Mehr Frauen für den E-Commerce: Diese vier Unternehmerinnen starten online durch
Ines Spanier, eine der Kategorie-Gewinnerinnen von Unternehmerinnen der Zukunft – in der Mitte. (Foto: Tobias Koch)
Der Onlinehandel braucht mehr starke Frauen. Da hilft es auch nicht, dass Roger Cicero „Frauen regier’n die Welt“ trällerte, da muss ein Ruck durch die Branche gehen. Oder wie Brigitte Zypries, ehemalige Bundeswirtschafts- und Justizministerin, es auf der Abschlussveranstaltung des Amazon-Coachingprogramms „Unternehmerinnen der Zukunft“ ausgedrückt hat: „Die deutsche Wirtschaft und die Politik müssen dafür sorgen, dass mehr Frauen in Deutschland in die digitale Poleposition kommen. Tun wir das nicht, wird Deutschland enormes wirtschaftliches Potenzial verloren gehen!“.
Amazon-Deutschlandchef Ralf Kleber nahm Amazon davon nicht aus und sah noch Handlungsbedarf: „Auch Amazon will intensiv daran arbeiten, optimale Ausgangsvoraussetzungen für Frauen zu schaffen.“ Um mehr Frauen zum Schritt ins Unternehmertun und in die digitale Zukunft zu motivieren, sind Vorbilder wichtig.
Vorbilder wie die 18 Teilnehmerinnen aus dem E-Commerce-Coachingprogramm von Amazon. Vier von ihnen wurden am 20. Juli für ihre unternehmerische Fortentwicklung ausgezeichnet. Ein Überblick über die Händlerinnen und ihre kreativen und spannenden Produkte.

Die erfolgreichen Teilnehmerinnen der Initiative Unternehmerinnen der Zukunft. (Foto: Tobias Koch)
Export, Umsatzsteigerungen, Eigenmarken: Was die Händlerinnen erreicht haben
Die vier Kategorie-Siegerinnen haben alle erstaunlich viel in sehr kurzer Zeit geschafft. Bei vielen Teilnehmerinnen des Coaching-Programms sind in knapp fünf Monaten neue Produktlinien entstanden, es wurden eigene Marken kreiert und mit dem Export ins Ausland wurden neue Märkte erschlossen. Manchmal sogar bis nach Japan.
Ausgezeichnet wurden die Gewinnerinnen aufgrund der Berichte der Coaches, der Umsatz war kein ausschlaggebendes Kriterium für die Jury um Brigitte Zypries, Jasmin Arbabian-Vogel, Präsidentin des Verbandes deutscher Unternehmerinnen (VdU), Tijen Onaran, Global Digital Women, Brigitte Huber, Editor in Chief der Brigitte und Eva-Maria Roer, Vorstandsmitglied des Bundesverbands E-Commerce und Versandhandel (BEVH). Ausgezeichnet wurde, wer sich besonders stark weiterentwickelt hat und besonders viel gewagt hat. Die Siegerinnen im Überblick.
Kategorie Von offline zu online: Ines Spanier von Farmtex

Ines Spanier von Farmtex – in der Mitte. (Foto: Tobias Koch)
Eins der ungewöhnlichsten Unternehmen im Feld ist Farmtex. Ines Spanier leitet den kleinen Hersteller und Händler von Silofolien. Diese Agrarfolien sind für die mehr oder weniger dekorativen Heuballen verantwortlich, die auf großen Wiesen in Plastik verpackt herumliegen. Außerdem werden damit auch – der Name verrät es schon – Silos abgedeckt.
Farmtex lieferte bisher überwiegend an Großverbraucher, beispielsweise an Landwirtschaftsgenossenschaften in Ostdeutschland, und an landwirtschaftliche Wiederverkäufer. Der direkte Verkauf an kleinere landwirtschaftliche Betriebe hatte sich für Farmtex nicht rentiert.

Händlershop von Farmtex bei Amazon. (Screenshot: Amazon)
Jetzt verkauft Ines auch an den Endverbraucher, denn sie hat nach der Digitalisierung ihrer Unternehmensstruktur ihren Vertrieb auf Amazon und Ebay ausgeweitet und verkauft dort nun B2B- und B2C-Produkte. Im Rahmen einer Social-Media-Kampagne hat Farmtex dann die neue Eigenmarke „Farmers Fun“ eingeführt und bisher schon über 700 Produkte verkauft. Farmers Fun verkauft allerlei Gartenzubehör an Hobbygärtner, völlig neue Produkte wurden dafür produziert: beispielsweise eine Gartenschürze. Ines’ Monatsumsatz auf Amazon ist mittlerweile fünfstellig und wächst von Monat zu Monat um sage und schreibe 100 Prozent. So viel Wachstum hat seine Folgen, von den 19 neuen Arbeitsplätzen, die von den Unternehmerinnen im Zuge der E-Commerce-Initiative geschaffen wurden, sind drei bei Farmtex entstanden.
Ines zeigt sich zufrieden mit ihrem Fortschritt: „Das Förderprogramm und vor allem mein Coach haben uns den Weg in den E-Commerce ermöglicht: Innerhalb weniger Monate haben wir unsere komplette Unternehmensstruktur und IT digitalisiert und einen professionellen Onlineshop aufgebaut – das hätte ich anfangs nicht für möglich gehalten.“
Kategorie Markenaufbau: Katrin ten Eikelder von The Knots

Brigitte Zypries und Katrin ten Eikelder, von links nach rechts. (Foto: Tobias Koch)
In schwierigen politischen Zeiten ist auch für manche Händlerin das Leben etwas schwieriger – davon kann auch Katrin ten Eikelder von The Knots ein Lied singen. Denn die Händlerin hat nicht nur ein ungewöhnliches Konzept, sondern auch eine ungewöhnliche Herstellersituation. Begonnen hat alles mit handgeknüpften Teppichen aus Iran, die The Knots aus Berlin dann gestalterisch veredelt. Jetzt verkauft Katrin auch Decken und Kissen und hat damit ihr Sortiment erweitert. Auch bei der Erweiterung gilt ein eisernes Gesetz: Nachhaltigkeit, die Katrin selbst kontrolliert. Die Produkte sind aus fairer Arbeit entstanden und werden aus biologischen Materialien hergestellt. Nachhaltigkeit ist für Katrin kein Label, sondern wird selbst in Iran geprüft. Die Hersteller sind persönlich handverlesen und The Knots achtet auf faire Löhne für die Mitarbeiter und ganz besonders darauf, dass keine Kinderarbeit unterstützt wird.

Nachhaltige Textilprodukte, fair gefertigt in Iran. (Screenshot: The Knots)
Zwei Dinge machen The Knots sehr einzigartig: Katrin führt eine handgeschriebene Kundenkartei, die für den Kundenservice relevante Informationen festhält. Daraus folgt eine sehr persönliche Kundenbetreuung, die in einem für Unikate einzigartigem Service mündet: einem Rückgaberecht.
The Knots schreibt von Beginn an schwarze Zahlen, hat von 2015 auf 2016 seinen Umsatz um 40 Prozent gesteigert und jetzt seinen Brandstore bei Amazon eröffnet. Der Start wurde mit Keyword-Kampagnen über Amazons Werbeformate beworben, ebenso über Facebook und Instagram. Highlight ist auch hier die Digitalisierung, besonders ein Enterprise-Ressource-Planning-(ERP) System, das eine verbesserte und automatisierte Abwicklung des Imports und der Verzollung ermöglicht.
Kategorie Marktplätze: Claudia Wendt von Heizungsdrache.de

Claudia Wendt von Heizungsdrache.de (Foto: Tobias Koch)
Alles nahm seinen Anfang an einem langweiligen Tag im damaligen elterlichen Heizungsbetrieb. Im Sommer sind traditionell wenig Monteursarbeiten zu erledigen und Zubehör verkauft sich dementsprechend auch nicht. Also versuchte Claudia ihr Glück mit einigen Heizungsprodukten wie Thermostaten auf Marktplätzen.

Alles rund um Heizung und Sanitär. (Screenshot: Amazon)
Und siehe da: Entgegen der Trends im lokalen Betrieb wird online auch im Sommer für die eigene Heizung eingekauft. Nach der Schließung des Betriebs besorgte sich die Heizungsdrachen-Gründerin einen Gründungszuschuss verkauft heute mit einem tragfähigen Online-Unternehmen an Heim- und Handwerker. Sie beschäftigt einen Vollzeit- und sechs Teilzeitmitarbeiter.
Im Rahmen des Coachings hat Heizungsdrache ein ERP-System eingeführt und einen Repricer eingesetzt – eine Softwarelösung, um Preisanpassungen an den Markt auf allen Verkaufskanälen zu optimieren. Seitdem ist der Umsatz auf Ebay um 27 Prozent angestiegen, im Onlineshop sogar um 54 Prozent.
Kategorie Export: Julia Ritter von Desiary

Julia Ritter von Desiary.de (Foto: Tobias Koch)
Desiary vertreibt seit 2009 erfolgreich Design- und Lifestyle-Accessoires, darunter viele ausgefallene Produkte wie Mini-Etageren oder Designkaraffen in Fischform. Julia hat bisher hauptsächlich Handelsware vertrieben und im Rahmen des Coachings jetzt die Eigenmarke Aorist geschaffen, deren Produkte in diesem Jahr auch erstmalig auf der großen Handelsmesse Trendset vorgestellt wurden.

Edle und ungewöhnliche Designstücke. (Screenshot: Desiary)
Das Augenmerk von Julia richtete sich besonders auf die Expansion ins Ausland. Mittlerweile ist Desiary auf allen fünf Landes-Marktplätzen von Amazon stark vertreten, aber auch im Onlineshop hat sich der Auslandsanteil verdoppelt. Insgesamt kommen jetzt 30 Prozent des Umsatzes aus dem Ausland.
Produkte der Teilnehmerinnen von „Unternehmerinnen der Zukunft“
Starke Vorbilder sind da, jetzt muss die Branche nur noch handeln
Während die Coaches und die vier Gewinnerinnen bald nach Seattle fliegen, um einen Blick ins Allerheiligste von Amazon zu werfen, bleibt die E-Commerce-Branche immer noch mit einem kleinen Frauenanteil zurück. Eine Handvoll erfolgreicher Frauen sind jetzt sichtbarer als vorher, ein Schritt auf dem Weg zu mehr weiblichen Vorbildern. Die ehemalige Bundesministerin Zypries meint, dass Diversität in Deutschland ohne Gesetze nicht zu schaffen sei, und führte als Argument eine gesetzlich herbeigeführte Quote von 29,7 Prozent in den Aufsichtsräten an. Divers aufgestellte Teams seien erfolgreicher, das sei durch zahlreiche Studien bewiesen, so Zypries. Da bleibt nur der Aufruf an die Tech-Branche, durch mehr Frauen für mehr Erfolg zu sorgen. An wirtschaftlichen Argumenten scheint es nicht zu fehlen.
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