
Die Chatkontrolle könnte zur Aufweichung der Privatsphäre führen – und das gewünschte Ergebnis verfehlen. (Grafik: mixmagic/ Shutterstock)
Die EU-Kommission denkt im Kampf gegen Kinderpornografie über die automatisierte Durchsuchung von Inhalten auf Smartphones und Computern nach. Es handelt sich dabei um ein Gesetzespaket, das unter anderem vorsieht, dass Chats in Messengern automatisiert und ohne Vorliegen eines konkreten Verdachts durchsucht werden sollen. Dieses Verfahren, das unter dem Begriff „Chatkontrolle“ läuft, birgt reichlich Zündstoff – und wie die EU-Mitgliedsstaaten, die dies jetzt beurteilen und kommentieren können, damit umgehen werden, ist noch unklar.
Ein Problem ist dabei vor allem die Ende-zu-Ende-verschlüsselte Kommunikation und die Frage, wie eine Analyse erfolgen kann – der Gesetzgeber verschanzt sich hier gerne hinter dem Begriff der „proaktiven Maßnahmen“ oder der „geeigneten Maßnahmen“ und überlässt es so den Unternehmen, geeignete Lösungen für eine solche Datenauswertung zu finden. Das ist einerseits sinnvoll, um die Unternehmen nicht zu sehr zu gängeln und deren technischer Eigenheiten gerecht zu werden, ist aber umgekehrt auch ein Verschieben des Problems. Diese Salamitaktik kennen wir bereits zur Genüge aus der Diskussion um die Urheberrechtsreform mit ihren (damals noch nicht seitens der Gesetzgeber thematisierten) Uploadfiltern.
Selbst der Kinderschutzbund ist nicht überzeugt
Im Vorfeld der Beratung hat der FDP-Europaabgeordnete Moritz Körner erklärt, der Kampf gegen Kinderpornografie dürfe nicht als Vorwand missbraucht werden, „um eine noch nie dagewesene Zerstörung unserer Privatsphäre“ durchzuführen. Selbst der deutsche Kinderschutzbund hält die Pläne für unverhältnismäßig und für unnötig, weil Kinderpornografie in der Regel nicht über Messengerdienste geteilt wird.
In der Tat würde eine solche groß angelegte Massenüberwachung weit übers Ziel hinausschießen und die eigentlichen Ziele auch nicht erfüllen. Denn die kritischen Inhalte lassen sich auch problemlos über Netzwerke und Verschlüsselungslösungen verteilen, die eben nicht der Kontrolle der Europäischen Union oder ihrer Mitgliedsstaaten unterliegen. Denn dass in 90 Prozent der Fälle die kritischen Datensätze auf EU-Territorium liegen, darf getrost bezweifelt werden – das mag bestenfalls auf 90 Prozent dessen zutreffen, was Behörden mit heutigen Mitteln dingfest gemacht haben.
Und man öffnet damit umgekehrt die Tür für den Kampf gegen sämtliche anderen staatlicherseits nicht willkommenen Inhalte und beschneidet das Recht auf Privatsphäre in der Kommunikation mehr als sinnvoll. Zusätzlich könnte das Gesetz mit einer faktischen Aufhebung des Rechts auf Anonymität einhergehen, indem man Netzsperren und Altersverifikationen gleich mitdenkt.
Zentrale Big-Brother-Einheit zur Überwachung?
Der Gesetzentwurf würde Millionen von Nutzern aller möglichen Dienste von Whatsapp bis Signal, von Instagram bis Threema unter Generalverdacht stellen. Und ob die EU selbst, wie vorgesehen, ein Zentrum für die zuverlässige Erkennung schaffen kann, wenn sich alle sozialen Netzwerke damit seit Jahren schwertun, darf bezweifelt werden. Diese zentrale Big-Brother-Einheit würde dann in einer unheiligen Allianz mit den sozialen Netzwerken und Messengerdiensten, die für das Scannen zuständig sind, und den jeweiligen staatlichen Ermittlungsbehörden zusammenarbeiten. Ob man auf diese Weise der Kinderpornografie Herr wird, darf bezweifelt werden. Immerhin will man die Verschlüsselung soweit akzeptieren, dass man erst dann Daten einem oder einer Nutzenden zuordnet, wenn diese verdächtig sind – ob es sich dabei aber um einen Fehlalarm handelt, bleibt unklar.
Unterm Strich ist all das also ein beispielloser Angriff auf die Grundrechte unter dem Deckmäntelchen der Bekämpfung von Kinderpornografie – noch nicht in der Größenordnung chinesischer Verhältnisse, aber doch auf einem absehbaren Weg dorthin. Dass die Europäische Union bisher noch die Verhältnisse in China und Russland kritisiert, ist das eine. Doch dass sie offensichtlich gewillt ist, den Datenschutz und die Privatsphäre der Bürger:innen aufs Spiel zu setzen, ist alarmierend. Auch wenn der Entwurf in der geplanten, wenig durchdachten Form hoffentlich nicht Gesetz wird, müssen alle Bürgerrechtler und Datenschützer jetzt ihre Stimme erheben.
Bringt nix und ist zudem noch gefährlich.
Über solche Chats findet ja auch Unternehmenskommunikation statt.
Oder man nutzt halt andere Plattformen für Dinge die aus gutem Grund niemanden zu interessieren haben und die dennoch vollkommen legal sind.