VDA: Deutsche Autoindustrie ist Europameister der E-Mobilität – nur am Ladenetz hapert es
Hildegard Müller, Präsidentin des Verbands der deutschen Automobilindustrie (VDA), sieht die deutschen Autobauer marktführend in Europa. Gegenüber der Deutschen Presseagentur (dpa) nahm sie sogar den Begriff „Europameister bei der Elektromobilität“ in den Mund.
Marktanteile in Europa auf dem Weg zur 50-Prozent-Marke
Tatsächlich steigen die Zulassungszahlen von Elektroautos in Europa stark an. Besonders der deutsche Markt profitiert vom erhöhten Umweltbonus der Bundesregierung. Dabei handelt es sich um einen staatlichen Zuschuss, der eine Höhe von 6.000 Euro zuzüglich eines Herstellerzuschusses von 3.000 Euro erreichen kann – je nach Fahrzeug. Reine Stromer werden stärker gefördert als Plugin-Hybride. Im Oktober lag die Zahl neu zugelassener Pkw mit reinem oder kombiniertem Elektroantrieb nach Zahlen des Kraftfahrt-Bundesamtes in Deutschland bei knapp 48.000. Das entspricht einem Marktanteil von 17,5 Prozent.
So hätten die heimischen Autobauer ihre Marktanteile nicht nur in Deutschland innerhalb der ersten drei Quartale 2020 von 50 auf 66 Prozent gesteigert, auch auf dem europäischen Markt seien sie führend. Im laufenden Jahr hätten sie dort ihren Marktanteil deutlich ausbauen können, obwohl sich mit 600.000 neuen Elektroautos in Europa die Gesamtzahl in diesem Jahr nahezu verdoppelt habe. Damit habe Europa nicht nur den chinesischen Markt für E-Autos überholt. Inzwischen befänden sich in Europa 60 Prozent mehr Stromer auf der Straße als in den USA.
Besonders erfreulich stelle sich die Entwicklung in Norwegen dar. Dort sei der Anteil von E-Autos an allen Neuwagenverkäufen in den ersten acht Monaten des laufenden Jahres auf knapp 70 Prozent gestiegen. Jedes zweite in Norwegen verkaufte E-Auto komme heute von deutschen Anbietern. Auch sonst laufe es gut in Westeuropa. Hier betrug der Marktanteil deutscher Hersteller an den E-Verkäufen im vergangenen Monat rund 46 Prozent. Das entspräche einer Steigerung von 33 Prozent im Vorjahresvergleich.
Müller beklagt Rückstand beim Ladenetzausbau
Während also nach VDA-Meinung die Autoindustrie alles tut, um den Umstieg des Individualverkehrs auf einen klimafreundlicheren Antrieb zu beschleunigen, sieht Präsidentin Müller die Bundesregierung im Hintertreffen. Dem Spiegel rechnet sie vor, dass der im letzten Jahr beschlossene „Masterplan Ladeinfrastruktur“ der Bundesregierung, der bis 2030 eine Million öffentliche Ladepunkte vorsieht, viel zu zögerlich umgesetzt werde.
Um den Zeitplan zu halten, müssten nach Rechnung Müllers ab sofort etwa 2.000 neue Ladepunkte pro Woche errichtet werden. Tatsächlich würden nur rund 200 neue Ladepunkte pro Woche entstehen. Bei diesem Tempo sei eine Überlastung des einzelnen Ladepunkts absehbar. Schon jetzt kämen 13 E-Autos auf einen Anschluss, bis Ostern könnten es mindestens 20 sein.
„Ladegipfel“ soll breite Handlungsbasis schaffen
Müller forderte: „Wir liefern, jetzt muss die Politik hinterherkommen und die nötige Infrastruktur schaffen.“ Dabei beschwert sich die VDA-Präsidentin nicht über mangelnde Investitionsbereitschaft der Bundesregierung. Vielmehr sieht sie das Problem in der konkreten Umsetzung. Sie schlägt vor, die kommunale Ebene in Form der Bürgermeister stärker einzubinden. Erreicht werden müsse, dass sich jede Kommune an einen verbindlichen Umsetzungsplan halte. Gleichzeitig müssten Genehmigungshürden für neue Ladepunkte abgebaut werden, damit sich auch die Autoindustrie stärker am Ladenetzausbau beteiligen kann.
Der VDA will die Thematik am 17. November im Kanzleramt besprechen. Dann trifft sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erneut zu einem „Autogipfel“ mit Branchenvertretern. Geht es nach dem VDA soll dem „Autogipfel“ ein „Ladegipfel“ folgen. Der soll dazu dienen, dass Vertreter der Autoindustrie, der Mineralöl- und Energiekonzerne, des Einzelhandels, der Parkhausbetreiber und der Wohnungswirtschaft mit Vertretern der Bundespolitik und der Kommunen zu Lösungsansätzen kommen, wie die bestehenden Lücken im Ladenetz möglichst schnell und effizient geschlossen werden können. Mit Material der dpa