
Die schlimmste Entscheidung ist, unentschlossen zu sein. Denn das bedeutet, nicht voranzukommen im Leben. Dennoch hadern viele Menschen damit, wichtige Dinge zu beschließen. Der Job nervt seit langem, dennoch zögert man die Kündigung hinaus. Das Geld reicht kaum für einen größeren Urlaub, dennoch drückt man sich um das Gehaltsgespräch. Ja, selbst in Situationen, die im Grunde kaum nennenswert sind, fällt es manch einem Menschen schwer, sich zu entscheiden: Trage ich den Wollpullover, weil es kalt ist? Oder lieber das Hemd beziehungsweise die Bluse, weil ich im Büro professionell wirken will?
Menschen entscheiden für sich anders als für andere
Wer öfter in solchen Situationen steckt, verzweifelt bisweilen an seiner Unsicherheit. Merkwürdig ist jedoch, dass eben jene Menschen anderen gegenüber häufig nicht so zurückhaltend sind, wenn sie nach einem Ratschlag gefragt werden. Auf die Frage, ob man etwas in seinem Leben verändern sollte, weil eben dieses oder jenes nicht mehr zu einem passe, fallen dann oft klare Worte: „Das Leben ist zu kurz, um …. !“. Auf einmal scheint alles glasklar. Dieses Phänomen hat kürzlich auch Evan Polman – ein US-amerikanischer Professor der Wisconsin School of Business – im Harvard Business Review (HBR) thematisiert.
Der Forscher hat unter 1.000 Teilnehmern verschiedene Befragungen durchgeführt. Seine Probanden sollten Entscheidungen treffen – für sich und für andere Menschen. Sie sollten aus verschiedenen Restaurants, Jobangeboten und Dating-Profilen einen Favoriten wählen. Jede Option ging mit detaillierten Informationen einher, die die Grundlage der Entscheidungen bilden sollten. Das Ergebnis war überraschend auf mehreren Ebenen, denn die Probanden entschieden für ihre Mitmenschen nicht nur anders als für sich selbst, auch die Art, wie sie zu dem Entschluss kamen, war bemerkenswert.
„Wenn Menschen über ihre eigene Zukunft entscheiden sollen, tendieren sie dazu, sich auszumalen, was alles schief gehen kann.“
„Bei Entscheidungen für sich selbst konzentrierten sich die Teilnehmer auf einer zumeist granularen Ebene und entlang detaillierter Einzelheiten, was wir in unserer Forschung als vorsichtige Denkweise bezeichnen“, erklärt Evan Polman. Menschen, die diese Haltung einnehmen, sind in der Regel zurückhaltend, vorsätzlich und nicht besonders risikofreudig. Anstatt eine Fülle von Optionen zu sammeln und sie zu erforschen, zieht es die vorsichtige Denkweise vor, nur einige wenige Informationen auf einer tiefen Ebene zu betrachten, um so einen Eindruck für das zugrundeliegende Szenario zu bekommen.
Anders war das, wenn der Entschluss sich nicht um einen selbst drehte. „Wenn es darum ging, sich für andere zu entscheiden, haben sich die Teilnehmer mehr mit den vielfältigen Möglichkeiten befasst und sich vor allem auf den Gesamteindruck konzentriert. Sie waren mutiger und operierten entlang einer abenteuerlichen Denkweise“, erklärt der US-Amerikaner. Eine abenteuerliche Denkweise priorisiert die Neuheit vor dem tieferen Eintauchen in das, was mögliche Optionen im Detail bedeuten könnten. Die Verfügbarkeit zahlreicher Auswahlmöglichkeiten ist zunächst attraktiver als deren jeweilige Durchführbarkeit.
Mit anderen Worten heißt das: Wenn Menschen über ihre eigene Zukunft entscheiden sollen, tendieren sie dazu, sich auszumalen, was alles schiefgehen kann. Sie verharren öfter in einer eher pessimistischen Grundhaltung. Anderen gegenüber geben sie sich optimistischer, sind risikobereiter und bringen sogar völlig neue Ideen ein. Die Welt scheint plötzlich grenzenlos. Ärmel hoch und anpacken, könnte die Devise auch lauten. Polman selbst brachte das zum Nachdenken. Was könne man aus diesen Ergebnissen lernen – nicht zuletzt auch über sich selbst? In seinem HBR-Artikel geht er weiter darauf ein.
Entscheidungen treffen mithilfe der „Fly on the Wall“-Perspektive
Zunächst einmal bestätigt die Forschungsarbeit laut dem Forscher ein wichtiges Kriterium des Erfolgs. Nämlich, dass ein Mentor gut für die eigene Entwicklung ist. Ein Mensch, der in der gleichen oder einer ähnlichen Branche arbeitet, die Fallstricke kennt und mit Rat und Tat zur Seite steht, ist Gold wert. Diese Person kann Vorbild für alles sein, worin man selbst noch nicht gut ist. Außerdem, so Evan Polman, sollten Menschen sich bei Entscheidungen bemühen, eine Distanz zu den befürchteten Problemen aufzubauen. Er rät, immer auch die „Fly on the Wall“-Perspektive einzunehmen. Sprich, sich von außen zu betrachten.
„In dieser Perspektive können wir als unser eigener Berater fungieren“, erklärt der Professor und verweist auf den positiven Effekt, sich in der dritten Person auf sich selbst zu beziehen, wenn eine wichtige Entscheidung in Betracht gezogen wird. Anwender sollen so tun, als ob sie sich an eine andere Person wenden. „Anstatt sich zu fragen, was soll ich tun, frag lieber, was sollst du tun“, so Polman. Eine andere Technik wäre, sich mit seiner Entscheidung in eine komplett andere Person zu versetzen. „Das kann sehr einfach sein, wenn du an berühmte Menschen denkst, so als würde Steve Jobs deine Entscheidung für dich treffen.“
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Klar ist, dass die Methode effektiv ist, jedoch auch etwas Übung braucht. Wer sich von null auf hundert komplett von sich selbst und seinen lähmenden Bedenken abgrenzen kann, gehört sicherlich nicht zu den Personen, die gemeinhin als entscheidungsschwach gelten. Zu Beginn ist es wohl ratsam, einfach erst einmal darüber nachzudenken, was man einem Freund oder einer Freundin in der gleichen Situation raten würde. Für Evan Polman steht fest: Wer blockiert ist, sollte sich und sein Problem öfter einmal von außen betrachten, um so eine völlig neue Perspektive einzunehmen. Im Zweifel löst sich dann der Knoten im Kopf.
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