Enuus E-Pods verlassen Berlin: Deshalb haben die Mikro-Autos keine Chance
Eine Mischung aus einem Scooter und einem Auto sollten sie sein – die E-Pods des Schweizer Sharing-Dienstleisters Enuu. Nur einen Mopedführerschein der Klasse AM brauchten Berlinerinnen und Berliner, um die kleinen vierrädrigen Gefährte mit einer Höchstgeschwindigkeit von 28 Kilometern pro Stunde durch die Hauptstadt zu lenken. Gepäck im Äquivalent einer Kiste Wasser konnten die Mikro-Autos aufnehmen.
Überdachter Scooter schien eine gute Idee zu sein
Über eine einfache Haube aus Glasfaser waren die Insassen der E-Pods vor schlechtem Wetter geschützt. Enuu hatte betont, dass diese Konstruktion auch mehr Sicherheit bei Unfällen oder Straßenkriminalität böte. Der Wetterschutz sollte die Mikro-Autos als Alternative zum ÖPNV prädestinieren. Der hatte sich in der Coronapandemie den Ruf eines potenziellen Infektionstreibers erworben, obwohl Studien das nicht bestätigen konnten.
Rund 50 E-Pods hatte Enuu in Berlin aufgestellt. Zuvor hatte Enuu sein Angebot bereits in den Schweizer Städten Biel, Zürich und Basel zu etablieren versucht. Gelungen war es nirgends. Jetzt zieht sich der Anbieter auch aus Berlin zurück.
Behinderungen des Fußgänger- und Radfahrerverkehrs nicht hinzunehmen
Die Gründe für den Rückzug dürften vielfältig sein. Die gravierendsten Probleme dürften jedoch die Kommunen selbst gemacht haben. Denn das Konzept der Enuu-E-Pods brachte ein offensichtliches Problem in die Städte. Da die E-Pods umgebaute Mopeds sind und nur mit einem Führerschein gefahren werden dürfen, unterliegen sie der Regelung, nur auf der Straße fahren und nur auf Stellplätzen für Autos und Krafträder abgestellt werden zu dürfen.
Tatsächlich fanden sich die Mikro-Autos bevorzugt auf Gehwegen wieder, auch Fahrradflächen wurden von den Nutzenden der E-Pods gern belegt. Das führte zu Behinderungen des Fußgänger- und Fahrradverkehrs und damit zu Ärger. In allen Städten, in denen Enuu bislang versucht hat, Fuß zu fassen, kam es zu den gleichen Schwierigkeiten und den daraus resultierenden Maßnahmen.
Aus der Schweiz hat sich Enuu bereits im ersten Halbjahr 2021 zurückgezogen
Die kommunalen Behörden gingen zunächst ordnungsrechtlich gegen Verstöße vor und beschränkten letztlich die Betriebsgenehmigung so deutlich, dass sich Enuu wohl schon aus wirtschaftlichen Gründen zum Rückzug entschlossen haben könnte. In Zürich etwa wurde die Anzahl der zugelassenen E-Pods von 150 auf 20 reduziert. Fehlgeparkte E-Pods musste der Betreiber innerhalb von zwei Stunden umparken und der Abstand zwischen zwei E-Pods, die auf Kunden warten, durfte nicht unter 200 Meter betragen. Vermutlich als Reaktion auf diese Maßnahme hatte sich Enuu zum Jahresende 2020 aus Zürich zurückgezogen. Ebenso soll der Betrieb in Enuus Heimatstadt Biel zum gleichen Zeitpunkt eingestellt worden sein.
Auch in Basel fahren die E-Pods seit dem 15. Mai 2021 nicht mehr. Hier gab es ähnliche Schwierigkeiten wie in Zürich. Der Anbieter hatte seinen Kunden allerdings eine E-Mail gesendet, die „die Durchführung eines wichtigen Hardware-Updates“ in den Fahrzeugen als Grund dafür anführte, dass die E-Pods für „mindestens zwei Monate“ aus dem Stadtbild verschwinden würden. Nach den aktuellen Entwicklungen scheint diese Begründung nicht unmittelbar glaubhaft. Baseler Medien rechnen jedenfalls nicht ernsthaft mit einer Rückkehr der „fahrenden Eier“.
Enuus E-Pods erweisen sich in vielfacher Hinsicht als problematisch
Nun hat es also auch Berlin getroffen. Auch hier hat Enuu seinen Kunden eine Information gesendet, die einen Rückzug für „mindestens zwei Monate“ ankündigt, dabei aber kein „Hardware-Update“ vorschiebt, sondern klar Probleme benennt, mit der Berliner Stadtverwaltung eine Lösung für die Park-Modalitäten der E-Pods zu finden. Die wiederum bestätigt zwar die Probleme, wundert sich aber darüber, dass der Anbieter nicht einmal das dringende Gesprächsangebot angenommen habe, um potenzielle Lösungen zu besprechen.
Sören Götz, Redakteur bei Zeit Online, hatte in einem persönlichen Erfahrungsbericht ein weiteres Problem gefunden. Dieses empfand er als so gravierend, dass er den zunächst beabsichtigten Test des Mikro-Autos gleich ganz zu unterlassen beschloss. Nachdem es ihm zunächst nicht gelungen war, überhaupt einen E-Pod tatsächlich dort zu finden, wo er ihm von der App angezeigt wurde, stieß er auf stark beschädigte Fahrzeuge, die er als nicht verkehrstauglich einstufte. Er fand verbogene Scheibenwischer, gerissene Außenverkleidungen, nicht zu öffnende Türen, hemdsärmelig blockierte Handbremsen und abgerissene Blinker. Der Wartungszustand der E-Pods in Berlin war scheinbar schlecht – der Service per App oder Telefon schwer erreichbar.
Ein weiteres Problem mag sich aus dem Führerscheinerfordernis ergeben. Einen Führerschein der Klasse AM oder für ältere Fahrer die Prüfbescheinigung der Klasse M hat eben nicht jeder. Und in einem innerstädtischen Bereich dürfte sich wohl kaum jemand motivieren lassen, einen Führerschein zu machen, nur um mit einem behaubten Umbau-Scooter fahren zu dürfen, wenn direkt daneben der führerscheinfreie Kickscooter steht und die U-Bahnstation 30 Meter entfernt ist. Personen, die bereits einen Autoführerschein haben, finden im innerstädtischen Bereich jederzeit ein Sharing-Auto der vielen Anbieter dieses Segments. Damit lässt sich dann auch mehr als eine Kiste Wasser transportieren.
Für die E-Pods von Enuu ist die Prognose damit auch in Zukunft nicht rosig. Ein führerscheinpflichtiges Kleinst-Fahrzeug mit hoher Attraktivität für Vandalen und einer Fahrpflicht auf den Straßen könnte sich schlicht als Fehlentwicklung herausstellen. Da nützen letztlich auch die vergleichsweise niedrigen Leihgebühren nichts.
Das die Dinger hässlich sind und der Name wie „Anus“ klingt, hat sicher auch nicht geholfen! :D