbekampagnen durch pointierte Claims und auffällige Bildsprache für Aufsehen zu sorgen, müssen dabei aber immer darauf achten, sich nicht zu weit vom erlebbaren Markenkern zu entfernen. Denn die üblichen Übertreibungen aus dem Konsumgütermarketing lässt man Arbeitgebern im Social Web und auf Bewertungsplattformen meist nicht ungestraft durchgehen. Aus kreativer Sicht sollte eine gute Employer-Branding-Kampagne die erlebbare Unternehmenskultur in möglichst griffige Kernbotschaften verpacken und diese visuell aufmerksamkeitsstark untermauern. Inhaltlich zeigt eine gute Positionierungskampagne konkrete Karriereperspektiven in den verschiedenen Arbeitsbereichen auf und kommuniziert darüber hinaus möglichst auch noch die übergeordnete „Mission“ des Unternehmens, die idealerweise alle Mitarbeiter mitgestaltet haben.
t3n.de: Das heißt, dass eine gute Employer-Branding-Kampagne überzeugt, ohne zu übertreiben.
Exakt.
t3n.de: Kannst du uns von einer Kampagne berichten, die dich umgehauen hat?
Meine Lieblingskampagne der letzten Jahre ist „Mein Job für Hamburg“ von der Hamburger Hochbahn. Mir gefällt die Bodenständigkeit verbunden mit der Sinnstiftung sehr. Die Hochbahn zeigt darin, warum einzelnen Berufsbilder so sinnvoll sind für den Alltag aller Hamburger – angefangen beim Mitarbeiter der Fahrgastinformation über die Busfahrerin bis zum Fahrzeugbauer. Gemessen an der breiten Zielgruppe ist auch die Umsetzung meiner Meinung nach kreativ gelungen. Den Mitarbeitern wurde ein Gesicht gegeben und man sieht förmlich, wie stolz sie sind, an der Plakatkampagne mitgewirkt zu haben.
t3n.de: Danke für diese wertvollen Hinweise.