Nur eine Phase? So steht es um Europas Startup-Landschaft
Entlassungswellen wie bei Gorillas oder Sumup und zunehmend vorsichtige Investor:innen: Blickt man auf die Schlagzeilen, so sieht es düster aus für viele Startups.
Erst im Juli musste beispielsweise Klarna einen herben Rückschlag einstecken. Denn das schwedische Fintech konnte zwar in einer neuen Finanzierungsrunde rund 800 Millionen Dollar (etwa 794 Millionen Euro) einsammeln, seine Bewertung sank jedoch von 45,6 Milliarden Dollar auf 6,7 Milliarden Dollar – ein Einbruch um rund 85 Prozent.
Klarna verlor damit seinen Platz als Europas wertvollstes nicht börsennotiertes Startup.
Doch kann man vom Schicksal einiger Startups einen allgemeineren Trend ableiten? Was sagen die Fakten?
Der European VC Pulse Check von Silicon Valley Bank und Dealroom hat in einem neuen Report die europäische Startup-Investment-Landschaft im ersten Halbjahr 2022 untersucht.
Das bislang zweitbeste Halbjahr
Blickt man auf die Ergebnisse des Reports, so sieht es für die europäische Techszene gar nicht so düster aus
Insgesamt wurde das bislang zweitbeste Halbjahr nach dem ersten Halbjahr 2021 für europäisches VC-Funding verzeichnet. Europas Startups sammelten 58,6 Milliarden US-Dollar ein. Das Funding-Niveau blieb also trotz der schwierigen Marktumgebung hoch.
Abwärtstrend im Quartalsvergleich
Vergleicht man jedoch das erste und das zweite Quartal 2022 miteinander, so sieht man einen Abwärtstrend. Während die Techbranche im ersten Quartal noch 32,2 Milliarden US-Dollar einsammelte, kam Dealroom mit seiner Berechnung für das zweite Quartal nur noch auf 26,4 Milliarden US-Dollar – das schlechteste Ergebnis seit dem ersten Quartal 2021.
Im Vorjahreszeitraum lag das zweite Quartal 2021 deutlich über dem ersten.
Dabei gibt es einen Unterschied zwischen den Investmentphasen. Während Frühphaseninvestments im ersten Halbjahr 2022 sogar anstiegen (plus 21 Prozent gegenüber dem ersten Halbjahr 2021), gingen Later-Stage-(Series-B+-)Venture-Capital-Aktivitäten in Europa im ersten Halbjahr 2022 um 8 Prozent zurück.
In den USA sieht es schlechter aus: Frühphaseninvestments stiegen „nur“ um 13 Prozent. Later-Stage-Investments fielen um 19 Prozent.
Stärkster Sektor: FinTech
Als stärkster Sektor in Europa nach Investments wurde die Fintech-Branche identifiziert, gefolgt von den Bereichen Unternehmenssoftware und Healthtech: Finanz-Startups erhielten rund ein Viertel aller VC-Investments – insgesamt 15,6 Milliarden US-Dollar im ersten Halbjahr 2022.
Der Bereich Unternehmenssoftware gehört dabei zu den Investmentgewinnern. Während die Investitionen im Fintech-Bereich relativ flach blieben, stieg die Investitionssumme von 7,9 Milliarden US-Dollar im ersten Halbjahr 2021 auf 11,5 Milliarden US-Dollar.
Der Gesundheitsbereich hingegen verlor. Die Investitionen betrugen im ersten Halbjahr 2022 nur noch 5,9 Milliarden US-Dollar, während sie im ersten Halbjahr 2021 10,1 Milliarden US-Dollar betragen hatten.
Deutschland auf Platz 3
Deutschland landet bei Investments in Europa auf dem dritten Platz. Rund sieben Milliarden US-Dollar gingen in diesem Jahr bislang an deutsche Startups.
Nur Frankreich (9,7 Milliarden US-Dollar) und das UK (20,8 Milliarden US-Dollar) schnitten besser ab.
Die Bronzemedaille geht auch bei den Städten an Deutschland: Mit 31 Einhörnern landet Berlin hinter Paris (40) und London (78) auf dem dritten Platz.
Investor:innen bleiben optimistisch
Ob der Zahlen des Reports bleibt auch Simon Bumfrey, Head of Relationship Banking der Silicon Valley Bank UK, optimistisch. Er sagt: „Trotz der schwierigen Marktsituationen kann man die aktuelle Stimmung eher als Vorsicht bezeichnen, nicht als Bedenken.“