Gute Führung: Wie aus Stress im Team wieder echte Leidenschaft wird

Unter Druck entstehen Diamanten, so sagt man. Da ist grundsätzlich korrekt – wenn der Druck mehr als 100 Kilobar beträgt und die Umgebung mehr als 1.000 Grad heiß ist. Am durchschnittlichen Büroarbeitsplatz wird das also nichts mit den Diamanten. Menschen werden durch Druck krank, wenn dieser länger anhält, ungesunde Dimensionen annimmt und ihre Selbstbestimmung dabei verloren geht.
Die Folgen von Stress sind bekannt: Menschen werden körperlich und seelisch krank. Das ist kein Zeichen von Schwäche, sondern eine normale biologische Reaktion. Das bedeutet: Wer mit Druck versucht, sein Team zu Höchstleistungen zu bringen, spielt mit der Gesundheit der Menschen und der Performance der Abteilung. In Zahlen: Mehr also 40 Milliarden Euro kostet der Stress der Arbeit in Deutschland. Jedes Jahr.
„Sie bringen Leidenschaft mit“, heißt die Lösung in den Stellenanzeigen. Leidenschaftliche Menschen haben bei der Jobbörse Indeed mehr als 161.000 Möglichkeiten – von Stellen als Florist:in bis Staplerfahrer:in. Doch zwischen Leidenschaft und Leidensbereitschaft ist noch ziemlich viel Raum.
Wissenschaftlich gesehen trägt uns Leidenschaft durch harte Zeiten. Leidenschaft verspüren Menschen dann, wenn sie lieben, was sie tun, es hoch schätzen, regelmäßig tun und die Handlung Teil ihrer Identität wird. So beschreibt es der Psychologe und Leidenschaftsforscher Robert Vallerand in seinem Buch The Psychology of Passion: A Dualistic Model.
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Wie Leidenschaft wirkt, hängt auch von ihrer Art ab. Vallerand unterscheidet harmonische und obsessive Leidenschaft:
- Harmonische Leidenschaft empfinden Menschen, wenn sie eine Aktivität aus sich heraus lieben.
- Obsessive Leidenschaft empfinden Menschen, wenn sie nicht anders können.
Ein Team von kanadischen Psycholog:innen hat Vallerands Konzept auf körperlicher Ebene untersucht. Für Studierende mit einem Medianalter von 27 Jahren wurde zunächst festgestellt, ob sie eher zu harmonischer Leidenschaft neigten oder zu obsessiver Leidenschaft. Dann wurden ihnen Aufgaben gestellt und körperliche und emotionale Reaktionen gemessen. Ergebnis: Harmonische Leidenschaft sagte voraus, dass Körper und Psyche sich an die Herausforderung anpassten. Obsessive Leidenschaft hatte nicht den gleichen Effekt. Die Betreffenden werteten die Aufgaben eher als Bedrohung und zeigten mit größerer Wahrscheinlichkeit Stress-Symptome.
Leidenschaft als Einstellungskriterium wird also niemanden weit bringen. Für Führungskräfte in herausfordernden Berufen bedeutet das: Sie müssen nicht mehr tun. Sie müssen mehr aushalten. Es gibt Strategien, die der Leidenschaft Raum geben:
- Selbstbestimmung erlauben. Egal, wie leidenschaftlich Job-Kandidat:innen sind – Mikromanagement und fehlende Freiheitsgrade ruinieren diese Begeisterungsfähigkeit ganz schnell.
- Selbstfürsorge erlauben. In manchen Teams ist ein ungesundes Gegeneinander entstanden. Wer Menschen zugesteht, dass sie selbst einschätzen können, wann sie eine Pause brauchen, erlaubt ihnen, sich selbst leistungsfähig zu halten.
- Selbstwirksamkeit erlauben. Die Person hat etwas erreicht? Wer die Leistungen angemessen feiert und sie nicht dem eigenen Führungsdruck zuschreibt, stärkt die erlebte Selbstwirksamkeit. Dieses Gefühl stärkt.
Leidenschaft lässt sich nicht anordnen. Wer Stress in Leidenschaft verwandeln will, der muss Druck rausnehmen und Freiheitsgrade reingeben. Das mag sich wie ein Risiko anfühlen. Doch wer Leidenschaft will, muss Leidenschaft ermöglichen.
Grundlage der Leidenschaft ist die Selbstwirksamkeit am Arbeitsplatz: Menschen müssen erleben, dass das, was sie tun, etwas bewirkt. Sie brauchen die Freiheit, selbst über ihre Arbeitsschritte zu bestimmen, und die Erlaubnis, dabei neue Wege zu gehen. So kann aus einem stressigen Job-Umfeld eines werden, das Leidenschaft erlaubt. Keine Work-Life-Balance der Welt kann gute Führung ersetzen.
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