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Unter der Erde brodelt es: Wie Geothermie eine größere Rolle bei der Stromgewinnung spielen kann

Neue Bohrtechniken und frisches Interesse von Investoren bringen Geothermie zunehmend als Lieferant für Strom ins Spiel. Bisher liegen die Anlagen zur Förderung in nur wenigen Ländern, doch das könnte sich ändern.

Von Hanns-J. Neubert
4 Min.
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Geothermie-Kraftwerk in Island. (Foto: Johan Ragnarsson / Shutterstock)

Nachdem jahrzehntelang die einfache Wärmeförderung aus dem Untergrund Hauptziel der Geothermie war, richtet sich der Fokus zunehmend darauf, elektrische Energie aus der Wärme aus der Tiefe zu gewinnen. Technologische Fortschritte, vielfach entliehen und adaptiert aus der Erschließung von Öl- und Gasvorkommen, eröffneten in den vergangenen Jahren neue Möglichkeiten zur Energiegewinnung aus Geothermie in wirklich allen Ländern der Erde.

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Die Devise: Man muss nur tief genug bohren, um es heiß genug zu haben. Denn im Durchschnitt steigt die Temperatur um 25 bis 30 Grad Celsius pro Kilometer Tiefe. Tektonische Bedingungen, wie Vulkanaktivität, geologische Spreizungszonen, Subduktionszonen, Riftzonen oder Hot Spots, können die Krustentemperatur regional sogar noch erhöhen.

Mit neuen Bohrtechnologien lässt sich die Erdhitze für Wärmegewinnung und Stromerzeugung jetzt auch dort fördern, wo man mit bisherigen Techniken nicht allzutief kam.

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Der Markt für Geothermie entwickelt sich

Inzwischen haben auch Geldgeber erkannt, dass sich mit Investitionen in Geothermie über kurz oder lang wohl gutes Geld verdienen lässt. Im vergangenen Jahr sammelten die führenden nordamerikanischen Geothermie-Startups Fervo Energy, Sage Geosystems, Eavor und Quaise Energy mehr als 1,3 Milliarden US-Dollar ein und erreichten wichtige Meilensteine, um ihre neuen Technologien zu demonstrieren. Technologiegiganten wie Google und Meta, aber auch große Versorgungsunternehmen haben sich bereits verpflichtet, geothermische Elektrizität zu kaufen, um ihren wachsenden Energiebedarf zu stillen.

Wie viel Strombedarf könnte Geothermie abdecken?

Nach einer aktuellen Analyse der Internationalen Energieagentur (IAE) deckt die Geothermie derzeit weniger als ein Prozent des weltweiten Strombedarfs. Aber die Erzeugung nahm in den letzten zehn Jahren immerhin um 40 Prozent zu, auf 15 Gigawatt in 2023. Allerdings konzentrieren sich die Anlagen auf nur einige wenige Länder mit leicht zugänglichen und hochwertigen Ressourcen, wie die USA, Island, Indonesien, die Türkei, Kenia und Italien.

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Dabei könnte die Geothermie bei kontinuierlichen technologischen Verbesserungen und sinkenden Projektkosten bis 2050 bis zu 15 Prozent des weltweiten Strombedarfs decken, so die IEA. Das bedeutet bis zu 800 Gigawatt geothermischer Energiekapazität weltweit, mit der fast 6.000 Terawattstunden pro Jahr erzeugt werden könnten. Das entspricht dem heutigen Strombedarf der USA und Indiens zusammen.

Neue Bohrtechnologien, die die Hitze in Tiefen von mehr als drei Kilometern erschließen können, machen die Geothermienutzung in fast allen Ländern der Welt möglich. Die IEA schätzt, dass damit die Erdwärme in einem Ausmaß ausgebaut werden könnte, das ausreichen würde, um den gesamten Strom- und Wärmebedarf für Afrika, China, Europa, Südostasien und den Vereinigten Staaten zu decken.

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Welches Potenzial geothermische Technologien haben

Zu der neuen Generation geothermischer Technologien gehören vor allem die „reservoirunabhängigen“ Ansätze, wie die Enhanced Geothermal Systems (EGS, verbesserte geothermische Systeme) und die Closed-Loop Geothermal Systems (CLGS, geothermische Systeme mit geschlossenem Kreislauf). Mit ihnen kann die geothermische Stromerzeugung und die direkte Heizungsnutzung in den Teilen der Welt zugänglich werden, in denen konventionelle geo- und hydrothermische Ressourcen nicht vorhanden sind.

Die verbesserten geothermischen Systeme (EGS) erhöhen die Durchlässigkeit des heißen Gesteins für Wasser, indem typischerweise am Ende tiefer Bohrungen natürliche Risse im Gestein erweitert werden. Das passiert durch hohen Wasserdruck, thermische Schocks durch kalte Flüssigkeit, oder auch durch chemische Stimulation, bei der bestimmte Chemikalien Mineralien auflösen und so Hohlräume schaffen.

Systeme mit geschlossenem Kreislauf (CLGS) sind eigentlich Wärmetauscher. Dazu sind auch horizontale Bohrungen nötig, um die Kreisläufe zu schließen. In ihnen fließt eine Flüssigkeit, die vom heißen Umgebungsgestein erwärmt wird. Der Vorteil ist, dass geschlossene Strukturen nicht auf heißes Tiefenwasser angewiesen sind, sondern in trockenem Gestein funktionieren. Man kann sie praktisch überall bauen. Technisch herausfordernd ist allerdings die Bohrstrecke, die um ein Vielfaches länger ist, als EGS-Bohrungen. Denn hierbei werden mehrere übereinander liegende Schleifen („Loops“) erbohrt, um eine möglichst große Wärmeausbeute zu bekommen. In Deutschland baut Eavor gerade eine solche Wärme- und Kraftwerksanlage in Geretsried bei München mit vier „Loops“ in einer Tiefe von 4.500 Metern.

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Tiefer mit neuen Bohrtechniken

Um solche und auch tiefere Geothermiestrukturen möglich zu machen, sind inzwischen auch neue Bohrtechniken entstanden.

  • Plasma-basiertes Bohren: Dabei erzeugen elektrische Entladungen einen Plasmalichtbogen, in dem sich das Gestein direkt auflöst. Diese Plasmabit genannte Technik entwickelte GA-Drilling aus der Slowakei.
  • „Hochgepulstes Bohren“ (HPP): Eine zyklische elektrische Entladung am Bohrkopf erzeugt im Gestein Brüche. Kombiniert mit herkömmlichen Bohrkronen bricht zunächst das HPP das Gestein, bevor die Bohrkrone es zertrümmert – der Bohrer kommt schneller voran, die Bohrkrone hält länger. Führend ist das Projekt „Plasma Pulse Geo-Drilling“ der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich.
  • Japanische Ingenieure entwickelten das Thermoschock-Bohren, bei dem das Gestein durch schnelles Erhitzen und Abkühlen thermischen Schocks ausgesetzt wird. Diese Technologie befindet sich noch in der Anfangsphase.
  • Quaise Energy, ein Spin-off des MIT, nutzt ein ursprünglich für die Fusionsenergie entwickeltes Gyrotron, einen Mikrowellen-Oszillator, um Gestein zu verdampfen. Damit, so die Hoffnung der Techniker, könne man schnell in bisher noch nie dagewesene Tiefen vordringen.

Schließlich gibt es da noch das EU-Projekt ORCHYD, wo die Forscher das Gestein mit Hochdruckwasserstrahlen in bestimmte Formen schneiden, um es dann mit einem flüssigkeitsbetriebenen Schlaghammer vollständig aufzubrechen.

Die Klimauhr tickt

Möglicherweise ist das der Anfang einer wirklich fossilfreien Zukunft. Vorausgesetzt, der Ausbau geht schnell, denn die Klimauhr tickt.

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Kommentare (1)

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Harald Wimmer

Das ist nur Technologie-Wichserei von Leuten, die hoffen, dass man Tranformations-Investitionen abgreifen kann.

Wenn Geothermie den Gebäudeenergiesektor nennenswert abdeckt, brauchen wir keine aufwändigen zusätzlichen Stromquellen. PV und Windkraft passen – entsprechende Vernetzung und Speicherung vorausgesetzt – perfekt zum normalen Lastprofil. Die Technologien sind vorhanden, sie sind billig, aber es fehlen immer noch die politischen Voraussetzungen.

Genauso sind politischen Rahmenbedingungen für Geothermie im Gebäudesektor noch unzureichend: Sie lösen das Problem nicht, dass mit Geothermie ein lokales Monopol ensteht in einem Markt-Setup, das nur mit Wettbewerb funktionieren kann. Die notwendige Regulierung fehlt, weswegen die Geothermie-Projekte zwar seit 20 Jahren arbeiten, aber aberwitzig für die zu wenigen Kunden sind und gleichzeitig kaum kostendeckend für die Betreiber.

Wenn wir diese Probleme nicht lösen können – und ich sehe wenige Chancen dafür – wird uns nicht mal die Kernfusion retten, nichtmal, wenn sie mal nicht mehr 30 Jahre entfernt ist.

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