Forschung macht große Fortschritte bei Augen aus dem 3D-Drucker
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Die älteste bekannte Augenprothese wurde auf eine Zeit von vor 4800 Jahren datiert und in einem Grab im heutigen Iran gefunden. Der künstliche Augapfel wurde damals aus einem Mix aus Teer und Tierfett hergestellt.
Das ist lange her: Inzwischen wird der kosmetische Augenersatz aus speziellem Kryolithglas oder einem Acrylmaterial namens Polymethylmethacrylat (oder PMMA) hergestellt und individuell angepasst.
Im Zeitalter des 3D-Drucks gibt es aber noch weitere Möglichkeiten, Augenprothesen zu entwickeln. So haben Wissenschaftler:innen ihre Ergebnisse eines digitalen End-to-End-Verfahrens in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht.
Unter der Leitung des Moorfields Eye Hospitals in Großbritannien ist es den Forschenden gelungen, passgenaue Augenprothesen mittels 3D-Drucker herzustellen.
Herstellung der Prothesen durch optische Kohärenztomographie und Computermodellierung
Die neue Technik soll dazu beitragen, in kürzerer Zeit Augenprothesen zu produzieren, die immer gleich aussehen und genau passen. In einem Zeitraum von fünf Monaten (November 2022 bis April 2023) haben Wissenschaftler:innen künstliche Augen für zehn Personen – darunter vier Männer und sechs Frauen – angefertigt.
Für die Erstellung der Prothesen wird zunächst ein Scan der leeren Augenhöhle angefertigt, um die Form mit Hilfe einer Diagnosetechnik mit dem Namen optische Kohärenztomographie (OCT) zu beurteilen.
Die Untersuchung dauert nur wenige Sekunden und ermöglicht es, die inneren Strukturen der aus mehreren Schichten bestehenden Netzhaut zu analysieren. Ein Problem stellen bei diesem Verfahren – auch wenn es seltsam klingt – die Augenlider dar. Denn sie sind quasi im Weg und erschweren die vollständige Darstellung der gesamten Augenhöhle.
Hier kommt die Computermodellierung ins Spiel: Durch die Nutzung von Computermodellen war es den Forschenden möglich, diese Lücken zu füllen und die perfekte Form der Prothese unter Einsatz von Daten aus 173 händisch gefertigten Prothesen zu prognostizieren.
Acht von zehn Teilnehmenden bewerten Prothesen als ausgezeichnet und sehr gut
Gedruckt wurden die Prothesen in 3D-Farbe aus einem Material, das dem PMMA sehr ähnlich sein soll. Ein Vorteil der neuen Herstellungsmethode liegt in der Zeitersparnis.
Laut den Forschenden wird die erforderliche manuelle Arbeitszeit um das Fünffache reduziert. Ein weiterer Vorteil liegt in der Verfügbarkeit der Prothesen – so ist es denkbar, dass die Prothesen auch in Gebiete geliefert werden können, in denen Dienste dieser Art nicht ohne weiteres zugänglich sind.
Des Weiteren ist das Ergebnis im Vergleich zur manuellen Herstellung sehr gleichmäßig und reproduzierbar, was die unkomplizierte Lieferung von Ersatzteilen oder den Ersatz verlorener Prothesen ermöglichen soll.
Diese Vorteile sind aber natürlich nur dann nennenswert, wenn die Ergebnisse für die Kund:innen zufriedenstellend sind. Bei acht der zehn Teilnehmer:innen passte die Form der Prothese genau in die Augenhöhlen – bei zwei Personen nicht.

Acht von zehn der Patient:innen mit ihrer Augenprothese nach der Anpassung. Person a und e tragen die Prothese im linken Auge, welches rechts auf dem Bild zu sehen ist. Die anderen Patient:innen haben ihr rechts Auge verloren, die Prothese ist dort links im Bild zu sehen. (Foto: JOHANN REINHARD ET AL., NATURE COMMUNICATIONS)
Die Forschenden führen das unter anderem auf technische Probleme beim Scannen zurück. Die acht Teilnehmer:innen mit den gut sitzenden Prothesen, haben ihr neues künstliches Auge mit ausgezeichnet oder sehr gut bewertet.
Neues Verfahren noch Proof-of-Concept
Für Menschen mit „komplexen Augenhöhlen“ bedarf es laut den Forschenden nach wie vor einer manuellen Fertigung durch Ocularist:innen, um eine passende Form zu erhalten. Derzeit können – laut den Autor:innen der Forschungsarbeit – 80 Prozent der Patient:innen, die eine Augenprothese benötigen, vom neuen Verfahren Gebrauch machen.
Noch handelt es sich bei dem Projekt um einen Proof-of-Concept, den die Forschenden noch weiter verfeinern wollen. Sie weisen außerdem darauf hin, dass mit mehr Forschung und der Erhebung weiterer Daten auch Gruppen von einer Augenprothese profitieren könnten, die im Moment nicht für Prothesen in Frage kommen.
Wenn die Kosten heute 1.000 Euro sind, was ist dann der um das fünffache reduzierte Preis?