Gendermarketing ist umstritten: Warum Firmen dennoch darauf setzen
Der eine (trocken) passt zum Grillabend mit den Männern, der andere (halbtrocken) zum Mädelsabend. Beim Wein setzt der Discounter Penny auf geschlechtsbasierte Empfehlungen. Ein anderes Beispiel liefert die Naturkosmetikfirma Kneipp bei einer Produktreihe für Kinder. Die pinkfarbenen Badekristalle, mit Einhorndesign, kosten fast einen Euro mehr als die blauen, mit einem Astronauten.
Höhere Preisbereitschaft möglich
Produkte, die sich Klischees zunutze machen, um gezielt weibliche Zielgruppen anzusprechen – wie der rosa Einhornstaub – sind tendenziell teurer. Diese Teuerung wird auch als Pink Tax bezeichnet, die Produkte um mehr als 50 Prozent verteuern kann. Unternehmen legen dabei die Annahme zugrunde, dass Frauen im Vergleich zu Männern eher bereit sind, mehr zu bezahlen. „Wenn ein Produkt für Frauen aus gesellschaftlichen oder persönlichen Gründen wichtig ist, dann bedeutet das in der Regel, dass eine höhere Preisbereitschaft vorliegt“, erklärt Marketingprofessor Michael Schleusener.
Allerdings sieht er diese Bereitwilligkeit in Zusammenhang mit Produktmerkmalen, die einen zusätzlichen Nutzen bringen oder ein Bedürfnis besonders stillen – etwa nach einem speziellen Design. Gendermarketing ist aus Schleuseners Sicht sinnvoll, wenn sich bestimmte Wünsche und Erwartungen einem Geschlecht zuordnen lassen. Allerdings sei diese Zuordnung schwierig, da stets viele Faktoren bedacht werden müssten. Das Geschlecht sei in der Regel eine ähnlich grobe Einteilung wie das Alter.
In der Umsetzung zeigt sich, dass Unternehmen statt tiefgehender Produktanpassung im Marketing eher den leichten und bekannten Weg gehen. Dieser nutzt gängige Klischees, um Männer oder Frauen anzusprechen – wie die Farbgebung. „Die Frage ist, welchen Nutzen die Farbe stiftet“, so der Professor.
Gleichstellungsgesetz verbietet Preise, die ein Geschlecht benachteiligen
Ein Beispiel für eine plumpe Umsetzung liefert die Firma A. Nattermann & Cie. mit ihrem Schmerzmittel Buscpoan, für das sie in pinkfarbener Verpackung bei gleicher Rezeptur mehr verlangt haben, als in der herkömmlichen Variante. Diese Art des Gendermarketings, bei der ein baugleiches Produkt durch eine andere Verpackung teurer wird, ist in Deutschland durch das Gleichstellungsgesetz verboten. Dennoch treten solche Fälle immer wieder auf. Jahrelang kosten Rasierschaum und Rasierklingen mit einem pinkfarbenen Look bei gleichem Produkt mehr. Nachdem das immer häufiger öffentlich kritisiert wurde, sind Hersteller davon abgewichen. Gerade durch Duftstoffe und Design geben sie ihrem Produkt jetzt einen zusätzlichen Mehrwert, mit dem sie Aufpreise rechtfertigen.
Generell ist das Gendermarketing laut Schleusener in Deutschland negativ besetzt, da der Begriff mit Diskriminierung verbunden wird. Er verweist darauf, dass das Wort im englischen Sprachgebrauch bedeute, unterschiedliche Dinge unterschiedlich zu behandeln. Gendermarketing muss dabei nicht zwangsläufig einem Geschlecht schaden. „Mit gezieltem Gendermarketing machen Unternehmen Frauen vielleicht auf Produkte aufmerksam, die sie sonst gar nicht wahrnehmen würden“, meint Schleusener.
Bosch-Akkuschrauber als frühes Beispiel für modernes Gendermarketing
Als Beispiel nennt der einen handlichen Akkubohrschrauber von Bosch. Der Werkzeughersteller habe das Werkzeug gezielt an Frauen vermarktet, allerdings habe er auch das Produkt an Bedürfnisse der Zielgruppe angepasst. Es war leichter und hatte eine bessere Bedienbarkeit im Vergleich zum herkömmlichen Gerät, wie das Deutsche Institut für Marketing schreibt.
Dabei gibt Schleusener aber auch zu bedenken, dass das nicht bedeutet, durch die Vermarktung den Verkauf auf eine Gruppe zu beschränken. „Wer sagt, dass nicht auch Männer einen leichteren Akkubohrschrauber bevorzugen?“, fragt Schleusener.
Werbung braucht keinen Sexismus. Die Diversity-Expertin Isabel Gabor gibt Tipps, worauf dabei geachtet werden muss:
Der Werkzeughersteller trat damit schon zum Beginn des Jahrhunderts eine Diskussion los, ob das Marketing for Women, wie Gendermarketing auch genannt wird, positiv oder negativ zu bewerten ist. Eine eindeutige Antwort gibt es darauf bis heute nicht. Untersuchungen hätten laut Schleusener etwa unterschiedliche Suchverhalten im Internet gezeigt, die Unternehmen bei der Websitegestaltung beachten sollten. Das müsse berücksichtigt werden, um den Bedürfnissen beider Geschlechter gerecht zu werden.
Solange Klischees verbreitet sind, werden sie zum Gendermarketing genutzt
Das durchschaubare Marketing mit blauer und pinker Farbgebung wird zudem nicht für immer bestehen bleiben. „Zu Beginn des vorherigen Jahrhunderts war die farbliche Zuordnung noch eine andere, das ist immer ein gesellschaftliches, aktuelles Phänomen“, sagt er. Die Farben können sich ändern, ebenso wie die Klischees, auf denen ungeschicktes Gendermarketing fußt.
Die Folge ist, dass Unternehmen diese Stereotype nur nutzen, solange sie in der Gesellschaft verbreitet sind. Bedingt ist das auch durch die gesellschaftliche Prägung, die Menschen ab frühen Kindheitstagen beeinflusst. Das zeigt sich auch bei der Debatte um Sexismus in der Werbung. Wissenschaftlich ist es laut Schleusener schwer festzustellen, inwiefern Marketing diese Geschlechtszuordnungen befeuert oder einfach aufgreift und sich demzufolge anpasst, sobald sich die breite gesellschaftliche Meinung ändert.