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MIT Technology Review Interview

Robocup 2024: Humanoide Roboter kicken um den WM-Titel

Beim Robocup 2024 in den Niederlanden wird das Team B-Human der Universität Bremen als Titelverteidiger antreten. Ein Gespräch über Taktik und Technik – und darüber, was der Wettbewerb über den Stand der humanoiden Robotik verrät.

6 Min.
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Roboter beim Spielen (Bild: Team B-Human, Uni Bremen)

Im Sommer dürfen sich Fußballbegeisterte nicht nur auf die Europameisterschaft freuen, sondern auch auf eine Weltmeisterschaft – wenngleich eine der besonderen Art. Beim Robocup in Eindhoven werden statt Menschen Roboter auf dem Platz stehen, entwickelt beziehungsweise programmiert von Studierendenteams. Besonders erfolgreich ist bisher das Team B-Human der Universität Bremen und des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz. Der zehnfache Weltmeister tritt in der „Standard Platform League“ an, in der die Hardware mit dem  humanoiden Roboter Nao vorgegeben ist. Es kommt allein auf die Software an.

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Der „Cheftrainer“ Thomas Röfer berichtet vom Erfolgsrezept, von Zukunftsplänen und wie sich der Sport in den letzten Jahren weiterentwickelt hat.

MIT Technology Review: Sie nehmen seit 2001 mit Studierendenprojekten am Robocup teil, in verschiedenen Ligen, von der „Soccer Simulation League“, die nur am Rechner stattfindet, bis zur „Standard Platform League“ mit humanoiden Robotern auf dem Spielfeld. Was ist das Ziel?

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Thomas Röfer: Das Ziel des Wettbewerbs ist für alle Ligen das gleiche, nämlich dass 2050 Roboter, die so groß sind wie Menschen, in einem regulären Fußballstadion eine Menschen-Mannschaft besiegen können. Da sind wir natürlich jetzt noch nicht. Unsere Roboter zum Beispiel sind nur 58 Zentimeter hoch.

Aber Verbesserungen hat es in den letzten Jahren vermutlich gegeben? 

Auf jeden Fall. Als wir mit dem Nao 2009 das erste Mal angetreten sind, haben wir noch drei gegen drei gespielt. Ein Tor war blau, das andere gelb und der Ball orange, damit die Objekterkennung funktioniert. Es wurde auch peinlich genau darauf geachtet, dass bloß kein Licht von außen reinkam und die Beleuchtung immer konstant war. Heute sind die Tore weiß und der Ball ist schwarz-weiß, zwar noch standardisiert, aber wie ein Fußball eben. Wir spielen sieben gegen sieben und wir freuen uns, wenn die Sonne durchs Fenster scheint. Im Grunde können wir unsere Roboter bei einem Turnier auspacken, sie direkt aufs Feld stellen und dann spielen sie Fußball. Meistens jedenfalls. Der letzte Wettbewerb – die German Open in Kassel – hat uns dann doch daran erinnert, dass es nicht immer so funktioniert.

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Was war da los?

Es war recht dunkel und die beiden Kameras im Nao sind deutlich schlechter als zum Beispiel Handykameras. Außerdem stecken sie im Kopf des Roboters – eine hinter der Stirn, die andere hinter dem Mund – und beim Laufen wackeln sie, sodass das Bild sehr unscharf wird, wenn die Belichtungszeit steigt.

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Ihr Team ist den anderen Mannschaften der Liga offenbar haushoch überlegen. Es ist zehnfacher Weltmeister und hat etwa die letzte Weltmeisterschaft in Bordeaux mit 76 : 0 Toren in acht Spielen gewonnen. Was ist das Erfolgsrezept?

Im Grunde wundert uns diese Überlegenheit selbst ein bisschen, denn wir veröffentlichen unseren Code, wie es die Statuten des Robocups fordern, und tatsächlich nutzen auch viele Teams unseren Code. Aber die Liga sieht eben auch vor, dass jedes Team einen gewissen Eigenanteil leisten muss. Und durch diese Änderungen wird die Software offenbar schlechter. Was uns aber auf jeden Fall auszeichnet, ist, dass unsere Studierenden mehr Zeit in das Projekt stecken können als viele andere Teams. Sie können bei uns quasi hauptberuflich arbeiten, weil sie ihre Arbeit als studentisches Projekt anrechnen lassen können.

Mit welcher Methode programmieren die Studierenden die Roboter?

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Wir haben dazu vor allem neuronale Netze für die Wahrnehmung trainiert, also für die Erkennung von Ball, Feldrand, Torpfosten, Linienkreuzungen und Elfmeterpunkt und für die Erkennung von anderen Spielern. Ein Netz sagt auch die aktuelle Stellung der Gelenke vorher, da die Messungen, die der Roboter liefert, typischerweise bereits 36 Millisekunden alt sind. Die Spielzüge wiederum werden über hierarchische Zustandsmaschinen beschrieben und sind nicht gelernt, sondern konventionell programmiert. Zwischen Wahrnehmung und Entscheidungen liegt noch die Weltmodellierung. Sie schreibt die Informationen, die von der Wahrnehmung kommen, über die Zeit fort, sodass der Roboter zum Beispiel weiß, wo der Ball ist, auch wenn er ihn aktuell gerade nicht sieht.

In Videos vom Robocup ist zu sehen, dass humanoide Roboter doch eher noch im Schneckentempo unterwegs sind. Manche fallen auch ohne erkennbaren Grund um oder bleiben einfach stehen, obwohl ihnen gerade der Ball abgenommen wird …

Die Bewegungsmöglichkeiten sind im Wesentlichen durch den Hersteller vorgegeben. Der Nao hat einfach gewisse Grenzen durch sein Gewicht, durch die eingebauten Motoren in den Gelenken und durch seine Rechenleistung. Er läuft nach wie vor mit nur circa 30 Zentimetern pro Sekunde. Außerdem hat er relativ voluminöse Körperteile und recht kurze Arme. Deshalb haben wir in unserer Liga auch keinen Einwurf, sondern eine Art Einschuss. Der Roboter ist schlicht nicht in der Lage, einen Ball vom Boden aufzuheben. Der Robocup spiegelt eben auch den technologischen Entwicklungsstand der Robotik wider. Und jeder, der sich so ein Fußballspiel anguckt, wird sehen: Bis Roboter die Weltherrschaft übernehmen, wird es wohl noch ein bisschen dauern.

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Können Sie denn über die Software steuern, wie geschmeidig die Bewegungen sind?

Ja, da haben wir einen Ex-Studierenden, der in seiner Freizeit daran arbeitet, die Bewegungen noch weiter zu verbessern. Auch das ist ein Grund, warum wir momentan so erfolgreich sind. Weil unsere Roboter recht robust laufen.

Was will Ihr Team trotz der aktuellen Überlegenheit künftig noch besser machen?

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Momentan haben wir eben das Gefühl, dass uns der Roboter, also die vorgegebene Hardware, recht stark einschränkt – nicht nur was die Bewegungsfähigkeiten betrifft. Auch ein größeres Sichtfeld wäre hilfreich. Aber wir können natürlich softwareseitig noch Dinge verbessern. Ein nächstes Ziel ist zum Beispiel, die Kommunikation der Roboter untereinander weiter zu reduzieren. Am Ende, in einem echten Fußballstadion, sollen sie sich ja nur so viel zurufen wie menschliche Fußballspieler. Und um die Kommunikationsbedarf zu senken, ist es wichtig, über die Software die Wahrnehmungsfähigkeiten zu verbessern.

Wo liegen da die größten Probleme?

Unser Roboter kann zum Beispiel momentan noch nicht erkennen, in welche Richtung ein anderer Roboter gerade schaut, ob dieser also den Ball sieht. Die Entscheidung, wer zum Ball geht, wird deshalb momentan vor allem über die Kommunikation getroffen. Die Roboter teilen sich gegenseitig ihren Standort mit und ihre Entfernung zum Ball. Nur: Bis zu einer Handlungsentscheidung dauert es natürlich relativ lange. Diese Zeit wollen wir nun mit einer besseren Wahrnehmungssoftware verkürzen. Außerdem arbeiten wir gerade daran, dass die Roboter ihre Mitspieler von den Gegenspielern über die Farbe der Trikots unterscheiden können. Wir haben zwar schon eine Farberkennung implementiert und die funktioniert auch ziemlich gut, wenn wir gegen die Holländer mit ihren orangenen Trikots spielen. Von unserer Standard-Trikotfarbe Schwarz lässt sich das gut unterscheiden. Schwierig wird es, wenn die Gegenspieler keine grellen Trikotfarben tragen und nur wenig Licht auf sie fällt.

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Wie funktioniert die Kommunikation mit dem Schiedsrichter?

Der Schiedsrichter übermittelt seine Entscheidungen über einen Rechner per WLAN. In unserer Liga sollen die Roboter aber mittlerweile auch Pfiffe und einfache Gesten erkennen können. Bei den German Open in Kassel klappte die Gestenerkennung bei den meisten Teams allerdings noch nicht so gut. Das Ziel ist, dass man den Rechner irgendwann gar nicht mehr braucht und dass die Roboter wie Menschen auf die Ansagen eines Schiedsrichters reagieren können, wenn der zum Beispiel eine gelbe Karte zieht. Das ist ein Aspekt, der in den meisten Ligen noch völlig ignoriert wird.

Im Juli steht nun erstmal der nächste Robocup an. Wagen Sie eine Prognose: Wird das B-Human-Team ein elftes Mal als Weltmeister vom Feld gehen?

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Wir sind als Titelverteidiger in Eindhoven dabei. Wahrscheinlich wird es zur Neuauflage des in den letzten Jahren üblichen Finales kommen: die HTWK Robots aus Leipzig gegen uns. Und dann sehen wir mal, wie es ausgeht.

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