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Studie: Warum die Autobranche eine einzige Baustelle ist

Eine Studie zeigt: Die hauptsächlich für Elektrifizierung und autonomes Fahren nötigen Investitionen der Autohersteller erreichen mit 200 Milliarden Euro einen Rekordwert. Viele Baustellen bleiben, zeigt unsere Analyse zur Themenwoche Zukunft der Mobilität.

Von Ekki Kern
6 Min. Lesezeit
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Geschäftsmodell prüfen. bitte: Um die Transformation zu meistern, müssen die Autohersteller in neue Technologien investieren. Und die nächsten Probleme warten schon. (Foto: Shutterstock)

Es sind nicht nur die Nachwehen des Dieselskandals, die die Autoindustrie derzeit beschäftigen, sondern die grundlegende Transformation ihrer Struktur und ihres Geschäftsmodells. Diese erhöhe den Investitionsdruck auf die Hersteller, heißt es in der Studie „Global Automotive Outlook 2018“ der Beratungsfirma Alix Partners, die t3n.de vorliegt. Das Unternehmen hatte in den vergangenen Monaten die Bilanzen von mehr als 300 Automobilherstellern und -zulieferern ausgewertet sowie eine Vielzahl von Experteninterviews sowie Verbraucherumfragen durchgeführt.

Investitionen für E-Antrieb und autonomes Fahren

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„Immense Summen für Forschung und Entwicklung sowie für neue Partnerschaften“ müssten die Autokonzerne jetzt ausgeben. Mit 200 Milliarden Euro, heißt es, hätten die 13 weltweit größten Hersteller im Jahr 2017 Rekordinvestitionen getätigt, 2016 seien es noch rund 180 Milliarden Euro gewesen. Die Mehrausgaben seien dabei hauptsächlich auf Investitionen in die Elektrifizierung des Antriebsstrangs und der Weiterentwicklung des autonomen Fahrens zurückzuführen. 

Bis 2022 planen die Hersteller über 200 neue E-Modelle auf den Markt zu bringen. Die Prognose von Alix Partners hierzu: Die Konzerne werden viel Geld verlieren. Nicht zuletzt deshalb, weil vergleichsweise geringe Absatzzahlen für die einzelnen Modelle zu erwarten seien. Zugleich verlangsame sich das Wachstum des globalen Automarktes „merklich“.

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Es soll bis 2025 auf einen jährlichen Durchschnittswert von 2,3 Prozent sinken, im Gegensatz zum Wachstum von 3,8 Prozent in den zurückliegenden sieben Jahren. Für die von der Dieselkrise verunsicherte Schlüsselbranche der Industrienation Deutschland seien all das „ernste Nachrichten“, schreiben die Studienautoren. 

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Profitabilität nicht mehr gesteigert

Aber zur Realität gehört auch dies: Das stetige Wachstum der vergangenen acht Jahre hat den Herstellern auch 2017 wieder Rekordumsätze eingebracht. Einzig, ihre Profitabilität konnten sie erstmals seit 2013 nicht mehr steigern. Einen Grund hierfür sieht Alix Partners in den steigenden Investitionen, die die Branche zu stemmen habe, um ihre „grundlegende Transformation zu bewältigen“, wie es in der Studie heißt. 

Die Themen „Connected“, „Autonomous“, „Shared“ und „Electrified“ (C.A.S.E.) würden „ihren Tribut fordern“. Zudem gehen die Hersteller laut des Beratungsunternehmens immer mehr Partnerschaften ein. 2017 seien es 379 gewesen, im Jahr zuvor noch 204. Im Fokus stünde dabei nicht nur die eigene Branche. Im Gegenteil: 2017 hätten zwei Drittel der Ziel-Unternehmen in den Bereichen neuer Technologie agiert. 

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Die im Bereich E-Mobilität und Autonomes Fahren geschlossenen Partnerschaften haben sich im Jahr 2017 gegenüber 2016 verdoppelt. (Grafik: Alix Partners)

Die im Bereich E-Mobilität und autonomes Fahren geschlossenen Partnerschaften haben sich im Jahr 2017 gegenüber 2016 verdoppelt. (Grafik: Alix Partners)

 „Nur sehr große Hersteller sind in der Lage, die notwendigen Investitionen zu stemmen.“

Die Automobilindustrie konzentriere sich bei Käufen und Zusammenschlüssen vor allem auf Player aus dem Bereich Elektrifizierung und autonomes Fahren, heißt es. Sie würden mit 55 Prozent den Löwenanteil der Partnerschaften aus dem C.A.S.E.-Spektrum ausmachen, schreiben die Studienautoren. 

Standards und Regulierung sorgen für Unsicherheit

„In den kommenden Jahren wird die Autoindustrie gezwungen sein, weltweit Hunderte von Milliarden Euro auszugeben, um die Transformation ihrer Branche zu bewältigen. Viele der Investitionen in Elektrifizierung und autonomes Fahren werden sich aber erst spät rechnen. Hinzukommen Unsicherheiten im Hinblick auf Standards, Regulierung und Technologie. Autohersteller gehen eine Wette mit hohem Einsatz ein; sie brauchen viel Geld und einen langen Atem“, kommentiert Elmar Kades, Autoexperte und Managing Director bei Alix Partners.

Nur sehr große Hersteller seien in der Lage, die notwendigen Investitionen zu stemmen, sagt er. Für Kleinere werde es „entscheidend sein“, mit den Big-Playern ihrer Branche zu kooperieren und die Zusammenarbeit mit technologisch führenden Unternehmen zu suchen.

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Elektrofahrzeug: Das Model 3 von Tesla

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Das global zurückgehende jährliche Wachstum stelle die Autoindustrie vor zusätzliche Herausforderungen. Der gesamteuropäische Markt (+1 Prozent jährlich bis 2025) bleibe nur aufgrund des starken Wachstums in östlichen Ländern im Plus. Für Russland etwa geht die Studie von starken +6,5 Prozent aus. Ganz anders in Westeuropa: Hier erwartet Alix Partners einen jährlichen Rückgang um 0,6 Prozent. In Deutschland schrumpfe der Markt demnach sogar bis 2025 jedes Jahr um durchschnittlich ein Prozent. 

China ist „Wachstumslokomotive“

China, schreiben die Studienautoren, bleibe „die weltweite Wachstumslokomotive“, auch wenn der Markt reifer werde und die Steigerungsraten sich normalisieren würden. Für Nordamerika sieht die Studie bis 2020 einen „zyklischen Rückgang der Verkaufszahlen“. Dann erhole sich der Markt und nähere sich bis 2024 wieder dem aktuellen Niveau an. 

„Der Kampf um Marktanteile unter den Fahrzeugherstellern wird wohl noch härter. Zumindest für Autokäufer sind das kurzfristig gute Nachrichten: Sie dürften sich künftig über noch mehr Rabattaktionen freuen“, prognostiziert Elmar Kades.

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Hinsichtlich des Verbrennungsmotors sprechen die Studienautoren von einem zunehmenden Bedeutungsverlust. Ab 2020 gingen Marktanteile von Autos mit Benzinantrieb zurück, staatliche Regulierungsmaßnahmen würden aber vor allem Dieselfahrzeuge betreffen, heißt es. Auch in den anderen Ländern der Europäischen Union (EU) werden sie laut Alix Partners bis 2030 zum „Nischenprodukt“, wie man sich ausdrückt: Vermutlich werden dann in Westeuropa nur noch fünf Prozent der verkauften Neuwagen einen Dieselantrieb haben, heißt es. 

Der zurückgehende Absatz führe dazu, dass die ambitionierten CO2-Ziele der EU für Autohersteller „noch schwieriger zu erreichen sein werden“. Ab 2021 sollte der durchschnittliche Emissionswert von in der EU neu zugelassenen Autos bei maximal 95 Gramm CO2 pro Kilometer liegen. 2017 hat der entsprechende Durchschnittswert bei 130 Gramm gelegen und sich damit im Vergleich zum Vorjahr sogar leicht erhöht. 

Dieselfahrzeuge stoßen weniger CO2 aus als benzingetriebene Verbrenner. Um den schwindenden Marktanteil von Dieselfahrzeugen auszugleichen, ist es laut Berechnung der Studienautoren deswegen notwendig, dass rund fünf Gramm weniger CO2 ausgestoßen werden. Die Hersteller könnte das pro Auto rund 485 Euro kosten.

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Markterfolge von E-Autos „dringlicher“

„Durchschlagende Markterfolge von E-Autos“ würden vor dem Hintergrund der europäischen CO2-Grenzwerte „immer dringlicher“, heißt es in der Studie. Die Elektrifizierung des Antriebsstrangs sei 2017 „endgültig in den Märkten angekommen“. Laut „Alix Partners Automotive Electrification Index“ ist die elektrische Reichweite und der Elektrifizierungsgrad der weltweit verkauften Elektrofahrzeuge im vergangenen Jahr um jeweils 82 Prozent gestiegen. Auch Deutschland habe 2017 „die Trendwende geschafft“: Einem Rückgang der verkauften elektrischen Reichweite im Jahr 2016 stehe ein Plus von 120 Prozent im Jahr 2017 gegenüber, rechnen die Studienautoren vor.

Vertrauen sieht anders aus: Was Verbraucher über aktuell verfügbare autonome Fahrsysteme denken (Grafik: Alix Partners)

Vertrauen sieht anders aus: Was Verbraucher über aktuell verfügbare autonome Fahrsysteme denken. (Grafik: Alix Partners)

Die Elektrifizierung, schreiben sie, könnte aber aus zwei Gründen Schubkraft verlieren: Der Aufbau der Lade-Infrastruktur halte nicht Schritt mit den steigenden Verkaufszahlen von E-Autos. Das dürfte potenzielle Kaufinteressenten verunsichern. Vor allem aber gehen die Experten davon aus, dass die für die Batterieherstellung essentiellen Rohstoffe knapper werden und sich die Preise dafür deshalb deutlich erhöhen dürften. 

Dass der Preis für Kobalt von 2016 bis 2017 um 130 Prozent in die Höhe schoss, könnte ein Vorgeschmack auf künftige Entwicklungen sein. Denn die Nachfrage nach Kobalt wird voraussichtlich schon 2022 die weltweite Fördermenge übertreffen, schätzen Experten. Für Nickel könnte dieser Punkt zwar erst später erreicht sein, die Preise würden aber „schon jetzt anziehen“, heißt es in der Studie. 

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E-Auto-Produktion: Lieferkette „anfällig“

„Die absehbare Verknappung von Kobalt und Nickel macht die Lieferkette der E-Auto-Produktion anfällig. Das Ziel einer günstigeren Batterie ist deshalb bedroht“, sagt Jens Haas, Managing Director und Autoexperte bei Alix Partners. Grundsätzlich verlaufe der Trend weg vom Verbrennungsmotor hin zu alternativen Antrieben „aus heutiger Sicht aber unumkehrbar“. Der Elektroantrieb sei dabei „eindeutig in der ‚Pole Position‘“. Wegen verschärfter Abgasmessmethoden und deutlicher Marktanteilsverlusten von Dieselfahrzeugen würden die Hersteller kurzfristig Lösungen benötigen, um die rechtlich vorgegebenen Emissionsziele zu erreichen, heißt es. 

Daher, schreiben die Studienautoren, würden die Konzerne auf den Elektroantrieb setzen. Nicht zuletzt, weil er „die am weitesten fortgeschrittene Alternative zum Verbrennungsmotor“ sei und „sich eine zunehmende Akzeptanz bei den Verbrauchern abzeichnet“. „Große Hoffnung“ lege die weltweite Automobilindustrie aber auch in die rasche Fortentwicklung des autonomen Fahrens. Die Zuverlässigkeit autonomer Fahrsysteme nehme „auch tatsächlich zu“, „jedoch langsamer als von vielen Verbrauchern und der Industrie erhofft“, schreiben die Studienautoren: Die Marktverfügbarkeit einer dem menschlichen Fahrverhalten vergleichbaren, autonom fahrenden Technologie erwarten sie erst für 2025. 

Zudem wollen Autokäufer offenbar deutlich weniger Geld für Fahrzeuge mit autonomen Systemen ausgeben, als diese tatsächlich kosten. In einer repräsentativen Umfrage unter US-amerikanischen Konsumenten im Rahmen der Studie hätten diese angegeben, durchschnittlich 2300 Dollar mehr für ein Auto zahlen zu wollen, wenn dieses über autonome Systeme verfügt. Die Kosten liegen dafür aber aktuell zehnmal höher, sagt Alix Partners.

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