Die Digitalisierung ist der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ganz offenbar ein Anliegen. Immerhin hat sie dazu geführt, dass die EKD erstmals in sechs Jahren eine eigene Denkschrift herausgibt. Die haben ihre Verfasser „Freiheit digital: die Zehn Gebote in Zeiten des Digitalen Wandels“ getauft.
Erste Denkschrift in 6 Jahren
Mit dem 250-seitigen Papier, dass der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm am Donnerstag vorgestellt hat, will die Kirche einen Grundlagentext liefern, der gläubigen Christen Orientierung in der digitalen Welt – einen ethischen Kompass – geben soll. Die Bedeutung, die die EKD dem Papier beimisst, könnte höher nicht sein.
In der Denkschrift, die es auch verkürzt in digitaler Präsentation auf der zugehörigen Website EKD-Digital.de gibt, legen EKD-Theologen wie Professor Traugott Jähnichen Analogien zu den biblischen zehn Geboten auf und entwickeln daraus gewissermaßen die „Zehn Gebote des Internet“.
Bezug auf biblische Gebote bietet jedenfalls Struktur
Tatsächlich gelingt es den Verfassern, aktuelle Entwicklungen an den biblischen Geboten zu erklären, mal mehr und mal weniger gut. Das dürfte indes auch daran liegen, dass die Überlieferung schon vom Duktus her nicht immer leicht auf moderne Lebenswelten zu beziehen ist.
Recht gut gelingt das etwa beim neunten Gebot „Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten“. Hier greift die EKD die Debatte über Hassrede im Netz auf und verbindet sie mit dem wachsenden Fake-News-Problem. In moderner Ausprägung würde das neunte Gebot danach „Diskutiere mit Respekt“ lauten.
Auch das zehnte Gebot „Du sollst nicht begehren deines Nächsten Weib, Haus und so weiter“ liefert der EKD eine einfache Vorlage für die Umsetzung in die digitalisierte Welt. Hier sprechen die Theologen Themen wie die gefährlichen Bilderwelten von Instagram an, kritisieren aber ebenso die ständige Verfügbarkeit von Waren per Klick und Übernachtlieferung oder die immer besser auf den Einzelnen zugeschnittene Werbung, die manipulative Züge annehmen kann.
Mit Blick auf das sechste Gebot „Du sollst nicht töten“ weist die EKD auf immer unpersönlichere Methoden der Kampf- und Kriegsführung, etwa per Drohnen mit vollautomatischen Waffensystemen hin. Thematisiert wird indes auch die Gefahr, dass digitale Technik Polizei mit zu viel Macht ausstatten kann, sodass das Risiko des Überwachungsstaates realer wird.
Ethisch-philosophische Gedanken mit hohem Konsenspotenzial
Zu jedem Online-Kurztext bietet die EKD einen PDF-Download der jeweils längeren Fassung an. Ebenso kann die komplette Denkschrift als PDF heruntergeladen werden.
Wer sich unvoreingenommen mit den Texten der EKD beschäftigt, stellt schnell fest, dass die Bezugnahme auf die Zehn Gebote kein krampfhaftes Überstülpeln vorgefertigter kirchlicher Glaubenssätze auf eine moderne Realität bedeutet. Vielmehr ist es den Verfassern gelungen, eine eher philosophische als religiöse Betrachtungsperspektive einzunehmen. Den ethischen Grundsätzen, die die Denkschrift formuliert, dürften die meisten Menschen – unabhängig von ihrer oder überhaupt irgendeiner Religionszugehörigkeit – zustimmen können.
Nicht schlecht. Wer hätte gedacht, dass mal etwas positives auf einen grauenhaften Menschen wie Martin Luther zurückgehen würde?
Naja, grauenhafte als die katholische Kirche war er definitiv nicht.