
Die Kapitol-Unruhen haben in den USA und weltweit für Bestürzung gesorgt. US-amerikanische Tech-Unternehmen sehen sich mit Schuldzuweisungen konfrontiert und suchen nach Wegen der Aufarbeitung.
Der Vorwurf lautet, dass die Verbreitung der Trumpschen Aufrufe über die sozialen Medien mindestens einen Anteil an der Gewalt habe. Naheliegenderweise sehen soziale Medien nun das Abschneiden Trumps von ihren Plattformen als Mittel der Wahl.
Nach Facebook hat sich nun auch Twitter entschieden, das Konto @realDonaldTrump – mit Abstand die wichtigste Stimme des US-Präsidenten in den letzten Jahren – verstummen zu lassen. Wer auf Twitter nach dem Konto sucht, sieht die Tweets des Kontoinhabers nicht mehr. Stattdessen wird der Hinweis, der Account sei wegen einer Verletzung der Nutzungsbedingungen gesperrt worden, eingeblendet.
Der Verlust seines Accounts ist ein schwerer Schlag gegen Trump. Dieser hatte Twitter teils mehrmals täglich genutzt, um sich an seine mehr als 88 Millionen Follower zu wenden.
Grund für die dauerhafte Sperrung sei das „Risiko einer weiteren Anstiftung zur Gewalt“, teilte Twitter am Freitagabend in einem ausführlichen Blogbeitrag mit. Ganz konkret sollen zwei Tweets, die Trump nach der vorherigen befristeten Sperrung seines Accounts am Freitag abgesetzt hatte, für die Entscheidung, ihn dauerhaft zu sperren, ausschlaggebend gewesen sein.
In einem dieser Tweets schrieb Trump, die 75 Millionen „großartigen amerikanischen Patrioten“, die bei der Wahl für ihn gestimmt hätten, würden bis weit in die Zukunft eine „gewaltige Stimme“ haben. Sie würden nicht gering geschätzt oder in irgendeiner Form unfair behandelt. In einem zweiten Tweet kündigte Trump an, er werde der Amtseinführung seines Nachfolgers Joe Biden am 20. Januar fernbleiben.
Twitter interpretiert die Kombination beider Tweets als geeignet, um Menschen zu weiteren gewalttätigen Aktionen anzustiften. Besonders den Hinweis, er werde nicht an der Zeremonie zur Amtseinführung seines Nachfolgers Joe Biden teilnehmen, wertete Twitter als versteckten Hinweis an seine Anhänger, die Zeremonie könnte ein „sicheres Ziel“ (für gewalttätige Attacken) sein, bei dem Trump im Angriffsfall selbst nicht verletzt werden würde, weil er nicht anwesend sein wird.
Ausgangspunkt der harschen Reaktion Twitters sind die Unruhen um das US-Kongressgebäude am Mittwoch. Trump wird vorgeworfen, seine Anhänger am Mittwoch bei einer Kundgebung zum Angriff auf das Kapitol angestiftet zu haben. Bei den Ausschreitungen kamen fünf Menschen ums Leben.
Laut Twitter kursieren in den sozialen Medien Planungen für weitere, ähnliche Attacken – darunter ein weiterer Angriff auf den Kongresssitz am 17. Januar.
Nach den Ausschreitungen am Kapitol am Mittwoch hatte Twitter den Account @realDonaldTrump bereits für zwölf Stunden gesperrt, weil der Dienst Tweets des Präsidenten als „wiederholt und schwerwiegend“ gegen die Richtlinien der Plattform verstoßend klassifiziert hatte. Der Kurznachrichtendienst hatte Trump mit einer dauerhaften Sperre gedroht, sollten diese Tweets nicht entfernt werden.
Betroffen war unter anderem ein Video, in dem Trump seine Anhänger zwar zum Rückzug aus dem von ihnen gestürmten Kapitol aufrief – aber zugleich seine Behauptungen über angeblichen Wahlbetrug wiederholte. In einem weiteren Tweet hatte Trump mit Blick auf die Ausschreitungen seiner Anhänger am Parlament geschrieben, das seien „Dinge und Ereignisse, die passieren, wenn ein heiliger Erdrutschsieg so unvermittelt und gemein“ gestohlen werde.
Vor allem Twitter beschränkte sich bei Trump bisher auf Warnhinweise, weil der Dienst die Beiträge des Präsidenten als geschichtliche Dokumente betrachtet. Twitter und Facebook hatten in den vergangenen Monaten zahlreiche Beiträge Trumps mit Warnungen vor falschen Informationen versehen und zum Teil auch deren Verbreitung eingeschränkt. Der scheidende Präsident warf den Plattformen daraufhin politische Zensur vor.
Auch auf die dauerhafte Sperrung seines Kontos reagierte Trump entsprechend. „Wir werden nicht zum Schweigen gebracht werden“, ließ er über Journalisten im Weißen Haus verbreiten. Trump erklärte, bereits mit mehreren anderen Websites in Verhandlung zu stehen, auch der Aufbau einer eigenen Plattform käme in Betracht.
Zunächst hatte Trump versucht, diese Botschaft über den offiziellen Präsidenten-Account @POTUS und seinen Kampagnen-Account @TeamTrump an der Sperre seines persönlichen Accounts vorbei via Twitter zu verbreiten. Es dauerte jeweils nur wenige Minuten, bevor Twitter auch diese Accounts sperrte und die Tweets damit offline nahm.

Screenshot der Tweets über den offiziellen Präsidenten-Account vor der Sperre. (Quelle: The Verge)
Für Trump ist die Sache klar: „Twitter geht es nicht um Redefreiheit. Ihnen geht es nur darum, eine linksradikale Plattform zu fördern, auf der einige der bösartigsten Menschen der Welt frei sprechen dürfen.“ Mit seiner Kritik steht Trump nicht völlig isoliert da. Der republikanische Senator Lindsey Graham schrieb auf Twitter: „Der Ajatollah kann twittern, aber Trump nicht. Das sagt viel über die Leute aus, die Twitter führen.“ (mit Material der dpa)
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