Die „Mompetenz“ ist ihr Antrieb, mit dem sie auch bei der Startup-Show Die Höhle der Löwen antreten: Anika Schmidt und Lena Pieper wollen Mütter in die Selbstständigkeit bringen. Die beiden Mütter haben in diesem Jahr Freemom gelauncht – eine Plattform, auf der Mütter als Solo-Selbstständige Projektarbeit für Unternehmen übernehmen können. „Es gibt eigentlich gar kein Angebot auf dem Markt für Remote und Teilzeit, die in die Lebensrealität von so einer selbstständigen Mutter passen“, so Pieper. Dabei ist die „Mompetenz“: der Umgang mit unterschiedlichen Situationen, ständige Flexibilität und die optimale Nutzung der Zeit – eine Bezeichnung für die besondere Stärke, die die häufig unterschätzten Mütter hätten.
Überwindung alter Arbeitsmuster als Antrieb für die neue Arbeitswelt
Die beiden kennen die Herausforderungen, die der Einstieg in die Arbeitswelt nach der Elternzeit mit sich bringt, selbst. Schmidt und Pieper kommen aus dem Personalbereich, Pieper machte sich in der Branche nach ihrer Elternzeit als Freelancerin selbstständig – die alte Festanstellung passt nicht zum neuen Alltag. Das erlebte auch Schmidt. Fehlende Flexibilität und festgefahrene, alte Arbeitsmuster haben den beiden den Willen zur Veränderung gegeben: weg von der alten Arbeitswelt, hin zu New Work.
Die Plattform Freemom verfolgt von der Idee einen Mix aus Linkedin und einem Berufs-Tinder. Freelancer:innen legen Profile an, in denen sie ihre Erfahrungen aufführen. Unternehmen stellen sich und ihre Projekte vor. Anhand der jeweiligen Angaben schlägt ein Algorithmus dann vor, welche Auftragnehmerin zu einem:einer Auftraggeber:in passen könnte und umgekehrt.
Kultureller Fit trifft Kompetenz
Dabei würde der Algorithmus nicht nur Fachliches einbeziehen. „Er achtet auch auf den kulturellen Fit“, so Pieper. Das hebe sie von anderen Freelancer:innen-Plattformen ab und ist den Gründerinnen wichtig. Sie haben selbst bereits jahrelange Erfahrung im HR-Bereich und wissen, dass für eine funktionierende Zusammenarbeit nicht nur das passende Know-how, sondern auch übereinstimmende Werte wichtig sind.
Bekommt etwa ein:e Freelancer:in einen Vorschlag für einen Auftrag, kann sie diesen direkt als interessant markieren und das Unternehmen kontaktieren. Sie muss also nicht erst eine Art „Like“ schicken und auf ein „Like“ als Reaktion warten, um in Kontakt zu treten. Genau so ist es bei Unternehmen, die – sofern der Vorschlag durch den Algorithmus kommt – die Person direkt kontaktieren können.
Anfang September 2023 sind etwa 450 Freelancer:innen angemeldet, die Zahl der verfügbaren Projekte lässt sich noch an den Fingern abzählen. Gelauncht haben sie Freemom am 14. Mai 2023. „Wir wollten zum Muttertag live gehen und haben dann durch Zufall festgestellt, dass das in Deutschland der Tag der Freelancer ist – das war krass“, schmunzelt Schmidt.
Erst die Mütter, dann die Unternehmen
Vor dem Launch hatten Pieper und Schmidt schon 2022 eine Landingpage für ihr Projekt gestartet, sie wollten erst eine Community der interessierten Mütter aufbauen. Die Idee: erst den Bedarf an Aufträgen auf ihrer Seite sammeln und damit Unternehmen direkt einen Pool an potenzielle Freelancer:innen vorschlagen zu können.
Genau diese Kompetenz ist ein Argument für Unternehmen, auf die Plattform zu kommen. Auf dem üblichen Berufs-Markt würden sie diese Personen wahrscheinlich nicht finden. „Sie bekommen sehr erfahrene Menschen, die sie für eine Festanstellung vielleicht gar nicht gewinnen könnten“, so Schmidt. Fast alle Freelancer:innen auf der Plattform hätten mehr als zehn Jahre Berufserfahrung. Teilweise seien Personen mit einer Konzern-Laufbahn dabei, die normalerweise für ein Mittelstands-Unternehmen gar nicht bezahlbar wären. Zudem sei für Unternehmen auch die Möglichkeit der Projekt-bezogenen Zusammenarbeit verlockend, da sie nur einen zeitlich begrenzten Bedarf decken können.
Finanzierung über Servicegebühr
Freemom selbst finanziert sich durch die Serviceleistungen, die sie während der Zusammenarbeit von Freelancer:innen und Unternehmen erbringen. Sie kümmern sich etwa im Vorfeld, bevor ein Vertrag geschlossen wird, um die Prüfung der notwendigen Dokumente und wickeln im weiteren Verlauf – wenn die Freelancer:in ein Projekt hat – die Rechnungserstellung ab. Über diese Rechnung bekommen sie dann auch die Servicegebühr, an der sie verdienen.
Das reine Zusammenfinden bringt Freemom daher nichts. Das ist ein Risiko: Schließlich könnten Unternehmen und Freelancer:in ihre Kontaktdaten austauschen und die Zusammenarbeit ohne Freemom beginnen. In ihren AGB hätten sie versucht, das so weit wie möglich zu regeln. Außerdem sehen sie die Serviceleistungen und die Beratung, die sie bringen, als Grund, auf der Plattform zu bleiben. „Wir sind keine reine Matching-Plattform, sondern bilden alle weiteren Prozessschritte automatisiert mit ab“, fasst Pieper zusammen.
Scheinselbstständigkeit wird geprüft
Jedes Profil schalten die beiden selbst frei, sie schauen auf die Erfahrungen und den eigenen Verkauf der Person. Sollte ihnen dabei etwas Verbesserungswürdiges auffallen, würden sie mit den Betroffenen in Kontakt treten und sie beraten. Außerdem sehen sie etwa bei Unternehmen die Prüfung der Scheinselbstständigkeit, die zum regulären Service gehört, als Nutzungsargument für Freemom.
Für die Prüfung arbeiten sie mit einem externen Unternehmen zusammen, für die Plattform im Allgemeinen und den Algorithmus haben sie einen IT-Dienstleister. Dennoch sind sie auch in technischen Entwicklungen involviert und hätten etwa selbst einen Klick-Dummy für ihre Plattform erstellt. „Die dachten vielleicht auch erst, ‚da sitzen jetzt zwei Muttis, die wollen die Welt verbessern‘ – aber dann haben sie zwei Unternehmerinnen gesehen“, so Pieper.
Bei Freemom sind alle willkommen
Was als Zwei-Women-Show begann, ist mittlerweile zu einem sechsköpfigen Team gewachsen, vier Freelancer:innen unterstützen die beiden Gründer:innen. Aktuell wollen sie damit besonders den Vertrieb antreiben, um mehr Personen und Unternehmen zu Freemom zu bringen. Dabei ist die Plattform zwar dem Auftritt nach an eine spitze Zielgruppe gerichtet, allerdings wird auf der Plattform weder das Geschlecht noch der Kinderstatus überprüft. „Neulich hatte ich ein Gespräch mit einer Frau, die einen Hund hat, sie suchte ein Arbeitsmodell, wo sie ihren Hund integrieren kann“, sagt Pieper.
Insgesamt seien alle bei Freemom willkommen, besonders jene, deren Alltag durch Care-Arbeit, wie die Arbeit als Mutter oder die Pflege von Angehörigen, geprägt ist. Zeitnah sollen immer mehr Projekte verfügbar sein. Damit wollen die Gründerinnen selbst die neue Arbeitswelt mitgestalten: Ihr Ziel ist die Work-Life-Karriere, bei der jede:r die Chance hat, Alltag und Arbeit erfolgreich und nach eigenem Plan zu gestalten. „Wir wollen eine Arbeitswelt, die für alle funktioniert“, so Schmidt.
FreeMOM verfolgt wirklich eine beeindruckende Vision, sich für mehr Vereinbarkeit von Beruf und Familie einzusetzen und durch Freelancing eine sichere Work-Life-Karriere für Working Moms zu schaffen. Im Rahmen des Thuringian Regional Innovation Program haben sie ihr Geschäftsmodell noch einmal geschärft, abschließend auf der Bühne der Investor Days Thüringen präsentiert und dadurch den Publikumspreis gewonnen. Durch diese Zusammenarbeit kennen wir das Team schon lange uns wissen, was für eine unglaubliche Kompeten und Leidenschaft die zwei Gründer:innen für ihr Thema haben! Einen herzlichen Glückwunsch noch einmal!!