Forscher messen, wie ein Marienkäfer die Raumzeit krümmt

Quantenphysiker der Universität Wien arbeiten am Gravitationsexperiment. (Foto: Universität Wien/Mair)
Die Anziehungskraft eines 90 Milligramm schweren Goldkügelchens zu bestimmen – dieses Ziel setzten sich Forscher der Universität Wien. Das Gewicht entspricht dem eines Marienkäfers und die besagte Kraft fällt 30 Milliarden Mal kleiner aus als die Gravitationskraft der Erde. Die Kugel misst zwei Millimeter Durchmesser. Das berichteten die Wissenschaftler dem Magazin Nature.
Die schwächste aller bekannten Naturkräfte orientiert sich an der Masse und der Entfernung zweier Körper. Die omnipräsente Kraft zieht Objekte über die Schwerkraft der Erde an und beschleunigt sie im Vakuum mit etwa 9,8 Meter pro Sekundenquadrat. Das entspricht einer Beschleunigung in einem Sportwagen: von 0 auf 100 in 2,83 Sekunden. Bisherige Experimente nahmen sich immer große Objekte vor, Kugeln im Kilobereich etwa. Laut Quantenphysik kann man eine Masse so präparieren, als ob sie an zwei Orten gleichzeitig ist. „Ungeklärt ist allerdings, ob das Gravitationsfeld einer solchen Masse auch in einer sogenannten Superposition ist“, erklärt Quantenforscher Markus Aspelmeyer. Das und ob Gravitation überhaupt eine Quantenbeschreibung braucht, wollen er und seine Kollegen experimentell herausfinden.

Die Kugel im Vergleich zu einem 1-Cent-Stück. (Bild: Uni Wien/Westphal)
Wie in einem klassischen Gravitationsexperiment von 1797 bauten die Wissenschaftler ein sogenanntes Torsionspendel. An den Enden eines Glasstabes befestigten sie zwei ähnlich große Kügelchen wie das der Quellmasse. Diese „Hantel“ hängten sie an einer Glasfaser auf. Jetzt kam die Quellmasse zum Einsatz: Wenn sie in die Nähe der „Hantel-Kugeln“ gelangt, beginnt das Pendel zu schwingen. Diese mikromillimeterkleinen Bewegungen zeichneten die Physiker mithilfe von Lasern auf und errechneten darüber die kleinste je gemessene Gravitationskraft.

Das Pendel schlägt aus, wenn eine der „Hantel-Kugeln“ auf die Anziehungskraft der Quellmasse reagiert. (Foto: Uni Wien /Westphal)
Das größte Problem für die Physiker bestand in anderen Kräften, die auf das Pendel wirkten. Die 70 Meter entfernte Straßenbahn etwa erzeugt auch ein Feld. Aspelmeyer stellt fest: „Die Gravitationskraft der Straßenbahn ist immerhin ungefähr genau so groß wie jene unserer Quellmasse.“ Daher fand ein großer Teil der Messungen nachts, am Wochenende oder an Feiertagen statt. Andere Effekte, wie elektrostatische Anziehung, mussten die Quantenspezialisten zusätzlich abschirmen. Einer der Physiker stellt fest, dass man eigentlich messe, „wie ein Marienkäfer die Raumzeit krümmt“. In Zukunft will man noch kleinere Gravitationsfelder vermessen, um der Schnittstelle zwischen Gravitation und Quantenphysik noch näher zu kommen.
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