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Gamification: Nix als Spielerei?

„Ein bisschen Spaß muss sein!“, wusste schon Roberto Blanco. Und wie recht er damit hat, beweisen verschiedenste Projekte, die trockene Themen buchstäblich spielerisch zu etwas Angenehmem aufmöbeln.

Von Christian Schmidt
4 Min. Lesezeit
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(Foto: Shutterstock / sezer66)

Gamification mag für manchen bereits ein alter Hut oder nur ein Buzzword sein, dessen Halbwertzeit bereits stark überschritten ist. Wenn man sich jedoch anschaut, wie selten spielerische Mechanismen außerhalb von Konsolen zur Anwendung kommen, muss man sich ernsthaft fragen, ob diese nicht schlichtweg unterschätzt beziehungsweise grundsätzlich falsch verstanden werden.

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Gamification bedeutet, Spiele-Mechanismen auf spielfremde Umgebungen anzuwenden. Ihr Ziel ist, den Spieltrieb des Anwenders zu aktivieren und ihn so mit Spaß und Freude an ein Produkt beziehungsweise einen Service zu binden. Wer jetzt denkt, das sei in seiner Branche nicht realisierbar, der irrt. Denn Gamification ist nahezu überall anwendbar – man muss nur wissen wie. Hierzu einige spannende Beispiele aus verschiedenen Branchen rund um den Globus.

Recruiting mit Schlagkraft

Was liegt näher, als potenzielle Bewerber mit einem packenden, zielgruppenkonformen High-End-Game zu locken? Fragte sich die US-Army und statuierte ein ebenso umstrittenes wie zugleich erfolgreiches Exempel. Unter dem Titel „America’s Army Proving Grounds“ werden im Team Kriegssimulationen durchgespielt – ähnlich wie in den beliebten Egoshooter-Blockbustern. Der Unterschied: America’s Army vermittelt per Gamification auch Informationen über militärisches Training, Taktiken und Strategie sowie über die Karriere bei der Armee.

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Das Spiel ist kostenlos erhältlich und ohne Altersbeschränkung, da weitestgehend auf Gewaltdarstellungen verzichtet wurde. Laut Aussagen im Pressebereich haben im Laufe der Jahre mehr als 15 Millionen Spieler einen Account angelegt und rund 278 Millionen Stunden damit verbracht, die Army über dieses Spiel kennenzulernen. Natürlich bietet die Spiele-Website auch eine Möglichkeit, sich direkt für eine Stelle bei der US-Army zu bewerben.

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Reisen mit Preisen

Während wir es in Deutschland gewohnt sind, uns zu Stoßzeiten in Bus und Bahn zu quetschen, gab es in Singapur bereits 2012 das erste Gamification-Projekt, um gegen diese unangenehmen Reisebedingungen zur Rush-Hour vorzugehen. In Form der „Travel Smart Rewards“ wurden Anreize geschaffen, die Pendler für die Nutzung der verkehrsschwachen Zeiten begeistern sollen. So gilt es, Aufgaben beziehungsweise Challenges zu bewältigen, die mit verschiedenen Cashback-Stufen belohnt werden. Zudem gibt es eine monatliche Verlosung mit Extrapreisen. Innerhalb von sechs Monaten konnten so 7,5 Prozent der Reisenden von Peak zu Off-Peak Zeiten bewegt werden.

Wie man den öffentlichen Nahverkehr mit lokalem Business verknüpfen und somit weitere Mehrwerte schaffen kann, macht das Projekt „Catch the O“ anschaulich. Hiermit wurde nicht nur eine neue Bahnlinie in Portland beworben, sondern auch gleich die Nachbarschaft der Zugstrecke gamifiziert. Bluetooth-Beacons in lokalen Unternehmen und Kunstinstallationen sendeten Signale, die per App erfasst werden konnten. Für jedes gefundene und eingefangene Signal gab es Punkte, an einigen Beacons sogar kostenlose oder vergünstigte Artikel. Am Ende des zweiwöchigen Spiels nahmen die Spieler mit den meisten Punkten an einer Gewinnverlosung teil.

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Spielendes Klassenzimmer

Wenig überraschend kann Gamification auch im Schulunterricht als echter Game-Changer funktionieren. Ein absolutes Paradebeispiel dafür liefert Classcraft. Bei diesem Konzept wird die Lernerfahrung revolutioniert, indem man sie mit Hilfe von Mechanismen beliebter Rollenspiele kombiniert. Die Schüler spielen dabei Charaktere wie Krieger, Heiler oder Magier. Durch positive Handlungen wie etwa Fragen richtig zu beantworten oder in Tests gut abzuschneiden, sammeln sie Punkte. Zuspätkommen und ähnliches wirkt sich wiederum negativ auf den Punktespiegel aus.

Sind genügend Punkte erreicht, können damit bestimmte Belohnungen freigeschaltet werden, wie zum Beispiel die Erlaubnis, im Unterricht zu essen oder spezielle Notizen mit in die nächste Prüfung zu nehmen. In Kombination mit weiteren Mechanismen wie Spezialmissionen, Events und der Möglichkeit, bestimmte Bestrafungen durch Sondertaten abzuwenden, bleibt das System spannend und sorgt dafür, dass keine langweilige Routine entsteht. Positive Erfahrungen hat man damit mittlerweile auch an deutschen Schulen gesammelt, wie der TV-Sender KIKA berichtete.

Gewusst wie (nicht)

Wie bei so vielem im Leben, kommt es auch bei Gamification nicht nur darauf an, dass man es macht, sondern vor allem, wie. Oder besser gesagt, wie nicht. 2012 schuf die Lufthansa in Kooperation mit Foursquare das Kundenbindungsprogramm Lufthansa Blue Legends, bei dem die Airline auf Gamification setzte. So lobenswert die frühzeitige Anwendung dieser Mechanik war, so blauäugig ging man damit um. Denn das essenzielle Kernelement einer jeden Gamification wurde hier leider völlig falsch eingeschätzt: der Mehrwert für den Teilnehmer.

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So nahm man irrtümlich an, dass das Einchecken und damit verbundene Sammeln von Badges als Belohnung ausreichen würde, um hiermit einen Hype loszutreten. „Prestige“ alleine genügt jedoch nicht, um Anwender dauerhaft zum Mitmachen zu begeistern. Das musste auch die Lufthansa feststellen und stellte das Projekt wieder ein. Fazit: Um Gamification erfolgreich anzuwenden, muss man den Mut haben, tatsächlich etwas herzugeben.

Abenteuer Wissen

Wie man nach diesem kurzen Streifzug durch die internationale Gamification-Welt vielleicht vermuten mag, gehört dieses Thema jedoch nicht der Vergangenheit an. Auch aktuell entstehen großartige Projekte, die den Spaßfaktor nutzen, um alltägliche Situationen spielerisch zu bewältigen. So stellte das Unternehmen Ubisoft auf der diesjährigen Gamescom-Konferenz ein Derivat seiner Spielereihe Assassin’s Creed vor. In Person eines Assassinen erlebt man dabei spannende Abenteuer in verschiedenen Zeitepochen.

Um dies zu einem realitätsnahen Erlebnis werden zu lassen, arbeiteten die Produzenten mit Historikern zusammen. Das Setting des letzten Spiels, das zur Zeit der Pharaonen handelt, setzte man in Schulen ein, um die Wissensvermittlung über das alte Ägypten anhand eines Games zu testen. Wenig verwunderlich machte das den Schülern nicht nur mehr Spaß, sondern trug tatsächlich auch zu guten Lernergebnissen bei.

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Fazit

Dieser Querschnitt aus Branchen rund um den Globus zeigt, wie vielseitig und schlagkräftig der Einsatz von Gamification ist. Es handelt sich hierbei nicht um einen Trend, sondern um die sinnvolle Ansprache eines menschlichen Urtriebs. Es wird Zeit, dass insbesondere in Deutschland das Spielen ernstgenommen und als seriöses Business-Tool etabliert wird. Denn ist es nicht auch ein Zeichen von Intelligenz, das Nützliche mit dem Angenehmen zu verbinden?

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2 Kommentare
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Dein t3n-Team

Michael E-R

Also ich finde Gamification einen sehr interessanten Ansatz. Habe selbst mit der App bzw. der dazugehörigen Website „Habitica“ sehr gute Erfahrungen gemacht.

Antworten
David

Wie so oft, eine schöne Sache mit enormem Missbrauchspotential. Das Vorgehen der Army zeigt das eindrucksvoll auf. Passend dazu pirscht ja auch unsere Bundeswehr verstärkt durch die Klassenzimmer, um bereits Minderjährige von den Vorzügen echten Mord- und Totschlags zu überzeugen.

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