
Genderwahn, Sprachverstümmelung, unlesbar – Schreibfehler. So kritisieren Gegner geschlechtergerechter Sprache Bücher in Rezensionen. Und ganz ehrlich: Manchmal haben sie recht. Auch nach Jahren geben sich viele Menschen keine Mühe. Es gibt eine gewisse Bockigkeit beim sprachlichen Ausdruck: „Wenn ich das machen muss, dann mache ich es schlecht. Oder ich mache es gar nicht, denn es beschneidet mein Freiheitsrecht.“ (Frei erfundenes Zitat ohne Quelle.)
Neulich hatte ich ein Fachbuch in der Hand, in das der Übersetzer seinen ganzen Hass aufs „Gendern“ hat einfließen lassen. Ganze Sätze waren aufgeladen mit „Psychologinnen und Psychologen, Soziologinnen und Soziologen, Ärztinnen und Ärzten“. Es hörte nicht auf. Dafür mussten Bäume sterben.
Aber so lieblos muss man das ja nicht machen. Niemand sagt, dass eine geschlechtergerechte Sprache unleserlich sein muss. Wir haben noch nie einheitlich und nach fixen Regeln formuliert. Warum sollten wir jetzt damit anfangen? Es geht besser. In der Sprache galt schon immer, dass Qualität von Qual kommt: Leichte Texte entstehen aus großer Anstrengung.
Und während wir daran arbeiten, schadet ein wenig Offenheit für die eigentliche Frage der Kreativität nicht: Haben wir im deutschen Sprachraum wirklich ein Kunstproblem, oder ist es nicht doch ein Kritiker(innen)-Problem?
Das Denken wurde erfolgreich angestoßen
Auf eine Variante geeinigt haben wir uns in der deutschen Sprache bislang nicht:
- Im Business-Kontext gilt häufig der Doppelpunkt.
- Andere nutzen ein Binnen-I, ein Sternchen oder einen senkrechten Strich.
- Einige schreiben beide Formen aus oder stellen eine mit einem Bindestrich hinten an. Dies ist die Version, die der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV) empfiehlt (hilfsweise das Sternchen).
- Wir finden Formen wie Studierende oder Lehrende.
- Und dann gibt es noch jene, die alle, die keine Männer sind, einfach nur mitmeinen.
Jede der Darstellungen nervt irgendwen. Und manche Menschen fühlen sich von jeder Version persönlich angegriffen. Auch ich war lange Jahre dagegen, mathematische Operatoren in Texte einzubinden. Doch sie hatten eine Funktion: Sie machten das Gendern im ganzen deutschen Sprachraum bekannt. Das Denken wurde erfolgreich angestoßen.
Heute müssen wir das Ob des Genderns nicht mehr diskutieren. Lasst uns am Wie arbeiten.
Anything goes
Kürzlich war der österreichische Philosoph Paul Karl Feyerabend wieder im Gespräch. Am 13. Januar wäre sein 100. Geburtstag gewesen, am 11. Februar wird sein 30. Todestag sein. Und Feyerabend ist fürs Gendern relevant, auch wenn er sich möglicherweise (ganz sicher sogar?) nie damit befasst hat.
Feyerabends Leitspruch war: „Anything goes.“ Er beschäftigte sich unter anderem mit den Grundlagen der Wissenschaft und ging davon aus, dass jede einheitliche Theorie den Fortschritt behindere. Ebenso ist es mit der Sprache.
Der Wunsch nach Vereinheitlichung in der Sprache verursacht Streit, und die Texte sind Mist. Wehe, ihr zitiert mich, indem ihr diesen Satz aus dem Zusammenhang reißt. Der Kontext ist wichtig: Eine lebendige Sprache gelingt, wenn der Autor oder die Autorin Mut zur Vielfalt hat. Aus diesem Mut entsteht bald eine Fähigkeit.
Wie Feyerabend den theoretischen Pluralismus forderte, brauchen wir einen sprachlichen Pluralismus. Kombiniert Methoden! Mal ein Zeichen (das gern einheitlich), mal ausgeschrieben, mal die -innen angehängt – meist ergibt schon der Satzbau, welche Form ideal ist.
Schreiben ist Kreativität
In einem anderen Fachbuch, diesmal aus dem Hause Springer Nature, entdeckte ich diese Passage in der Einleitung: „Wir haben uns bei dieser Auflage erstmals bemüht, das generische Maskulinum bei der Personenbezeichnung zu vermeiden.“
Es folgen Beispiele und eine Begründung. Sie schließt mit:
„An manchen Stellen mussten wir dafür etwas kreativ werden. Sehen Sie es uns bitte nach, wenn die eine oder andere Formulierung etwas schief geraten ist. Dem Textfluss sollten diese Eingriffe in der Regel jedenfalls nicht geschadet haben, das war uns wichtig.“
Da steckt Inspiration drin. Es ist möglich, elegante, lesbare und gewinnbringende Texte zu formulieren – und dabei geschlechtergerecht zu formulieren. Kreativität ist der Schlüssel, und Schreiben ist ein Ausdruck menschlicher Kreativität, das gilt von der kurzen Textnachricht über die Business-Mail bis zum Roman.
Früher war alles übersichtlicher, besser, leichter und halt unfair
Jene, die das generische Maskulinum (alle anderen „mitgemeint“) in der Sprache vertreten, verteidigen einen Ausdruck, der nicht mehr zeitgemäß ist. Als wir nur die Männer als handelnde und relevante Menschen betrachtet haben, war die Welt übersichtlicher, die Sprache auch. Aber fair, menschenwürdig und korrekt war sie eben nur für die Männer.
Eine faire Sprache muss keine schlechte Sprache sein. Aber sie ist eine, für die wir ein wenig komplexer denken müssen. Ich habe in diesem Text bislang etwa 4.500 Zeichen geschrieben und nur zweimal gegendert (das Zitat oben zählt nicht). So schlimm war’s nicht, oder? In anderen Texten ist es schwieriger, aber auch für sie gibt es sprachliche Lösungen. Wir müssen sie nur erschaffen.
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„Heute müssen wir das Ob des Genderns nicht mehr diskutieren. Lasst uns am Wie arbeiten.“
Bei den Umfragen sind regelmässig 70% gegen das Gender, daher halte ich die obige Aussage für Unsinn.
Wie wäre es mit einer grossen Prise Toleranz ? Wer gendern will, mag das tun und wer das nicht will, lässt es sein …. und der eine lässt den anderen gewähren ohne gleich moralisch oder aggressiv zu werden …
Fände ich deutlich besser
Mir hat noch nie jemand plausibel erklären können, wieso es früher „unfair“ war, zumal das Problem erst dann entsteht, wenn man sich nicht mehr sichtbar fühlt, obwohl es lediglich Sprache ist und auch Männer beim generischen Maskulinum nur „mitgemeint“ sind.
In anderen Ländern geht man auch andere Wege, beispielsweise verzichtet man im Englischen oft auf weibliche Formen, weil dies als sexistisch, da fokussierend auf das Geschlecht, angesehen wird.
Es gibt hierzu wirklich gute Videos, auch auf YouTube, die völlig unverdächtig sind, irgendwie besonders konservativ oder gestrig zu sein (z.B. von Alicia Joe „Warum Gendersprache scheitern wird“).
Wenn jemand gendern will, toll. Aber der Vorwurf, dass jemand, der sich dagegen ausspricht, eben diskriminiert, unfair ist usw., der immer mitschwingt, gehört dann nicht dazu.
Ich finde den Ansatz gut zu sagen: Lasst uns nicht über das Ob, sondern das Wie diskutieren.
mit ein bisschen Mühe bekommt man schöne Texte hin.
Mich stört an den meisten „Wie“ dass sie
a) den Sinn verzerren. Bspw. im gesprochenen die „Akteurinnenperspektive“ kann man deuten als die Innere Sichtweise des Akteurs, oder als die Perspektive weiblicher Akteure, oder als die Perspektive männlicher und weiblicher Akteure, wobei sich die Frage stellt: Wenn der Akteure allein durch sein Agieren definiert ist, warum auf Geschlechter hinweisen, die dann irrelevant sind?
b) die Sprache sexualisieten. Warum ist es semantisch relevant zu betonen, dass der Busfahrer weiblich ist? Sollte ich da mehr zahlen? Oder sollte ich in Betracht ziehen mit dem Busfahrer zu flirten?
Ich finde damit unterstützen viele Formen „geschlechtergerechter Sprache“ das, was sie eigentlich bekämpfen wollen: die unterschiedliche Betrachtung der Geschlechter von vornherein.
Das Geschlecht der beschriebenen Akteure ist in manchen Belangen relevant (eben auch da, wo es besonders durch die übliche Verteilung ist
bspw. Frauen in der Armee). in den meisten Fällen aber ist es in einer emanzipierten Gesellschaft nicht relevant. Das Geschlecht aber permanent zu betonen ist letztlich sexistisch.
Um das generische Maskulinum kommt man dabei nicht herum. Wenn man postuliert ein „Busfahrer“ sei immer ein Mann, dann ist aber eine „Busfahrerin“ ein Mann der besonderer Weise eine Frau ist.
Was fehlt: Eine Silbe zur Hervorhebung der Männlichkeit. Bspw. „-er“. Man hätte dann den „Busfahrer“ als ein Mensch der Bus fährt, die „Busfahrerin“ als eine Frau die Bus fährt, und den „Busfahrerer“ als ein Mann der Bus fährt. Das lässt sich schnell angewöhnen, da die Betonung des Geschlechts nämlich nur dann verwendet werden muss, wo sie relevant ist.
Alternativ kann man auch das generische Maskulinum verwenden und die Geschlechter über ein vorgestelltes „weiblich“ oder“männlich“ hervorheben „der männliche Busfahrer“ und „der weibliche Busfahrer“, oder „der diverse Busfahrer“ – anderes Beispiel: „Die männliche Krankenschwester“.
das ist alles weniger Aufwand als eine neue neutrale Form zu entwickeln und zu etablieren, oder auf Zwang immer alle möglichen Optionen zu formulieren, die eigentlich keinen semantischen Beitrag leisten.
Zusammengefasst: Geschlechter nur da betonen wo sie relevant sind, aber bitte alle Geschlechter gleichermaßen als relevant oder irrelevant behandeln, nicht allein Frauen hervorheben. Und sich damit dran gewöhnen, das generische Maskulinum als Geschlechter-irrelevant zu nutzen.
Vorschlag. Wie wäre es, wenn wir eine komplett neue Sprache entwickeln? Also ernsthaft. Sprache ist genausowenig „Kreativität“ wie Mathematik, sondern verfolgt klare Muster! Und dass das generische Maskulinum plötzlich nicht mehr „gerecht“ sein soll ist leider nicht ernstzunehmen, besonders, da ein Großteil der Bevölkerung vom Gendern genervt ist und mit der klassischen deutschen Sprache kein Problem hat. Es sind vor allem Politik und Medien, die hier versuchen, etwas durchzuboxen, was kaum jemand will. Und die fünf Personen, die sich wirklich davon „vernachlässigt“ fühlten, müssen halt mal die Zähne zusammenbeißen und damit leben. Man kann es nicht allen recht machen.
Ich persönlich finde, dass Doppelpunkte oder Sternchen oder Unterstriche nichts in Wörtern zu suchen haben. Das hat auch nichts mit Mühe zu tun. Es bremst den Rede- und Lesefluss und ist grundsätzlich unangenehm zu lesen. Wenn jetzt jeder sprechen und schreiben kann, wie er will, schaffen wir doch am besten den Deutschunterricht ab. Und warum muss 1+1 in Mathematik gleich 2 sein? Die Einsen sehen einfach viel zu männlich aus und repräsentieren daher die Frauen zu wenig. Echt wahr … Das Land hat Riesenprobleme und diskutiert über geschlechterneutrale Sprache…. Ich muss da einfach sehr laut lachen und leider den Kopf schütteln
Ich denke der Grundgedanke ist falsch, dass Sprache an sich diskriminierend ist. Schaut mal ins Arabische, oder Spanische. Dort gibt es für Frauen und Frauengruppen einzelne Artikel und Konjunktionen. Da ist auch nicht alles Fett was glänzt
Die Förderung der Genderagenda wird häufig von mächtigen Institutionen vorangetrieben und oft mit ökonomischen Anreizen für Unternehmen verknüpft. Große Konzerne wie Blackrock unterstützen diese Vorgehensweise, wobei die dahinterstehenden Interessen weniger auf das Wohl der Schwächsten ausgerichtet sind, sondern eher auf die Schaffung einer einheitlichen, kulturellen Identität, die primär auf die Steigerung der Profitrate abzielt.