Die ewige letzte Meile: Ein Szenario für den Transport der Zukunft
Die Paketzustellungen werden in Zukunft noch weiter zunehmen, der Onlinehandel könnte noch auf Jahre hinweg zweistellige Wachstumsraten aufweisen. Doch die Zustellung an den Kunden, die sogenannte letzte Meile, wird immer holpriger. Neben der Erwartung, dass umweltfreundlich zugestellt wird, wollen Kunden vorrangig eines: schnelle und und vor allem zuverlässige Zustellung. In der Zukunft wird sich viel verändern: Neue Infrastrukturen und Technologien werden benötigt.
Letzte Meile: Umstrukturierungen in den Städten
Eine große Problematik ist in den Innenstädten, dass oft kein Platz für Zulieferer in Wohnbereichen und Innenstädten vorgesehen ist. Die Zusteller arbeiten unter hohem Zeitdruck, parken in zweiter Reihe und schmeißen gelegentlich beim Hetzen zwischen Strafzettel und Zustellung auch mal einen unnötigen „Wir haben Sie nicht angetroffen“-Zettel in den einen oder anderen Briefkasten.
In einer Studie über die Zustellsituation in Seattle hat die University of Washington festgestellt, dass vorrangig zwei Probleme gelöst werden müssen:
- die Anzahl der fehlgeschlagenen Zustellungen
- die Entladezeit vor Gebäuden
Die Lösung besteht aus einer Kombination von neu einzurichtenden Ladebuchten in Wohn- und Innenstadtbereichen und Möglichkeiten, Pakete gesammelt an einer Stelle abzuladen: Paketstationen und -Kästen oder Abgabe bei einem anderen Sammelpunkt. Das könnten auch spezialisierte Paketläden wie Qool sein.
Alleine eine Zentralisierung der Lieferung an Stellen, die viele Sendungen erhalten – wie Wohnblöcke, Hochhäuser und ähnliches – soll schon eine Entlastung von durchschnittlich bis zu 73 Prozent erbringen, so die US-Studienautoren.
Mehrfachnutzung von vorhandenen Infrastrukturen
Die Vielfalt der Paketdienste führt zu einer unnötigen Redundanz, so eine Studie der Wirtschaftsberatung Price-Waterhouse-Coopers. Gemeint sind Unmengen von Fahrzeugen und Depots im städtischen Bereich, die alle dieselben Wege bedienen. Der Güterverkehr in Städten macht 20 bis 30 Prozent des Stadtverkehrs aus, verursacht aber etwa 80 Prozent der innerstädtischen Staus in Stoßzeiten.
Es müssen Modelle entwickelt werden, in denen Infrastrukturen für die City-Logistik gemeinsam von beliebigen Anbietern genutzt werden können. Unter Umständen als kommunale Infrastruktur von Depots mit entsprechender Gesetzgebung, die eine Nutzung der zur Verfügung gestellten Strukturen regelt – in welcher Form auch immer. Auch in ländlichen Bereichen wird das unumgänglich sein.
Die Sharing Economy mit Diensten wie Uber, MyTaxi oder Lieferando, die ebenfalls Lieferinfrastrukturen aufgebaut hat, bietet sich für Kooperationen an. Mediamarkt hat beispielsweise mit Mytaxi eine solche Kooperation im Bereich Same-Day-Delivery durchgeführt.
Predictive Analytics wird an Bedeutung gewinnen
Amazon Logistics arbeitet heute schon mit Methoden, die Produkte scheinbar wahllos in Deutschland auf Logistikzentren verteilen. Dahinter steht ein Predictive-Analytics-System, das Produkte an wahrscheinliche Bedarfsorte verschickt. Das System „errät“, wo welcher Artikel in Zukunft bestellt wird. Das verringert Transportwege.
Die oben erwähnte Methodik und die dazugehörigen Werkzeuge wären auch zur Planung des Paketaufkommens einsetzbar. um für eine bessere Auslastung und Bedarfsteuerung zu sorgen.
Auch die festgelegte Route von Transportunternehmen wird der Vergangenheit angehören, je nach Verkehrslage und wahrscheinlicher Anwesenheit der Empfänger werden Routen intelligent vorhergesagt und flexibel unterwegs neuberechnet. Das Navigationsssystem für Paketdienste wird kommen.
Die vernetzte Stadt
Die Studie von PWC zeigt einen wichtigen Punkt auf: Wenn Infrastrukturen gemeinsam von Logistikern genutzt werden sollen und auf Basis des Güter- und des normalen Verkehrsaufkommens Routenplanung und Bedarfsplanung durchgeführt werden sollen – dann müssen gemeinsame Plattformen zur Datenerfassung und zum Datenaustausch geschaffen werden.
Ein zukunftsweisendes Projekt erwähnt die Studie mit dem sogenannten „Urban Data Space“ des Fraunhofer IML, das die Daten von vielen städtischen Akteuren und Institutionen sammelt und auswertet.
Ein Problem für die vernetzte Stadt der Zukunft: Viele kommunale Zukunftsstrategien sind nicht auf die Digitalsierung ausgelegt, es fehlt an Datenpunkten durch Sensorik und an der Vernetzung städtischer Verkehrssysteme – oder die Systeme fehlen gleich komplett.
Die Zukunft wird im Hintergrund entschieden
Geht es um die Logistik der Zukunft, erwarten viele Schlagworte wie Drohnen, Zustellroboter oder ähnliche Hochglanztechnologien – die aber in absehbarer Zeit nicht den geringsten Beitrag zur Entlastung der letzten Meile beitragen werden. Medienwirksame Drohnen, die einzelne Pakete von A nach B fliegen, sind schön anzuschauen und werden als „verlängerter Arm“ des Zustellers oder im Nahradius eines Mikrodepots oder eines Onlinehändler-Logistikzentrums auch zum Einsatz kommen. Und: Sollte der Individualverkehr in Zukunft mehr in die Luft verlagert werden, dann werden auch Zusteller in die Luft gehen. Bis dahin müssen die Probleme aber erst einmal auf dem Boden gelöst werden.
Die Zukunft wird also nicht weithin sichtbar mit schicken Flugobjekten die Paketzustellung revolutionieren, sondern eine neue Generation der Logistik-Infrastruktur wird das im Hintergrund übernehmen: Die vernetzte Stadt, zusammen mit neuen Wegen der Citylogistik. Dabei wird es nicht nur einen richtigen Weg geben, die kommunalen Verkehrswege müssen analysiert und situationsbedingt entschieden werden. In Amsterdam landen beispielsweise immer mehr Pakete auf Schiffen in den Grachten.
Die Uneinigkeit der der Logistiker, die sich beispielsweise bei vergleichsweise simplen Projekten wie der Lockbox, dem Paketkasten einiger deutscher Logistiker, zeigt, der ohne die störrische DHL auskommen muss – weist darauf hin, dass die kommunale Politik hier regulieren muss. Die Price-Waterhouse-Coopers-Studie endet leider mit dem traurigen Hinweis, dass dazu fast nirgends Pläne oder verantwortliche Stellen vorhanden sind. Hier herrscht dringender politischer Handlungsbedarf.